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Eintauchen in fremde Musikkulturen

Erfahrungen beim Auslandssemester in Norwegen

Meine eigene Idee war es eigentlich nicht gewesen, ein Auslandssemester einzulegen. Ich hatte mich nach zwei Jahren gerade so richtig gut in mein Klavierstudium in der thüringischen Kulturinsel Weimar eingelebt. Ich hatte Schüler, die ich ungern einfach weiterleiten wollte, ich hatte gerade erst meinen Lehrer gewechselt und wollte eventuell ein zweites Hauptfach belegen. Eine Pause erschien mir zu dieser Zeit wie ein Stillstand eines Rades, das sich gerade in Bewegung gesetzt hatte.

Das Ausland – so dachte ich – kenne ich ja durch Reisen. Und was sollte da schon so anders sein. Meine Schwester hatte ihr Auslandsjahr soeben beendet. Ein anderer Mensch war sie dadurch in meinen Augen auch nicht geworden. Doch meine Mutter redete immer wieder auf mich ein. Und ein Satz blieb mir dann doch im Gedächtnis: „Du wirst nie mehr so leicht für eine längere Zeit ins Ausland kommen. Tu es jetzt, oder du tust es nie!“

Aber wenn es denn sein muss – so dachte ich –, dann nehme ich ein Land, in dem alles neu und ungewohnt ist für mich: die Landschaft, das Klima, die Währung, und vor allem die Sprache. Wenn schon, dann wollte ich es so schwer wie möglich haben. So saß ich also im Büro des Auslandskoordinators der Hochschule, schaute auf die Liste mit den Austauschangeboten und blieb bei Norwegen hängen. Noch am gleichen Tag war mein Antrag perfekt.

Das Konservatorium in Stavanger, der drittgrößten Stadt Norwegens, ist relativ klein, und so blieb mir manches Prozedere, das einige meiner Kommilitonen bei ihrer Bewerbung zu bewältigen hatten, erspart. Trotzdem: Noch wenige Tage vor meiner Abreise hatte ich keine Ahnung, wo und wie ich die nächsten Monate überhaupt verbringen würde. Ich wusste nur: Es würde nicht billig werden, und ich würde lediglich aus einem einzigen Rucksack leben müssen.
Schließlich wurde ich dann am Flughafen von Stavanger von der dortigen Auslandskoordinatorin persönlich abgeholt und bis zu meinem Wohnheim gebracht. Nicht einmal um den Schlüssel musste ich mich selbst kümmern. Besucherunfreundlichkeit kann man den Norwegern wirklich nicht vorwerfen.

Anfang Februar war es in Norwegen recht dunkel. Nicht dunkler als woanders in Europa übrigens auch. Nur regnete es ununterbrochen, zwei Monate lang. Vorerst machte mir das allerdings überhaupt nichts aus! Alles war aufregend genug: Ich hatte noch nie zuvor in einer Hafenstadt gelebt, der Markt roch nach Fisch und die großen Schiffe nach dem Duft der weiten Welt. Außerdem war die Stadt mit ihren etwa 110.000 Einwohnern immerhin größer als Weimar. Sie hatte sogar einen Erstliga-Fußballverein!

Die Musikhochschule in Stavanger ist keine eigenständige Hochschule, sondern eine Abteilung der Universität. Trotzdem befindet sie sich nicht auf dem Campus, sondern hat ihr eigenes Gebäude am anderen Ende der Stadt. Mit rund einhundert Studenten war es dort enorm übersichtlich, und so fiel es mir nicht schwer, mich bald wie in einer großen Familie zu fühlen. Bemerkenswert: Neben den üblichen Instrumentalstudiengängen gibt es an der kleinen Hochschule auch eine Art Tontechnikstudium, das sich ein wenig von vergleichbaren deutschen Studiengängen unterscheidet, und sogar Tanzpädagogik wird angeboten.

Ein Nachteil der geringen Größe des Konservatoriums war, dass es für Austauschstudenten wie mich leider nur wenige Kursangebote gab, die man neben dem Einzelunterricht hätte nutzen können. An größeren Hochschulen sieht das schon anders aus: In Birmingham beispielsweise kann man auf Gamelan-Instrumenten musizieren, im spanischen Salamanca sich im Barocktanz schulen lassen.

Ich selbst hatte in meinem Klavierunterricht die Möglichkeit, etliche in Deutschland nicht einmal als Noten erhältliche Stücke des norwegischen Nationalkomponisten Edvard Grieg kennen zu lernen. Mit den „norwegischen Volksmelodien“ konnte ich gleichzeitig viel von der traditionellen skandinavischen Folklore entdecken, die in Griegs Musik immer wahrnehmbar ist. Seit ich die Fjordlandschaften gesehen, seit ich das Klima Norwegens erlebt und einige Folklore kennen gelernt habe, bedeutet mir die Musik Skandinaviens unendlich mehr: Griegs Klänge rufen in mir sofort Bilder seiner Heimat hervor. Mein Klavierlehrer bestärkte mich darin, einmal Griegs Wohnhaus und sein Grab in Bergen zu besuchen.

Der Klavierunterricht fand im Übrigen auf deutsch statt, da mein Professor in Deutschland studiert hatte; und auch sonst hatte ich es sprachlich nicht so schwer wie eigentlich erhofft: Jeder Busfahrer, jeder Hausmeister in Skandinavien spricht perfekt englisch. Unangenehmer war es dann, als ich nach etwa zwei Monaten, in denen ich auch einen kleinen Sprachkurs mitgemacht hatte, anfangen wollte, mich auf norwegisch zu verständigen. Wo ich mich vorher leicht unterhalten hatte, suchte ich plötzlich nach Vokabeln; und hatte ich einen Satz auf Norwegisch fertig gebracht, verstand ich die Antwort nicht! Doch ich hatte ja noch ein paar Monate Zeit, um das zu ändern.

Das Auslandsbafög erleichterte mir den Aufenthalt im teuersten Land Europas, doch trotzdem ernährte ich mich zeitweise von Erbsen mit Ketchup. Mein größtes Problem sollten aber nicht die Finanzen werden. Normalerweise bin ich nicht der Typ, dem es schwer fällt, sich selbst zu beschäftigen, doch waren meine Möglichkeiten in dem fremden Land diesbezüglich eher begrenzt. Da ich, wie man es bei einem Austauschsemester macht, in Deutschland ein Urlaubssemester eingelegt hatte, hatte ich keinerlei Pflichtveranstaltungen außer dem Klavierunterricht und dem Sprachkurs, der sich auf eine Stunde in der Woche beschränkte.

Andere Veranstaltungen der Hochschule kamen für mich kaum in Frage, da ich mitten im laufenden Jahr in Norwegen erschien, und die Hochschule das Jahr nicht in Semester aufteilte. Außerdem wurde vieles im Einzelunterricht angeboten oder kam wegen der Sprache nicht in Frage.

Ich war noch nie ein Mensch, der die meiste Zeit des Tages an seinem Instrument verbringt, und dass ich nun die Möglichkeit hatte, zwölf Stunden am Tag zu üben, verleitete mich nicht unbedingt zu Freudentänzen. Und die wunderschöne Natur rings um die norwegischen Städte konnte man praktisch nur mit dem Auto oder mit dem Boot erkunden. Vielleicht ist ein Auslandssemester eben doch so etwas wie ein Urlaubssemester.

In dem man allerdings nicht zu viel Urlaub machen sollte. „Wenn im Lebenslauf steht: Austauschsemester in Bali, dann wissen alle, dass man einfach auf Ferien scharf war“, sagt Fabian (Austausch Münster – York). Man kann auch nicht monatelang nur Klavier üben. „Oder immer am Strand liegen“, wie Alexander (Austausch Leipzig – Aix-en-Provence) meint. Irgendwann kehrt man einfach gern wieder zurück. Bis dahin hat man es aber einmal geschafft, über den Tellerrand zu schauen, seine (musikalische) Persönlichkeit zu stärken, mit seinen Gewohnheiten zu brechen, seinen Horizont zu erweitern. Und danach ist man schon irgendwie – ein ganz klein wenig – ein anderer Mensch.

Judith Kochendörfer

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