Das ist der sehnlichste Wunsch aller Musikstudenten, Musiker, Komponisten
und aller anderen, die Musik schreiben wollen: preiswerte Notensatz-Software.
Bei den Angeboten auf dem Markt ist jedoch der Traum vom günstigen
Preis schnell ausgeträumt. Ein Blick auf die drei führenden
Anbieter Finale, Sibelius und capella soll ein wenig Klarheit besonders
in Sachen preiswerte Varianten verschaffen.
Eines sei vorausgeschickt: Alle Programme erfüllen grundsätzlich
ihre Zwecke. Für alle Programme benötigt man Zeit zum
Einarbeiten und jeder User muss seine eigene Arbeitsökonomie
entwickeln. Manche Funktionen des einen Programms wird man in einem
anderen Programm vermissen. Dafür wartet das andere Programm
mit einer alternativen Lösung des Problems auf. Daher gibt
es „das“ ideale Notensatzprogramm nicht. Und schon gar
nicht zu einem günstigen Preis.
Es wächst sich beinahe zu einem Glaubenskrieg unter den Anwendern
aus: Finale oder Sibelius? Beide Hersteller können mit beeindruckenden
Listen von prominenten Benutzern aufwarten. Der Heimnutzer wird
seine erste Wahl über den Preis treffen – und da geht
der Finale-Hersteller Coda Music einen geschickten Weg. Von seinem
Produkt gibt es vier Versionen (und einige Spezialversionen), die
nach Ausstattung und Preis aufeinander aufbauen. Die günstigste
Version, Finale Notepad, gibt es kostenlos im Internet. Dafür
ist sie im Vergleich zum großen Bruder auch reichlich in der
Funktionalität abgespeckt. Für kleinere Stücke oder
Unterrichtsbeispiele reicht es aber allemal. Bis zum „großen“
Finale hat Coda noch zwei Zwischenversionen – Finale Allegro
und Finale Printmusic – im Angebot, die jeweils über
mehr oder weniger Funktionen verfügen und sich preislich entsprechend
unterscheiden. Studenten bekommen das „große“
Finale zum halben Preis und müssen erfreulicherweise keine
Funktionseinschränkungen in Kauf nehmen. Eine weitere, durchaus
angenehme Nachricht: Die Versionssprache ist immer deutsch.
Der Anbieter von Sibelius bringt zur Zeit die Sibelius Student
Edition auf den Markt, im Moment allerdings nur auf Englisch. Diese
Version ist als „Hausaufgaben-Modul“ zur Ergänzung
der Sibelius Educational Suite gedacht und soll den Bedürfnissen
von Musikschülern entgegen kommen. Dafür wurde der Funktionsumfang
stark eingeschränkt. Updates auf die Vollversion sind gegen
entsprechenden Aufpreis möglich. Die Nachteile der Student
Edition werden aber durch die Funktionalität beinahe wieder
aufgewogen. Der Hersteller hat die Bedienung so konzipiert, dass
(fast) alle Funktionen über die Tastatur zu erreichen sind.
Arbeitsökonomisch hat Sibelius damit die Nase vorn.
Der dritte in der Runde ist das deutsche Produkt capella. Seit
zehn Jahren behauptet sich der kleine Anbieter aus dem hessischen
Söhrewald gegen die Großen. Grund: der unschlagbare Preis.
Dafür erhält man eine Software, die nahezu allen Bedürfnissen
gerecht wird. Wenn man auch für capella viel Geld ausgeben
will, greift man zum „großen Notensatzpaket“.
Das kostet immer noch weniger als die Finale-Schulversion, vereinigt
aber drei Programme aus dem Hause capella: capella selbst, capella-scan
und capella PlayAlong. Capella-scan scannt Noten und überführt
sie in das capella-Dateiformat, capella PlayAlong macht unter MIDI-Zuhilfenahme
aus capella-Dateien brenn- und CD-spielbare Sounddateien. Beide
Funktionen sind im neuen Finale und in der Sibelius-Vollversion
eingebaut, beide jedoch nur in abgespeckter Version.
In aller Kürze sollen hier die wichtigsten Funktionen der
Programme verglichen werden. Die erste Frage, die jedes Programm
stellt, lautet: Was wollen Sie tun? Das Erstellen einer Partitur
ist höhere Notationskunst. Wie gehen die Kandidaten die Aufgabe
an? Alle Programme liefern einen gewissen Vorrat an Beispielpartituren.
Der Anwender muss im günstigsten Fall nur eine Vorlage öffnen
und kann sofort losschreiben. Änderungen der Beispielpartitur
erfolgen in capella über die so genannte Mustersystem-Ansicht,
in der man an beliebiger Stelle weitere Notensysteme einfügen
oder löschen kann. Leider nicht instrumentenspezifisch, sondern
immer nur als Kopie der angewählten Stimme. Finale und Sibelius
bieten über einen mehrstufigen Dialog die Möglichkeit,
an beliebiger Stelle „formatierte“ Systeme einzufügen.
Mit allen notwendigen Transpositionen und MIDI-Soundzuordnungen.
Bei der Sibelius Student Edition stößt man hier allerdings
auf die erste Einschränkung: Mehr als acht Systeme werden nicht
zugelassen.
Das eigentliche Notenschreiben unterscheidet sich nur in wenigen
Funktionen grundsätzlich. Für alle Programme gilt: Eingabe
über MIDI-Tastaturen sind generell möglich. Die Unterschiede
sind marginal. Für die weitere gemeinsame Möglichkeit
stand capella Pate, denn auch Finale und Sibelius sind inzwischen
mit der einfachsten aller Noteneingaben ausgestattet: Buchstabentaste
gleich Ton, Zahl gleich Länge. Schreibt man beispielsweise
in capella 4cdef2gg4aaaa1g, kommt der Beginn von „Alle meine
Entchen“ dabei heraus. Mit etwas Übung geht das so schnell
wie das Zehn-Finger-System in einer Textverarbeitung. Bei capella
ist dies die Standard-Eingabeform, bei Finale nennt sie sich „Einfache
Eingabe“, bei Sibelius „Alphabetic input“. Für
Gesangstexte und weitere musikalische Zeichen gibt es in allen Programmen
eigene Dialoge.
Finale und capella haben auch jeweils eine eigens entwickelte,
spezifische Eingabetechnik. Capellas Mausklavier ist die eigentümlichste.
Mit der Maus klickt man die virtuellen Tasten in einem Klaviaturfenster,
woraufhin capella die Noten schreibt. Im so genannten Zebrastreifen-Modus
werden pro Taste sogar drei verschiedene Notenlängen möglich.
Auch hier gilt: Mit etwas Übung – besonders in Zielgenauigkeit
– kommt man schnell vorwärts.
Die Finale-Idee ist die so genannte Schnelle Eingabe, die ausschließlich
per Tastatur erfolgt. Die Bezeichnungen Schnelle und Einfache Eingabe
sind durchaus irreführend, denn beide Eingabearten sind sowohl
schnell als auch einfach. Die Noten werden in der so genannten „fortlaufenden
Ansicht“ eingegeben. Das ist ein Endlos-System, in dem es
nur um den Notensatz mitsamt Vortragsbezeichnungen und Liedtexten
und noch nicht um das Layout geht. Das wird später in der Druckansicht
eingerichtet. Schnell heißt die Eingabeart deswegen, weil
man mit einer Hand – Daumen auf die Cursortasten, die restlichen
Finger auf den Zahlenblock – in Windeseile Noten schreiben
kann, ohne auf die Finger zu achten. Wie bei capella folgt nach
der Notenbearbeitung die Eingabe der musikalischen Zeichen und gegebenenfalls
der Liedtexte mit jeweils eigenen Werkzeugen. Das klingt umständlich
und ist es in gewisser Hinsicht auch. Da jedoch fast alle Zeichen
bereits mit klingenden Effekten programmiert oder nachträglich
programmierbar sind, ist diese Aufteilung sinnvoll. Zum Schluss
wird das Layout eingerichtet. Finale ist hier, ebenso wie Sibelius,
aber anders als capella, weitestgehend eigenständig in der
Lage, von Beginn an vorzeigbare Ergebnisse zu liefern. Bonbon: Zu
Finale ist ein Mauspad mit den wichtigsten Tastenbelegungen der
Einfachen und Schnellen Eingabe erhältlich.
Gerade beim Einfügen von musikalischen Zeichen geht Sibelius
einen eigenen Weg: Für alles gibt es ein Tastaturkürzel.
Hat man sich die Listen erst einmal eingeprägt, wird die Noteneingabe
durch die zusätzlichen Tastendrücke für Staccati
oder gar Bögen nur unwesentlich aufgehalten. Die eigentliche
Noteneingabe verzichtet hingegen auf Sonderwege. Entweder man benutzt
die Maus-Tastatur-Kombination – Notenwerte werden auf dem
Zahlenblock eingestellt, die Maus klickt in die Notenzeile –
oder man benutzt ausschließlich die Tastatur. Da sich rechte
und linke Hand bei der Maus-Methode ständig überkreuzen
müssen, wird die Tastatur-Methode die der Wahl werden. Im nächsten
Schritt folgen auch hier Dynamik- und Tempoangaben und gegebenenfalls
Gesangstexte. Bonbon: Für die Benutzung von Sibelius gibt es
eine eigene Tastatur. Hier sind alle wichtigen Tastenkürzel
aufgedruckt und auch farbig voneinander unterschieden.
Größter Nachteil der Sibelius Student Edition ist der
deutlich eingeschränkte Funktionsumfang. Unbegrenzte Systeme
pro Partitur, Stimmenauszüge, Schlüsselwechsel im Takt,
Quintolen und kürzere X-tolen, ungewöhnliche Instrumente
und zahlreiche Layout-Funktionen sind nur in der Sibelius-Vollversion
enthalten. Angesichts des Preises und der Verfügbarkeit in
Deutschland scheinen das vom Preis vergleichbare Finale Allegro
(gegenüber der Finale-Vollversion lediglich in Details und
in der Benutzung hilfreicher Plug-ins eingeschränkt) oder capella
die besseren Alternativen.
Was bleibt am Schluss? Leider nur das Abwägen: Wo bekomme
ich für möglichst wenig Geld das, was ich brauche? Capella
bietet sicherlich das preiswerteste Rundumpaket, hat in Bedienung
– für fast jede Funktion muss man ein Dialogfenster öffnen
– und Optik aber eher Ecken und Kanten. Finale hat den größten
Funktionsumfang (und demzufolge auch das umfangreichste Hilfe-System)
und die größte Bandbreite an Versionen, dafür ist
die Einarbeitungszeit jedoch entsprechend länger. Sibelius
schließlich sticht mit der Bedienung heraus. Da ist die Frage,
welche Noten besser aussehen, fast schon nicht mehr wichtig.
Dirk Jaehner
Preise (Stand Mitte August 2005):
Finale (www.klemm-music.de/coda)
Vollversion: 699,-
Schulversion (Funktionalität entspricht der Vollversion):
349,-
Finale Allegro: 199,-
Finale Printmusic: 79,-
Finale Notepad: kostenlos
Mauspad: 5,-
Capella (www.capella.de)
Vollversion: 148,-
Schul-/Studentenversion (5er-Lizenz): 48,- pro User
Capella 1200 (eingeschränkte Funktionalität): 48,-
Sibelius (www.sibelius.com)
Version 4 (engl.): 755,-
Version 3 (dt.): 555,- (Aktionspreis bis zum Erscheinen der deutschen
Version 4)
Schulversion 3 (dt.): 299,- (ab Dez. Version 4, 455,-)
Student Edition (engl., auf Basis von Sibelius 4): 149,-
(Deutscher Vertrieb: www.m3c.de, Suchbegriff: Student Edition)
Tastatur: 169,-
Alle Anbieter stellen kostenlose Demo-Versionen zum Download
zur Verfügung.