nmz 2002 | Seite 13
51. Jahrgang Sonderausgabe
Bestandsaufnahme
Für junge Jazzer ist die „Arbeitsphase“ Kult
Ein Novum im Jazz-Ausbildungssektor hat sich bewährt: das
Bundesjazzorchester wird fünfzehn
Unter dem prosaischen Begriff „Bujazzo-Arbeitsphase“
verbirgt sich eine der für junge Jazzmusiker aufregendsten
und wichtigsten Stationen am Beginn ihrer Karriere: die Mitgliedschaft
im Bundesjazzorchester. Die erste der inzwischen über 30 Arbeitsphasen
des Bundesjazzorchesters führte Peter Herbolzheimer kurz vor
Weihnachten 1987 durch. Das Premierenkonzert gab die frisch gebackene
Big Band am 6. Januar 1988 im Bonner Kanzleramt. Inzwischen sind
15 erfolgreiche Jahre vergangen: Am BuJazzO vorbei machen heute
nur noch wenige Jazzmusiker Karriere. Dagegen gibt es eine erfreulich
große Anzahl von „Ehemaligen“, die sich inzwischen
einen internationalen Namen gemacht haben, darunter Till Brönner,
Steffen Schorn oder Claudio Puntin.
Swing, Fusion, Modern Jazz:
Peter Herbolzheimer leitet eine Konzertbesetzung seines
Bundesjazzorchesters. Foto: BuJazzO
Mit Peter Herbolzheimer war es dem Deutschen Musikrat damals gelungen,
eine Galionsfigur des deutschen (Big Band-)Jazz als künstlerischen
Leiter zu gewinnen. Wie wichtig das sein sollte, zeigt sich an dem
Stand, den das Ensemble in der Jazzszene von heute hat. Jazzmusik
und ihre Szene haben in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren eine
Wandlung erfahren, sind Teil des etablierten Musikbetriebes geworden,
dem sich die Jüngeren immer besser anpassen, professionell
und seriös auftreten, Perspektiven entwickeln und auch den
finanziellen Realitäten ins Auge sehen.
Sicher ist das nicht nur eine Folge des musikalischen Zeitgeistes,
sondern auch eine des Engagements zahlreicher Musiker, Veranstalter
und Journalisten für ihre Musik. Mit Sicherheit haben Peter
Herbolzheimer und das BuJazzO eine nicht zu unterschätzende
Rolle bei dieser Entwicklung gespielt.
Doch das BuJazzO ist nicht nur Ausbildungsinstrument für Solisten
oder Keimzelle neuer Ensembles. Es ist auch ein Garant für
die Erhaltung und künstlerische Weiterentwicklung orchestraler
Jazzmusik. Obwohl traditionelle Big Bands heute im Konzertbereich
nicht die dominierende Rolle spielen – die meisten Rundfunkanstalten
haben, bis auf HR, SWR, NDR und WDR, ihre Big Bands abgeschafft
– gibt es eine reiche und lebendige Szene. Dazu Peter Herbolzheimer:
„Ich werde seit 20 Jahren gefragt: Big Bands, gibt es das
noch? Es gibt heute im Musikrat zwischen 4.000 und 5.000 registrierte
Big Bands im Amateur- und im schulischen Bereich. Das glaubt Ihnen
aber kein Mensch, denn verfolgt man die Medien, würde man meinen,
es gibt nur eine Popwelt. Dabei gibt es ein Leben außerhalb
dieser Gegebenheiten und das spiegelt zum Beispiel das Bundesjazzorchester
wider.“
Das „traditionelle“ Konzertprogramm des BuJazzO enthält
„Originals“ von berühmten Jazzmusikern wie Charlie
Parker, Clifford Brown, Dave Brubeck, Benny Goodman, Miles Davis,
Duke Ellington, Thad Jones, Michael Brecker und Thelonious Monk.
Die Arrangements dazu stammen zum Beispiel von Thad Jones, Rob Pronk
und von Peter Herbolzheimer selbst, der zahlreiche eigene Kompositionen
zum Repertoire beigesteuert hat. Der Anteil von Stücken aus
der Feder ehemaliger und derzeitiger Mitglieder des Bundesjazzorchesters
nimmt ständig zu und bringt neue Klangfarben zeitgenössischer
Jazz-Strömungen in das Programm.
Nach der Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ ist das BuJazzO
das jüngste Projekt des Deutschen Musikrates. Die Zusammenarbeit
ist naheliegenderweise eng: Musiker, die bei „Jugend jazzt“
auffallen, werden zum Vorspielen ins BuJazzO eingeladen und können
ein BuJazzO-Stipendium erhalten. Gehört man zu den Instrumentalisten
oder zur fünfköpfigen Vokalgruppe (Höchstalter 24,
Bewerbungshöchstalter 22), dann hat man das mehrstufige Auswahl-
und Wettbewerbsverfahren des BuJazzO erfolgreich durchlaufen: Bewerbung,
Einladung zum Auswahlvorspiel, Zulassung zur Arbeitsphase, Aufnahme
in die Konzertbesetzung. Und an jedem Punkt ist eine Absage möglich,
heute häufiger denn je, denn den Deutschen Musikrat erreichen
täglich Bewerbungen. Entsprechend erfolgreich sind die Absolventen
des BuJazzO, die überall im gesamten Musikleben zu finden sind:
in allen Rundfunk Big Bands, an vielen Musikschulen als Lehrkräfte,
an Musikhochschulen als Lehrbeauftragte oder gar schon als Professoren,
in den Musicals und Musiktheatern, auf Festivals, viele auch im
Ausland – Niederlande, Frankreich, Schweiz, USA et cetera,
in Projekten der zeitgenössischen Musik und nicht zuletzt in
klassischen Orchestern.
Das 15-jährige Bestehen des Bundesjazzorchesters ist Anlass
für einige Projekte, die es so noch nie gab. „Das Jahr
2003 geht los mit einem gemeinsamen Projekt von BJO, also dem Bundesjugendorchester
und dem BuJazzO“, sagt Peter Ortmann, Projektleiter des Bundesjazzorchesters.
„Diese Begegnung ist die erste dieser Art.“ Die Programmierung
dieses Kooperationskonzertes der zwei Jugendorchester ist außergewöhnlich.
Zunächst übernimmt das BuJazzO den üblichen Jazzteil,
den Abschluss macht das BJO mit der 2. Symphonie von Sergei Rachmaninow.
Dazwi- schen steht ein Werk von Duke Ellington für Big Band
und Orchester, „Night Creature“. Das Programm konzipierte
Gunther Schuller, der eine Arbeitsphase des BJOs leitet. Insgesamt
wird es sieben dieser Doppelkonzerte geben. Die Hallen, in denen
dieses „Crossover“-Programm gastiert, können sich
sehen lassen: Unter anderem sind dies die Oetker-Halle in Bielefeld
(hier schneidet der WDR mit), die Meistersingerhalle in Nürnberg
(hier schneidet der BR mit), das Konzerthaus am Gendarmenmarkt in
Berlin und der Herkulessaal in München. Sein 15. Jubiläum
will das BuJazzO im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des
Deutschen Musikrates im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt mit
eben diesem Programm feiern (22. Juni 02).
Neueste Unternehmung der Bundesjugend-Jazzer ist ein „Ehemaligen-Projekt“:
Das Solisten- und Komponistenprojekt „Contemporary Dialogues“,
gefördert durch die Stiftung Kunst & Kultur NRW und das
Kultursekretariat Gütersloh. Dazu luden Ortmann und Herbolzheimer
Komponisten und Solisten wie Steffen Schorn (Leiter der Jazzabteilung
an der Musikhochschule Nürnberg/Augsburg, Claudio Puntin, Torsten
Wollmann, Nils Wogram und andere ein, Stücke für die Big
Band zu schreiben und diese teilweise auch selbst mit dem Ensemble
aufzuführen. Mit diesen Arbeiten ist das BuJazzO vom 9. Mai
an auf Deutschland-Tournee.
Der deutsche Botschafter des Jazz, wie die Big Band gerne auf
ihren Auslandstourneen genannt wird, finanziert sich – ebenso
wie das Bundesjugendorchester – erfolgreich über Drittmittel:
Nur die Geschäftsstelle wird aus Geldern des Jugendministeriums
bezahlt. Als einen Erfolg des Jahres 2002 kann Projektleiter Peter
Ortmann verbuchen, dass der Sponsorenvertrag mit Yamaha unterschriftsreif
ist. Damit wird die Riege der Hauptsponsoren wie DaimlerChrysler,
GVL, WDR sowie das Jugendministerium um einen wichtigen Partner
verstärkt. Weitere Sponsoren sind die Stiftung Kunst &
Kultur, die Sparkasse Bonn und in diesem Jahr die GEMA, die insbesondere
die Herstellung eines etwa 45-minütigen TV Features über
das BuJazzO fördert, das im Mai nächsten Jahres vom WDR
ausgestrahlt wird.