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Extrablatt - Krise im Deutschen Musikrat
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nmz 2002 | Seite 14
51. Jahrgang Sonderausgabe
Bestandsaufnahme

Die Wegweiser werden gebraucht

Der Deutsche Musikrat und die zeitgenössische Musik

Erst vor kurzem äußerte der neue Generalsekretär des Deutschen Musikrats Thomas Rietschel bei einem Interview in Warschau, dass es im Wesentlichen die neue Musik sei, die einer besonderen Förderung durch Institutionen wie dem Deutschen Musikrat bedürfe. Nicht nur, so betonte er, weil das zeitgenössische Musikschaffen aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz besonderer Zuwendung bedürfe, sondern auch, weil hier utopische Konzepte am entschiedensten verwirklicht würden. Es sind Entwürfe, die das Nach-Vorne-Denken zum eigenen ästhetischen Prinzip erheben. Das Ausbrechen aus überkommenen Strukturen sei auch Aufgabe des Deutschen Musikrats und aus dieser Deckungsgleichheit resultiere ein gemeinsames Anliegen: „Nur eine Musik, die in die Zukunft denkt, also die neue Musik, die avantgardistische, kann auch wirksam an der Gestaltung des Neuen teilhaben.“

Der Deutsche Musikrat hat seine Verpflichtung für das zeitgenössische Musikschaffen, nicht zuletzt aus solch synergetischen Aspekten heraus, immer sehr ernst genommen. Ohne weiteres kann man sagen, dass die Landschaft des heutigen Musikdenkens in Deutschland ohne die unterstützenden Maßnahmen des Deutschen Musikrats ganz anders, enger und beschnittener, aussähe: Und es ist eine Landschaft, die viele Musiker und Komponisten des Auslands mit der Euphorie des Abstands, gewiss aber auch mit einigem Recht, als paradiesisch ansehen. Deutschland ist weltweit Musikland Nummer eins. Das ist ein Zustand, den man nicht vorschnell und leichtfertig zur Disposition stellen sollte.

Vor wenigen Tagen sagte mir die Komponistin Carola Bauckholt, dass es im Grunde „ihre“ CD in der vom Deutschen Musikrat betreuten Reihe „Edition Zeitgenössische Musik“ gewesen sei, die ihrem musikalischen Schaffen nationale wie internationale Aufmerksamkeit in einem erstaunlich verstärkten Umfang zuteil werden ließ. Diese inzwischen auf gut 50 CDs angewachsene, bei Wergo verlegte Reihe, die als individualisierte Fortsetzung der sich auf 30 Schallplatten erstreckenden Dokumentation des Musiklebens in Deutschland nach 1945 verstanden wurde (ebenfalls vom Musikrat herausgegeben und seinerzeit wegen der repräsentativen Übersicht und Dokumentation gerühmt), hat einen erstaunlich dichten Überblick über die Arbeiten junger deutscher Komponisten geliefert. Die CDs dienen international als maßgebliche Orientierungshilfe für junge Tendenzen und Entwicklungen in Deutschland. Nicht zuletzt die qualitativ hochstehenden Interpretationen machen diese ebenso kompetente wie immer wieder mit Überraschungen aufwartende Edition unverzichtbar.

Wegen eines vielleicht zu hoch gesteckten Anspruchs konnte eine zweite Reihe, die nach gattungsbezogenen Kriterien die Musik in Deutschland Ost und West seit 1950 nachzuzeichnen suchte und auf 150 CDs veranschlagt ist („Musik in Deutschland 1950 - 2000“), nicht ganz die Erwartungen erfüllen. Man wird wohl den großen Aufwand unter der Rubrik der Einigungs-Inkongruenzien verbuchen. Gleichwohl gibt diese Reihe immer wieder verblüffende Einblicke in parallele Denkansätze gewissermaßen von diesseits und jenseits des ästhetisch nicht immer dicht schließenden, ja manchmal kunterbunt löchrigen eisernen Vorhangs. Hiermit ist sie Weggefährte auf dem immer noch schwierigen Gang einer gesamtdeutschen Verständigung. Der Deutsche Musikrat jedenfalls hat hiervor die Augen nicht verschlossen und ging offensiv die Aufgaben an, die sich ihm in diesem Bereich stellten. Und selbstverständlich ist inzwischen eine stattliche Anzahl von CDs junger Komponisten aus der ehemaligen DDR in der „Edition Zeitgenössische Musik“ aufgelegt worden.

Die Dokumentation „Musik in Deutschland 1950–2000“ erscheint seit 2000 bei BMG/RCA Red Seal, im Bild die CD mit Musik für Orchester von 1945–1950.

Neue Musik, die nach dem „postmodernen“ Wegfall versteinerter ästhetischer Wertekriterien mehr denn je in der Luft schwebt, ganz verschiedene Gesichter und Äußerungsformen annimmt, bedarf gerade im föderalistischen Deutschland einer engen und zugleich multiperspektivischen Vernetzung. Es gibt im musikalischen Bereich keine andere Institution, die sich dieses Zusammendenken so entschieden ins Programm schreibt, wie der Deutsche Musikrat. Neue Musik muss wachsen können im nationalen und internationen Austausch, im Vergleich. Stets hat sich der Deutsche Musikrat diesen Prämissen verpflichtet gefühlt. Dies nicht nur in der Dokumentation, sondern auch insbeson- dere im lebendigen Musikbetrieb. Um dem Zustand Einhalt zu gebieten, dass, wie Wolfgang Rihm kürzlich in Donaueschingen auf einer Podiumsdiskussion süffisant anmerkte, die Geburtsstunde eines neuen Werks auch zugleich seine Begräbnisfeier ist, fördert er nachdrücklich Konzerte, die zeitgenössische Arbeiten wegen ihres musikalischen Gehalts, nicht wegen des Lorbeers eines Uraufführungs-Events ins Programm nehmen (unter der Rubrik: „Konzert des Deutschen Musikrats“).

Viele solcher Konzerte, die die Debatte über neue Musik, neue Hörweisen, neue perspektivische Ansätze vorantreiben, wurden und werden jährlich vom Deutschen Musikrat unterstützt (pro Jahr mehr als 500). Manche von ihnen hätten ohne diese Zuwendungen nicht, die meisten allenfalls unter beschränkten Bedingungen stattfinden können. Ein Baum aber, der keine frischen Äste mehr treibt, geht auch an seiner Wurzel zugrunde. Darum bedeutet solche Hinwendung Verantwortung und Verpflichtung. Der Deutsche Musikrat hat dies in Sachen zeitgenössischer Musik nachdrücklich bewiesen. Seine Funktion ist die der Schaltstelle. Und kaum etwas wäre trauriger für junge Komponisten, für mutig visionäre Veranstalter, als wenn ihnen dieses neurologische Zentrum der Beratung und finanziellen Unterstützung nicht mehr zur Verfügung stände.

Reinhard Schulz

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