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nmz 2002 | Seite 8
51. Jahrgang Sonderausgabe
Hintergrund

Ein Bilanz-Blick auf Ehrenamt und Eigenleistung

Eckart Rohlfs rechnet nach, welchen Wert ehrenamtliche Arbeit schöpft

Als in den 50er-Jahren die Bundesregierung ihre ersten Bundesjugendpläne auflegte, verkündete ihr Programm „Musische Bildung“ die Vision eines Jugendmusikpreises. Ein Dezennium später war „Jugend musiziert“ geboren. Zur Anregung für das eigene und gemeinsame Musizieren. Zur Auslese musikalischer Früherziehung. Zur Förderung des musikalischen Nachwuchses. Oft und gerne bis zur Stunde als „erfolgreichste Unternehmung der musikalischen Jugendbildung in der Bundesrepublik Deutschland“ apostrophiert, zitiert, argumentiert.

Was war es, das diese Erfolgsstory ausmachte, die anderen Ländern als Beispiel diente, die kopiert und variiert wurde? Die Erfolgsstory, die die Jugend musikalisch in Bewegung setzte, die die Nachfrage nach Musik in unserem Land so sehr in Schwung brachte?

War es das einzigartig funktionierende Kooperationsmodell „Jugend musiziert“: Bund, Länder, Kommunen und private Hände auf der einen Seite, die (im damals noch jungen Musikrat) vereinigten Gruppierungen der Musikerziehung und Laienmusikpflege auf der anderen Seite? Alle sie arrangierten sich einmütig um einer gemeinsamen (Haupt-)Sache willen: das Reservoire musikalischer Begabungen aufzuspüren, anzuspornen, hörbar zu machen. Anschub für den qualitativen und quantitativen Aufbruch in den Amateurverbänden, in Hunderten neuer Musikschulen mit zigtausend neuer Arbeitsplätze. Zunehmende Qualitätsvorstellungen in Ausbildung und musikalischer Berufspraxis setzten sich durch. Die Phalanx ehemaliger „Jugend musiziert“-Preisträger bestimmt heute die Qualität instrumentaler Klangkörper.

Oder war es das Lockermachen von Banknoten, die sich von Jahr zu Jahr mehren sollten, um der Nachfrage nach so viel Musik-Lust und -Not junger Menschen gerecht zu werden. Also insgesamt gesehen ein Glücksfall für die Musik, weil sich viele Haushälter und Kämmerer in Rathäusern und Ministerien bemühten, beim jährlich notwendigen Crescendo mit draufzulegen. Weil sich auch privatwirtschaftliche Partner, die anfangs noch nicht Sponsoren hießen, daran beteiligten. Aus drei- und vierstelligen Fördermitteln der Anfangsjahre, die so der Musikpflege allerorts zuwuchsen, steigerte sich der notwendige Aufwand im Verlauf von vier Jahrzehnten in siebenstellige Höhe. Über 2,5 Millionen Euro öffentliche wie private Mittel mögen es inzwischen sein, die heute alleine für die drei Wettbewerbsphasen von „Jugend musiziert“ eingesetzt und umgesetzt werden, das Bundesfinale ist mit etwa 300.000 Euro dabei. Dazuzurechnen ist mindestens noch einmal das Gleiche für die sich anschließenden Förderprojekte im Ensemblespiel, vom Bundesjugendorchester bis zur Landes-Jazz-Formation einschließlich kammermusikalischem Training.

Aber Geld und Management allein machen nicht „Jugend musiziert“ aus. Erinnern wir uns einer Parallele: Vor hundert Jahren brachte der Geist der Jugendbewegung jene Aufbruchsstimmung, welche die eigene Verantwortung der Lebensgestaltung und hohes gesellschaftspolitisches Engagement bewegte. Ganz ähnlich bündelte 50 Jahre später der Aufruf „Jugend musiziert“ musikpädagogische und gesellschaftspolitische Kräfte, initiierte und inszenierte jenen persönlichen Einsatz, ohne den „Jugend musiziert“ nicht zu Leben und Ansehen gekommen wäre mit jener Langzeitwirkung, die sich niemand erträumt, aber doch erhofft hat. Ein Einsatz vieler hunderter, ja tausender Musikerzieher und Experten in Ausschüssen und Jurygremien, Idealisten, die nicht primär nach Vergütung und Stundenerlass fragen, – davon lebt bis heute jeder neue Jahrgang „Jugend musiziert“. Niemand kommt auf den Gedanken, diesen Mehrwert einmal umzurechnen. In keiner Bilanz taucht er auf. Allenfalls gelegentlich gewürdigt mit Bürgermedaille, Verdienstkreuz oder Ehrenmitgliedschaft, manchmal auch nicht einmal mit Händedruck für Leute, denen jahrelang „Jugend musiziert“ ihr liebstes Kind war.

Das ist die Praxis des viel gepriesenen Ehrenamtes: Wer zählt all die Stunden, Tage, geopferte Freizeit, verzichtete Feiertage, nicht genommenen Urlaub. Oder die schlaflosen Nächte und Albträume und manch stressiges Wochenende, um alle Jahre wieder rechtzeitig Anträge oder Verwendungsnachweise auf den Weg zu bringen oder „Jumu“-Anmeldungen zu prüfen. Wer zählt all die privat geklebten Marken und Werbeposter oder die unendlichen Telefoneinheiten zu Tag und Nacht, um Kollegen und Eltern zu beraten, enttäuschte Mütter zu beruhigen, störrische Hausmeister zu bewegen. Oder zinsfrei private Gelder vorzustrecken und gegen Hierarchien der Verwaltung anzukämpfen? Tolerierte Schattenseiten vieler Glücksstunden, die „Jugend musiziert“ klangvoll beschert?

Ja und Nein! Trotzdem und gerade deshalb haben wir versucht, die unverzichtbare Eigenleistung eines „Jugend musiziert“-Jahres nachzurechnen. Summiert man all diese ehrenamtlichen Einsätze, jene unbezahlten Mehr- und Überstunden aus organisatorischer und fachlicher Mitarbeit in nahezu 180 „Jugend musiziert“-verantwortlichen Plätzen, so summieren sich gut und gerne über 25.000 Arbeitsstunden und bei Wertungsspielen und Beratungen mehr als 100.000 kaum honorierte Jury-Stunden. Selbst wenn man nicht viel mehr als einen Putzfrauen-Lohn zu Grunde legt, ergeben sich hieraus als erbrachte Eigenleistung rund 1,5 Millionen Euro per anno. Dieser unbezahlte, unbezahlbare Mehrwert macht im Gesamtbudget aller Kosten schließlich mehr als ein Drittel aus. Diese Rechnung mag für andere Musikrats- und Verbandsprojekte in ähnlicher Weise gelten. Aber was schert dies die Geister in den Amtsstuben.

Nota bene: Die Truppe der Musikerzieher und Verbandsfunktionäre, die in den damals elf Bundesländern sich um „Jugend musiziert“ um mancher Anschlussförderung willen zusammentat, – sie war zugleich jener Kern, aus dem zunächst Landesarbeitsgemeinschaften, schließlich die Landesmusikräte geboren wurden, jene Aktivzellen, die zusammen mit dem Musikrat sich als kompetente Partner für das organisierte Musikleben in unserem Lande erwiesen haben. „Jugend musiziert“ war somit entscheidender Geburtshelfer für das wichtigste Dachgremium unseres Musiklebens, geboren aus der Erkenntnis, dass (nur) gemeinsames Handeln und ständige und verständigende Zusammenarbeit Entscheidendes zu bewegen vermag. Ehrenamt und seine Eigenleistung, allerdings weder steuerentlastend noch versicherungsrechtlich zu Buche schlagend, verbunden dazu mit der hohen Fachkompetenz, sind das Kapital der im Deutschen Musikrat verbundenen Musikgesellschaft, die hochkarätige Spende, die der Gesamtheit zu Gute kommt. Daran sei eindringlich erinnert.

Heute für Morgen.

 

 

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