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Extrablatt - Krise im Deutschen Musikrat
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nmz 2002 | Seite 4
51. Jahrgang Sonderausgabe
Hintergrund

Lasst den Deutschen Musikrat nicht sterben

Von Jens Michow, Präsident des idkv – Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft

Wer hätte das für möglich gehalten? Der Deutsche Musikrat, der Dachverband für das deutsche Musikleben, steht kurz vor seinem 50-jährigen Jubiläum vor dem Bankrott.

Nun gehören ja Insolvenzmeldungen in unserem Lande seit Längerem zu den alltäglichen Nachrichten. Die drohende Insolvenz eines derart auch international angesehenen Verbandes wie des Deutschen Musikrats hat allerdings selbst ansonsten gut orientierte Branchenkenner außerordentlich überrascht. Natürlich gibt es nicht nur Gewerbeunternehmen, sondern auch immer wieder Verbände, die ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten überschätzt oder falsch gewirtschaftet haben und daher „die Fühler strecken“ müssen. Dass ein mögliches „Aus“ aufgrund von Zahlungsunfähigkeit jedoch den Deutschen Musikrat treffen könnte, hätten selbst unmittelbar vor der Generalversammlung vom 25./26. Oktober nicht einmal Insider für möglich gehalten.

Auf der Musikmesse 2002 in der neuen Halle 3.1 wurden auf der Bühne „Music Library” diverse Podiumsdiskussionen zu unterschiedlichen – auch musikwirtschaftlichen – Themen bestritten. Unten diskutieren Fachleute die Frage „Wie viele Neuerscheinungen braucht der Markt?”. Die inhaltliche Gestaltung der Musikmesse soll im Jahr 2003 erheblich ausgeweitet werden, diesmal unter tatkräftiger Mitwirkung des Deutschen Musikrates. Wie Jens Michow in seinem Artikel fordert, ist daran gedacht, einzelne Musikverbände sich unter dem großen Dach des Musikrates präsentieren zu lassen. Zudem ist der Musikrat, gemeinsam mit GEMA und Musikverlegerverband, auch an der Gestaltung der Panels in Halle 3.1 federführend beteiligt. Ein großer Schritt hin zur ureigensten Aufgabe des DMR: die Vereinigung der Interessen seiner unterschiedlichen Mitglieder und eine stärkere Einbindung der Musikwirtschaft in die inhaltliche Arbeit. bh. Foto: Charlotte Oswald

Natürlich stellt sich in derartiger Situation auch hinsichtlich des Musikrates die gleiche Frage, die Wohlmeinende und Hilfsbereite in derartigen Situationen regelmäßig zu stellen pflegen: Macht es Sinn, dem Delinquenten noch zu helfen oder würde man mit der Zurverfügungstellung von frischem Geld schlechtem Geld gutes hinterher werfen?

Daran schließt sich automatisch die Frage an: Wie dringend braucht die deutsche Musiklandschaft den Deutschen Musikrat? Der Verfasser kann das nur aus eingeengtem Blickwinkel, nämlich als Verbandsvertreter der Veranstaltungswirtschaft im Allgemeinen und als Vorsitzender des Bundesfachausschusses Musikwirtschaft im Deutschen Musikrat im Besonderen beurteilen. Daher müssen an dieser Stelle die musikalischen Förderprogramme, Orchester- und Musikerwettbewerbe, die diversen Bundesorchester, sowie die vom Musikrat veröffentlichten Tonträgerreihen außer Betracht bleiben. Sie stehen für die Musikwirtschaft nicht im Vordergrund einer Bedarfsbetrachtung des Deutschen Musikrates.

Da sind wir übrigens bereits bei einem gravierenden, wenn nicht sogar dem Kardinalproblem des Deutschen Musikrates: Den wesentlichsten Teil seiner nicht unerheblichen Zuwendungen erhält er für eine sicher außerordentlich wichtige Arbeit, die allerdings für eine Reihe der im Musikrat organisierten Verbände, vor allem die Wirtschaftsverbände – wenn überhaupt – von geringem Interesse sind.

Verband für die Verbände

Neben den vorgenannten Förderprogrammen und sonstigen Aktivitäten ist der Deutsche Musikrat aber vor allem ein Verband „für“ die Verbände, eine konzertierte Aktion aller Verbände des deutschen Musiklebens. Hierbei werden Aufgaben wahrgenommen, die im Interesse der Gesellschaft und des Staates in seiner Gesamtheit liegen. Dabei geht es nicht darum, vordergründigen Lobbyismus zu betreiben, sondern wichtige, auf einem Konsens beruhende Aufgaben im Namen aller Mitglieder wahrzunehmen.

Und hierin liegt die besondere Herausforderung bei der Aufgabe des Deutschen Musikrates: Als Verband vertritt er sowohl die Interessen der ausübenden Musiker als auch die der Wirtschaftsverbände im Musikbereich. Mitglieder sind also sowohl die Organisationen der Laienmusiker, Musikpädagogen und Musikberufe als auch zum Beispiel die Berufsverbände der Tonträgerhersteller, Musikverleger und Veranstalter. Seine Aufgabe ist es, alle Interessen „unter einen Hut zu bringen“. Das erfordert von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Konsensbereitschaft und Verständnis für die jeweiligen beruflichen Interessen des Anderen. Zigtausende von Musikschaffenden in unserem Lande wissen sicher nicht einmal von der Existenz dieser Organisation. Wer sich jedoch – wie auch der Verfasser erst nach langjähriger Skepsis – einmal die Mühe gemacht hat, etwas tiefer in die Arbeit und vor allem die Kapazitäten des Musikrats einzusteigen, konnte feststellen, dass diese Organisation dem deutschen Musikleben etwas bieten kann, was ohne ihre Existenz erst noch geschaffen werden müsste: Die Repräsentanz tatsächlich aller Verbände des deutschen Musiklebens nicht nur innerhalb unseres Landes, sondern auch auf internationaler Ebene sowie ein einzigartiges Netzwerk innerhalb des gesamten Kulturbetriebs.

Wer mit dem Präsidium oder dem Generalsekretär des Deutschen Musikrates verhandelt oder Statements des Musikrates erhält, sieht sich nie mit einseitiger Interessenwahrnehmung konfrontiert, sondern kann darauf vertrauen, ein ausgewogenes Stimmungsbild des ganzen Spektrums deutschen Musiklebens zu erhalten. Stellungnahmen und Standpunkte des Deutschen Musikrates sind immer das Ergebnis eines auf breiter Ebene abgestimmten Entscheidungsprozesses und somit Ergebnis eines Verbandskonsenses. Genau das ist der Grund, weshalb weder die Mitgliedsverbände noch das deutsche Kulturleben auf den Deutschen Musikrat verzichten können. Genau das ist aber auch der Grund, weshalb Politiker und Behörden alles in ihrer Macht Stehende unternehmen sollten, um den Deutschen Musikrat zu retten und am Leben zu erhalten.

Man stelle sich einmal vor, dass alle im Deutschen Musikrat vereinten Verbände zukünftig ihre Interessen wieder alleine vertreten würden und jeweils einzeln Statements zu kulturpolitischen Fragen abgäben.

Abgesehen davon, dass viele kreative Impulse, die der Musikrat in seinen Stellungnahmen bündeln kann, zukünftig schlicht „hinten runter“ fielen, würden Politiker und politische Gremien sich zukünftig mit einer nicht zu bewältigenden Menge einzelner Gesprächswünsche und unausgewogener Partikularinteressen konfrontiert sehen. Das deutsche Musikleben wäre um sein gemeinsames Sprachorgan ärmer!

Sinn, ihn zu retten, den Deutschen Musikrat, machte es also schon. Da aber allen Beteiligten klar ist, dass dafür nicht nur der Verzicht auf Forderungen – zudem auch der Verzicht auf die Rückzahlung öffentlicher Mittel – sondern zusätzlich auch „frisches Geld“ erforderlich sein wird, wird also die Frage zu beantworten sein, ob nicht eine Verbandsneugründung und damit ein Quasi-Untergang bestehender Forderungen gegenüber dem Musikrat der bessere Weg wäre.

Gefährdung durch Abwicklung

Eine Abwicklung des Deutschen Musikrates als letzte Konsequenz eines Insolvenzverfahrens würde letztend- lich zur Zerschlagung des gesamten bestehenden internationalen Netzwerkes dieses Verbandes führen. Zu glauben, dass ein Neuanfang durch Gründung eines entsprechenden neuen Verbandes dort ansetzen würde, wo der alte Verband zu existieren aufhörte, wäre ein gigantischer Trugschluss. Zuviel Glaubwürdigkeit wäre verloren, ein goodwill einer derartig neuen Organisation müsste zunächst langwierig neu etabliert werden. Der Deutsche Musikrat ist eben kein Gewerbeunternehmen, welches infolge einer Insolvenz die alten Türen schließt, neue öffnet und nach außen so tun kann, als wäre nichts geschehen.

Der Deutsche Musikrat ist pleite. Es ist hier nicht der Ort, dafür Schuldige ausfindig zu machen oder nach Ursachen zu suchen. Die entscheidende Frage muss doch sein, ob die vom Deutschen Musikrat bisher wahrgenommenen Aufgaben derart wichtig und unverzichtbar sind, dass alles getan werden muss, um den Musikrat mit seiner bisherigen Struktur und dem bestehenden Netzwerk zu erhalten.

Diese Frage dürfte vorstehend beantwortet sein. Jetzt kann es nur noch darum gehen, die Zuwendungsgeber von der entsprechenden Notwendigkeit zu überzeugen, ihnen zu veranschaulichen, dass im Hinblick auf die letztlich vergleichsweise doch relativ geringen wirtschaftlichen Defizite der durch eine Zerschlagung des Musikrates eintretende Verlust für das gesamte deutsche Musikleben weitaus größer wäre.

Bei allem Wohlwollen, welches sich der Deutsche Musikrat in seiner nahezu fünfzigjährigen Existenz erarbeitet hat, darf allerdings eines nicht verschwiegen werden: Die Erhaltung des Verbandes als solchem ist eine Sache. Die Schaffung gänzlich neuer innerer Strukturen des Verbandes ist eine andere.

Hier wird, sofern es denn überhaupt weitergeht, dringend – und zwar noch vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode des Verbandes – eine drastische Neustrukturierung erforderlich sein, und zwar inhaltlich, personell und strukturell. Es bleibt zu hoffen, dass die derzeitigen Akteure das wissen und dieses dringliche Problem nicht aussitzen werden!

 

 

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