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Extrablatt - Krise im Deutschen Musikrat
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nmz 2002 | Seite 3
51. Jahrgang Sonderausgabe
Hintergrund

Überschuldet, aber überreich an Kompetenz und Ideen

Thomas Rietschel, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, zur finanziellen Lage der Institution

Die rechtliche Situation des Deutschen Musikrates ist eindeutig: Der Deutsche Musikrat ist überschuldet und ihm droht die Zahlungsunfähigkeit. Das bedeutet, dass das Präsidium verpflichtet ist, bis spätestens 9. November 2002 die Insolvenz zu beantragen. Auch dann ist eine Rettung des Deutschen Musikrates immer noch möglich. Zwischen der Beantragung und der endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens können bis zu drei Monate liegen, und dies gibt uns zusätzlich Zeit, die Rettung des Deutschen Musikrates umzusetzen.

In der Welt-Finanzzentrale New York, genauer in Brooklyn, wird das Spannungsfeld zwischen Kultur und Cash künstlerisch offen ausgebreitet: Wer nur noch Geld im Kopfe hat, den frisst eben irgendwann das freundliche Underground-Krokodil. Soviel Offenheit würde in unserer bundesdeutschen Öffentlichkeit schlicht am Amt für öffentliche Ordnung scheitern: Zu gefährlich - da könnte ja jemand drüber stolpern... Foto: Martin Hufner

Der Bericht des Wirtschaftsprüfers ist eindeutig: Das Fehlkapital des Deutschen Musikrates in der Überschuldungsbilanz beträgt 495.000 Euro und besteht zur Hälfte aus Rückforderungen der Zuwendungsgeber und zur anderen Hälfte aus dem realen momentanen Haushaltsloch im Etat des Deutschen Musikrates. Um die Liquidität des Deutschen Musikrates bis zum Jahresende zu sichern, benötigt er einen Betrag in Höhe von 350.000 Euro.

Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Im Detail werde ich die Gründe hierfür nicht aufführen können, die wichtigsten Ursachen für das Defizit und die momentane Überschuldungssituation des Musikrates liegen jedoch klar auf der Hand und sollen hier kurz benannt werden:

  1. Zuwendungsrecht, Reisekostengesetz und Besserstellungsverbot sind in den vergangenen Jahren in teilweise gravierender Weise vom Deutschen Musikrat nicht beachtet worden.
  2. Es gab klare Managementfehler in der Geschäftsführung des Musikrates.
  3. Da über Jahrzehnte die Prüfungen durch die Zuwendungsgeber keine wesentlichen Beanstandungen ergaben, wiegte man sich beim Musikrat in der, wie sich jetzt herausstellt, falschen Sicherheit, dass mit der Haushaltsführung alles in Ordnung sei. Als die Fehler aufgedeckt wurden, gab es sehr schnell hohe Rückzahlungsforderungen der Zuwendungsgeber, die den Etat belasteten. Die Defizite durch diese Rückzahlungen konnten nicht ausgeglichen werden, da der Deutsche Musikrat als zu 100 Prozent fehlbedarfsfinanzierte Organisation keine eigenen Mittel erwirtschaften darf oder zur Verfügung hat, die zum Ausgleich eines solchen Defizits hätten dienen können.
  4. In einzelnen Projekten haben mangelndes Controlling oder schlechtes Management dazu geführt, dass diese am Jahresende mit einem Minusbetrag abgeschlossen wurden und dadurch das Defizit des Deutschen Musikrates vergrößerten.
  5. Es ist mir wichtig festzuhalten: Mir ist kein Fall bekannt geworden, in dem ein Mitarbeiter des Deutschen Musikrates sich persönlich bereichert hätte. Die nicht den Richtlinien entsprechenden Gelder sind, soweit mir bekannt, ausschließlich in die Projekte geflossen. Es gibt einen Fall, in dem das Bundesreisekostengesetz zu Gunsten eines Mitarbeiters ausgelegt worden ist. Dies ist inzwischen intern geklärt und wird zu entsprechenden Konsequenzen führen.

Mein kommissarischer Vorgänger Roland Scholl und ich haben im Auftrag des Präsidiums die entsprechenden Schritte eingeleitet, um eine ordentliche Haushaltsführung beim Deutschen Musikrat sicherzustellen. Wir werden auch in Zukunft ein starkes Augenmerk darauf haben, dass die Zuwendungsrichtlinien beim Deutschen Musikrat peinlich genau beachtet werden und durch ein straffes Controlling sicherstellen, dass kein Projekt mehr aus dem Ruder gerät.
Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich feststellen, dass die für uns zuständigen Vertreterinnen und Vertreter der Zuwendungsgeber die Arbeit des Deutschen Musikrats mit Wohlwollen begleiten. Aber natürlich sind auch diese Mitarbeiter an die bestehenden Gesetze und Richtlinien der Bundeshaushaltsordnung gebunden. Ebenso will ich noch einmal unmissverständlich klarmachen: Wer öffentliche Gelder annimmt, der muss einen Zuwendungsvertrag unterschreiben und verpflichtet sich damit zur Einhaltung dieses Vertrages. Ich will also keinesfalls behaupten, die Zuwendungsrichtlinien seien Schuld an der Misere des Musikrates, er hat sie ja mit seiner Unterschrift unter den Zuwendungsvertrag akzeptiert. Trotzdem gibt mir die Krise des Musikrates Anlass zu ein paar Bemerkungen über unser Zuwendungsrecht. Ich beschränke mich dabei auf zwei Beispiele, die Liste ist jedoch beliebig verlängerbar.

Da gibt es die so genannte Rückzahlungsfalle. Institutionen wie der Deutsche Musikrat sind zu 100 Prozent fehlbedarfsfinanziert. Um das für den Laien verständlich zu machen: Wir sagen dem Ministerium jährlich, wie viel unsere Vorhaben kosten und wie viel wir bereits dafür zur Verfügung haben. Das Ministerium gibt dann den Rest, den sogenannten Fehlbetrag. Dies bedeutet aber, dass zusätzliche Einnahmen oder Einsparungen diesen Staatszuschuss verkleinern. Wir haben also gar keine Möglichkeit, eventuelle Rückforderungen zu begleichen, da wir keine eigenen Mittel haben. Wenn wir also Rückforderungen der Zuwendungsgeber bezahlen, dann bauen wir ein Defizit auf, das wir nicht ausgleichen können. Eine Lösung für dieses Problem hat mir bisher im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften noch niemand nennen können. Dies ist für das Verständnis der Situation des Musikrates wichtig, denn die bereits bezahlten Rückforderungen der Zuwendungsgeber machen einen erheblichen Teil des Defizits aus.

Ein zweites Beispiel ist das so genannte Besserstellungsverbot und damit eng verknüpft der BAT (Bundesangestellten-Tarifvertrag). Dieses Besserstellungsverbot besagt, dass kein Zuwendungsempfänger der öffentlichen Hand seine Mitarbeiter besser stellen darf als vergleichbare Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Der BAT, der die Höhe der Bezahlung der Mitarbeiter regelt, funktioniert dabei nach dem einfachen Prinzip, dass für jeden Mitarbeiter die Aufgaben genau beschrieben werden und anhand dieser Arbeitsplatzbeschreibung wird er dann eingruppiert. Das bedeutet, dass ein unmotivierter Mitarbeiter, der seine Tätigkeit gerade am Rande des „Dienstes nach Vorschrift“ erledigt, mehr Geld bekommen kann als ein engagierter, motivierter Mitarbeiter, der sich Gedanken macht, neue Konzepte entwickelt, sich mit Freude für seinen Aufgabenbereich engagiert. Zuwendungsempfängern der öffentlichen Hand ist damit jedes Mittel genommen, ihre Mitarbeiter durch Bezahlung zu motivieren und bessere Leistungen zu honorieren. Wenn man sich anschaut, wie viel Energie in der privaten Wirtschaft in die Motivation von Mitarbeitern gesteckt wird und sieht, wie uns die einfachsten Mittel zur Motivation der Mitarbeiter verweigert werden, dann wird deutlich, wo hier die Probleme liegen.
Alle diese Ausführungen beziehen sich auf eine gänzlich veränderte Situation im dritten Sektor, auf die wir uns in Zukunft werden einstellen müssen. An vielen Orten tauchen mittlerweile private Wirtschaftsunternehmen auf, die Leistungen, die bisher durch öffentlich geförderte Institutionen wahrgenommen wurden, nun vorgeblich billiger und ohne öffentliche Zuschüsse verwirklichen können. Da treten private Musikschulen zu den öffentlich geförderten Musikschulen des VdM in Konkurrenz, da wird im Jahr 2004 in Bremen eine große Chorolympiade als ein internationaler Wettbewerb für Laienchöre stattfinden, hinter dem eine GmbH steht, die sicherlich nicht für Gottes Lohn arbeitet. Und da gibt es die Klage privater Konzertveranstalter gegen die Stiftung Berliner Philharmoniker mit der Begründung, diese arbeite mit ihren subventionierten öffentlichen Konzerten wettbewerbsverzerrend. Ich bin der Auffassung, dass wir diese Entwicklung ernst nehmen müssen. Wir erhalten öffentliche Förderung, weil wir Qualitätsansprüche haben, und weil es im öffentlichen Interesse ist, dass diese Qualitätsansprüche in unserer kulturellen Arbeit gewahrt bleiben. Die zunehmende Konkurrenz aus dem privaten Bereich ist für uns jedoch gefährlich, weil sie dazu führen kann, dass leichtfertig argumentiert wird: „Die machen das doch viel billiger als Ihr, warum macht Ihr das nicht auch?“ Wenn man sieht, mit welchen Fesseln wir bei unserer Arbeit leben müssen, dann wird auch klar, warum wir mit diesen Institutionen nicht konkurrieren können.

Dabei wäre es für beide Seiten wesentlich billiger und erfolgreicher, man würde uns Zuwendungsnehmer aus diesen engen Fesseln des Zuwendungsrechtes entlassen. Mein Angebot an die öffentliche Hand: Geben Sie uns in Zukunft 10 Prozent weniger Zuschüsse, geben Sie uns den verbleibenden Betrag als festen Zuschuss. Sie sparen die 10 Prozent und Sie sparen eine Menge Verwaltung ein, da Sie sich eine Vielzahl von Prüfinstanzen ersparen können. Wir bekommen Freiheit, flexibler mit unserem Geld umzugehen und wirklich „wirtschaftlich“ zu arbeiten. Und wenn unsere Arbeit gut läuft, dann können wir möglicherweise sogar noch Gewinne erzielen, die dann natürlich nicht in unsere Taschen fließen, sondern die wir wieder in unsere kulturelle Arbeit investieren werden (denn dies wird ja bei gemeinnützigen Institutionen durch das Finanzamt kontrolliert). Sie können sicher sein, dass wir unsere Angestellten nicht plötzlich fürstlich bezahlen werden, denn dann ist es ja „unser“ Geld, und wir werden schon aus eigenem Interesse äußerst sparsam damit umgehen. Aber wir können die Mitarbeiter, die viel leisten und sich engagieren, entsprechend honorieren und wir werden wesentlich bessere Ergebnisse bringen können, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Und natürlich dürfen Sie trotzdem zum Prüfen kommen, auch dies ist ein großer Vorteil für Sie. Wenn wir dann wider Erwarten (!) Gelder nicht richtig verwendet haben, dann werden Sie nicht wie heute mit uns darüber verhandeln müssen, dass wir die geforderten Mittel nicht zurückzahlen können, sondern dann werden Sie diese auch bekommen.

 

 

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