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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 4
52. Jahrgang | Februar
Cluster
Kohle für Koon
Wer etwas über falsches Kulturverständnis der politischen
Klasse erfahren will, muss nach Hamburg blicken. Ein bizarres Lehrbeispiel
liefert dort der CDU/Schill-Senat, dessen Kultursenatorin Dana Horaková
in Zeiten der knappen Kassen das Füllhorn über den „Kitschkünstler”
Jeff Koons ausschüttet. Grund: Der verödete Mittelstreifen
auf der Reeperbahn im von der Politik seit Jahren vernachlässigten
Problem- und Traditionsviertel St. Pauli. Dieser Spielbudenplatz
soll jetzt vom US-Künstler Koons für satte 4,3 Millionen
Euro bis 2004 umgestaltet werden. Koons schlug alle Mitbewerber
mit der bahnbrechenden Ankündigung aus dem Feld, er wolle dort
„ein Wahrzeichen” bauen. Ein Konzept hat er nicht, braucht
er nicht, wollte keiner. Der Senat ist inzwischen von allen guten
Geistern verlassen, der Hinweis der Wirtschaftsbehörde an Kulturschaffende
der Hansestadt, man habe „leider keinen Haushaltstitel für
Konzepte” und könne daher keine künstlerischen Ideen
finanzieren, bekommt jetzt neuen Hintersinn. Man darf nicht aus
der Stadt sein, mindestens ein Hauch von Hollywood muss her, dann
regnet es Millionen. Für nichts! Man kennt es – am Kabinettstisch
ist Kultur kein Thema, jeder darf mal ran an die Schießbude,
wozu braucht Kultur denn auch Inhalte, Traditionen, Authentizität,
Glaubwürdigkeit, echtes Lebensgefühl. Wo nur Kohle zählt,
Renommé poliert wird, da ist Kultur eben lediglich die Tapete
beim nächsten Event.