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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 15
52. Jahrgang | Februar
Deutscher Kulturrat
Freier Handel auch im Bildungsbereich?
Bildung – eine besondere Dienstleistung · Von Gabriele
Schulz
Ob und wenn ja, in welchem Umfang der Bildungsbereich im Rahmen
der GATS-Verhandlungen liberalisiert werden sollte, darum ging es
in der Debatte des Deutschen Bundestags am 16. Januar diesen Jahres.
Grundlage war der Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen „GATS-Verhandlungen – Bildung als
öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern”.
Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen erklären
in ihrem Antrag, dass Bildung und Kultur besondere Dienstleistungen
sind und nicht mit Bankdienstleistungen oder dem Transportwesen
über einen Kamm geschoren werden. Sie wollen mit ihrem Antrag
der Bundesregierung einen klaren Verhandlungsauftrag für die
Haltung Deutschlands bei der Formulierung einer gemeinsamen Position
der Europäischen Gemeinschaft geben. Die Stellvertretende Vorsitzende
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
des Deutschen Bundstags, Ulla Burchardt, MdB, machte in der Debatte
unmissverständlich deutlich, dass sie Liberalisierungsforderungen
gegenüber Drittstaaten in den Bereichen der audiovisuellen
und kulturellen Dienstleistungen für verzichtbar hält.
Mit Blick auf den Bildungsbereich fordert Burchardt, dass der bestehende
Regulierungsvorbehalt und damit die öffentliche Aufsicht über
das Bildungswesen beibehalten werden muss. Hier bezieht sie auch
die Qualitätssicherung ein. Darüber hinaus vertritt Burchardt
die Auffassung, dass die staatliche Förderung des Bildungswesens
nicht automatisch auf ausländische Bildungsanbieter übertragen
werden darf.
Thomas Rachel, CDU/CSU, pflichtet in seiner Rede zwar der Forderung
nach der zu erhaltenden öffentlichen Aufsicht über das
Bildungswesen bei und lehnt Subventionsansprüche ausländischer
Anbieter für Bildungsdienstleistungen in Deutschland ab, begrüßt
jedoch ansonsten die Liberalisierung im Bildungsbereich. Er vertritt
die Meinung, dass der Wettbewerb das Geschäft beleben wird
und die Qualität im Bildungswesen damit steigen wird. Rachel
nimmt dabei eine Haltung nach dem Motto ein „wasch mir den
Pelz, aber mach mich nicht nass”. Auf der einen Seite wird
die Liberalisierung begrüßt und werden positive Impulse
für das Bildungswesen erwartet, auf der anderen soll die Struktur
des öffentlichen Bildungswesens und die Kompetenz der Länder
für Bildungsfragen nicht zur Diskussion gestellt werden. Pointierter
ist dagegen die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags, Ulrike
Flach, FDP. Ihrer Meinung nach muss, was für deutsche Anbieter
gilt, für ausländische eben- falls gelten. Im Klartext:
Wenn deutsche Bildungsanbieter Subventionen erhalten, stehen diese
ausländischen Anbietern auf dem deutschen Markt ebenfalls zu.
Flach plädiert für eine stärkere Marktöffnung
und zwar für alle Bereiche des Bildungswesens. Im internationalen
Wettbewerb auch im Bildungsbereich stecken laut Flach mehr Chancen
als Gefahren.
Grietje Bettin, Bündnis 90/Die Grünen, spricht sich
grundsätzlich für die Öffnung des Bildungssektors
für private Anbieter aus. Sie erwartet hieraus zusätzliche
Innovationen im deutschen Bildungswesen und positive Effekte einer
Internationalisierung der Bildung. Im fast gleichen Atemzug warnt
Bettin aber davor, dass ein globaler Bildungsmarkt entsteht, bei
dem letztlich nur noch die Maxime des größtmöglichen
ökonomischen Gewinns gilt. Wie Rachel und Burchardt weist sie
dem Staat die Rolle zu, über die Chancengleichheit zu wachen
und die Qualität im Bildungswesen sicherzustellen. Als erste
Rednerin benennt Marion Seib, CDU/CSU, ganz klar und unmissverständlich,
dass sich für Bildungs- und Kultureinrichtungen zahlreiche
Gefahren aus den GATS-Verhandlungen ergeben. Sie fürchtet um
die kulturelle Vielfalt. Insbesondere der mögliche Wegfall
der staatlichen Aufsicht über das Bildungssystem oder aber
die Subventionierung ausländischer Bildungsanbieter werden
von Seib als Gefahr für die Besonderheiten des föderalen
Bildungswesens in Deutschland angeführt.
Hinsichtlich der audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen
empfiehlt Seib den Blick über die Grenze nach Frankreich, da
dort eine Diskussion geführt wird, wie den Besonderheiten dieses
Sektors bei den GATS-Verhandlungen Rechnung getragen werden kann.
Alle Redner mahnten an, dass die deutschen Verhandlungspositionen
stärker im Parlament debattiert werden müssen und dass
insgesamt die GATS-Verhandlungen, ihr Stand und das weitere Vorgehen,
transparenter gemacht werden. Eine Forderung, die auch für
die Zivilgesellschaft gilt.