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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 53
52. Jahrgang | Februar
Dossier:
Musikmesse Frankfurt
Nicht Rohöl, sondern Gehirnschmalz
Über den Wert von Kreativität in Deutschland
Es gibt trockene Themen und spannende. Der Wert von Kreativität
gehört nicht zu denen, die die Menschen vom Hocker reißen.
Das macht auch nichts, das Thema ist für Effekthascherei nicht
geeignet und findet auch deswegen keinen Eingang in die Talkshows,
die das Fernsehprogramm voll machen.
Trotzdem lohnt es sich, einen Augenblick darüber nachzudenken,
welchen Wert, und auch welchen Stellenwert, Kreativität in
Deutschland hat. Schließlich werden doch „kreative Köpfe”
gesucht, wie uns Personalberater immer wieder versichern, in Zeiten
eines schwachen Arbeitsmarktes eher noch mehr als früher. Haben
wir da was verpasst?
Kreativ sein kann in Deutschland jeder, nur das Gebiet, in dem
die jeweilige Kreativität sich ausdrückt, und das Maß
dieser Kreativität sind unterschiedlich. Mit technischer Kreativität
verbinden wir schnell das Beantragen von Patenten. Damit ist das
kreative Ergebnis geschützt und kann ausgewertet werden. Aber
wer schützt eigentlich das Ergebnis künstlerischer Kreativität?
Die Antwort fällt leicht: das Urheberrecht. Ebenso wie Patente
für Erfinder schützten Urheberrechte geistige Schöpfungen,
also Werke. Ganz selbstverständlich haben Komponisten und Schriftsteller,
Maler und Bildhauer, aber auch Architekten und Filmregisseure, Rechte
an ihren Werken und Verwerter, die in die Veröffentlichung
dieser Werke viel Geld investieren, auch: zum Beispiel Musikfirmen
und Filmproduzenten. Und auf der Basis des durch Urheberrecht geschützten
Werkes kann man damit auch Geld verdienen. Ein Film darf im Fernsehen
nur ausgestrahlt werden, wenn die Sender vorher die Rechte eingeholt
(und also dafür in aller Regel auch bezahlt) haben. Das Sendeprivileg
gestattet Rundfunkanstalten die Sendung von Musik ohne vorherige
Einholung der Rechte, aber gegen anschließende Vergütung.
Und ein Verlag, der das Buch eines Autors ohne dessen Genehmigung
druckt, bekommt ganz schnell eine einstweilige Verfügung.
Warum ist der Schutz kreativer Leistungen eigentlich so wichtig?
Haben die Gegner nicht Recht, wenn sie behaupten, alle Schöpfungen
sollten frei sein, zum Beispiel auch im Internet? – Nein,
sie haben nicht Recht. Der Zugang zu Kunstwerken ist unverbaut:
Es steht jedem frei, sich das gewünschte Buch oder die Musik
zu kaufen oder sie beispielsweise in öffentlichen Bibliotheken
zu leihen. Es gibt aber keinen Anspruch darauf, überall und
zu jeder Zeit ein bestimmtes Buch lesen oder ein bestimmtes Musikstück
hören zu können, ohne dafür zu zahlen.
Auch Musiker, Schriftsteller und Maler leben nämlich nicht
von Luft und Liebe allein – und Journalisten, ganz nebenbei
gesagt, auch nicht. Sondern sie finanzieren ihr Leben davon, dass
Menschen bereit sind, für diese Leistungen zu bezahlen. Ohne
Menschen, die Zeitungen, Bücher oder CDs kaufen, können
Journalisten, Schriftsteller und Musiker ihr Produkt nicht zahlen.
Natürlich gäbe es auch ganz ohne Bezahlung immer Texte
und Musik – aber sehr viel weniger als heute. Und unsere Kultur
wäre ärmer ohne die Vielfalt der Künstler, die heute
kreativ sind und mit ihrem Erfolg auch schon die jungen Talente
mitfinanzieren, die die Kunst von morgen prägen werden.
Ein Land wie Deutschland lebt nicht von seinen Bodenschätzen.
Weder Erdöl noch Kohle oder Diamanten sichern als Exportschlager
unsere Volkswirtschaft – es sind die Kreativen, die die Voraussetzungen
für den Wohlstand von heute und von morgen schaffen. Von dieser
Kreativität hängt die Zukunft unserer Gesellschaft maßgeblich
ab. Das sind gemeinsam mit vielen anderen die Biologen und Physiker,
die vielen Menschen mit Verbesserungsvorschlägen für ihren
Arbeitsplatz, die Kindergärtnerinnen und natürlich auch
die kreativen Künstler.
Es ist an der Zeit, der Kreativität die Aufmerksamkeit zurückzugeben,
die sie verdient. Deswegen haben sich eine Reihe kultureller Institutionen
unter dem Dach des Deutschen Kulturrats zusammengefunden, um auf
den Wert von Kreativität deutlicher hinzuweisen. Hierzu gehören
neben den deutschen Phonoverbänden und der Deutschen Phono-Akademie
uunter anderem die GEMA, die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft
SPIO und der Musikverlegerverband. Nicht Öl, sondern Gehirnschmalz
ist der Rohstoff der Zukunft, und dafür treten wir ein.
Hartmut Spiesecke, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft