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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 58
52. Jahrgang | Februar
Dossier:
Musikmesse Frankfurt
Von der schwierigen Kunst des Haushaltens
Sinkende Zuschüsse müssen nicht automatisch weniger
Kultur bedeuten
Kultur wird es immer geben, sie gehört zu den Grundbedürfnissen.
In Berlin geht es nicht um ihre Abwicklung, sondern darum, dass
wir uns entscheiden müssen, wie viel Zuschüsse die Kultur
in Abwägung mit anderen Ausgabeposten erhalten soll. Keine
Frage, Kunst und Kultur sind für die Hauptstadt wichtige Standortfaktoren,
doch Berlin befindet sich aufgrund des allseits bekannten Finanzdebakels
derzeit in der Situation, sich kaum noch das Notwendigste leisten
zu können.
Daraus ergibt sich, dass man sich nicht viele politisch bedingte
Schonräume leisten kann, wenn das Einsparziel der Haushaltskonsolidierungspolitik
nicht in Frage gestellt werden soll. Deshalb wird es nicht möglich
sein, dauerhaft derart hohe Kulturausgaben wie in der Vergangenheit
zu tragen. Der Schuldenberg von rund 47 Milliarden Euro wirft seine
Schatten auf alles, was Geld kostet. Aber Kultur ist – im
Gegensatz zu anderen Ausgabepositionen – nicht notwendig nur
eine Frage pekuniärer Ausstattung. Kultur ist nicht mit staatlich
finanzierten Bühnen gleichzusetzen. Kultur ist viel mehr: Literatur,
Musik, auch Kino et cetera, also weitgehend unabhängig von
Alimentierung. Das ureigentliche Kapital künstlerischen Schaffens
sollte die Fantasie sein, nicht die staatliche Subvention! Gesprächspartner
aus den USA reiben sich regelmäßig verwundert die Augen,
wie hier zu Lande die Förderung von Kunst und Kultur verstanden
wird.
Ein Finanzsenator hat die Verantwortung über das gesamte Vermögen
(auch für das Unvermögen in der Vergangenheit) seines
Zuständigkeitsbereiches. Berlin hat gerade im vergangenen Jahrzehnt
weit mehr ausgegeben, als es sich leisten konnte. Dennoch steht
die Vergabe von Mitteln im Ermessen aller Verantwortung tragenden
Politiker. Der Entscheidungsspielraum zwischen den verschiedenen
Bereichen umfasst dabei nicht das „sowohl-als-auch”,
sondern beschränkt sich zwangsläufig auf das „entweder-oder”.
Ich sehe das wertneutral. Wenn sich die Politik mehr Kultur leisten
will und dafür beispielsweise Streichungen in den Bereichen
Bildung, Straßenbau und Wissenschaft in Kauf nimmt, ist das
für einen Finanzsenator auch in Ordnung. Nur muss am Ende ein
ausgeglichener Haushalt das Ergebnis sein.
Allerdings gibt Berlin für die Kultur besonders viel aus,
nämlich rund 200 Millionen Euro mehr (größenbereinigt!)
als der Durchschnitt aller deutschen Länder. Nehmen wir ein
Beispiel. Allein drei Opern beglücken hier den Kreis der Interessierten.
Ein Kulturgenuss, der nicht gerade die breite Masse erreicht. 130
Millionen Euro kosten die drei Häuser jährlich. Davon
erwirtschaften Deutsche Oper, Staatsoper und Komische Oper zusammen
nur 13 Millionen Euro. Den Rest trägt das Land, sprich der
Steuerzahler. Das muss nicht sein. Ein Vergleich: 523.000 Besucher
kosten in München 54 Millionen Euro Zuschuss, während
in Berlin 732.000 Besucher 117 Millionen Euro Zuschuss kosten. Das
bedeutet, bei „Münchner Verhältnissen” wäre
für die Berliner Besucherzahlen ein Gesamtzuschuss von 75 Millionen
Euro auskömmlich.
Die Ursachen für diesen frappanten Unterschied liegen sowohl
auf der Kosten- als auch auf der Ertragsseite: Eine Karte in der
Münchner Staatsoper erbringt einen Erlös von durchschnittlich
42 Euro, gegenüber 34 Euro in der Deutschen Staatsoper, 22
Euro in der Deutschen Oper und 21 Euro in der Komischen Oper.
In München geht die Skala der Kartenpreise bis 190 Euro, während
sie in Berlin auf 87 Euro in der Komischen Oper, 110 Euro in der
Staatsoper und 120 Euro in der Deutschen Oper begrenzt ist. Der
Auslastung scheinen die höheren Münchner Preise nicht
zu schaden. Sie beträgt nämlich durchschnittlich 92 Prozent
– gegenüber 80 Prozent in der Staatsoper, 65 Prozent
in der Komischen Oper und 63 Prozent in der Deutschen Oper. Auch
die soziale Komponente kommt in München nicht zu kurz: Anfang
Dezember habe ich in der ausverkauften Münchner Oper einen
sehr angenehmen Abend auf einem Stehplatz für 7 Euro verbracht.
Sinkende Zuschüsse sind nicht mit weniger Kultur gleichzusetzen.
Vielmehr gilt es hier, Strukturen zu verändern und die Angebote
attraktiver zu gestalten. Kultursenator Flierl arbeitet derzeit
ein Opernkonzept aus, das solche Fragen sicher beantworten wird.
Hier endet die Fachkompetenz des Finanzsenators. Der muss vielmehr
dafür sorgen, dass insgesamt die Ausgaben sinken, damit Berlin
aus seiner Misere herauskommt. Dann verfügt die Stadt auch
wieder über mehr Handlungsfähigkeit, was letztlich auch
der Kultur zugute kommt. Denn die Kunst des Haushaltens besteht
darin, das Vorhandene sinnvoll auszugeben und nicht, mit Unvorhandenem
anzugeben.