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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 58
52. Jahrgang | Februar
Dossier:
Musikmesse Frankfurt
Von der Kunst des richtigen Investierens
Öffentliche Akzeptanz und öffentliche Förderung
im Kunst- und Kulturbereich
Kunst ist mehr als eine Investition, es ist eine Obsession, eine
Leidenschaft. So ähnlich hat sich Christian-Friedrich Flick
ausgedrückt, als er nach der Entstehung seiner bemerkenswerten
Sammlung zeitgenössischer bildender Kunst gefragt wurde, die
bald in Berlin zu sehen sein wird. Auch wenn damit sehr treffend
beschrieben wird, was Künstlerinnen und Künstler, aber
eben auch Sammler, auszeichnet, gehört zur Kunst die Investition.
Und dieses gilt für den öffentlich geförderten Kulturbetrieb
gleichermaßen wie für die Kulturwirtschaft.
Es ist richtig und wird hierzulande viel zu wenig beachtet, dass
es neben den öffentlich geförderten Kultureinrichtungen
eine Kulturwirtschaft gibt, die oftmals weder im Blickfeld der Wirtschafts-
noch der Kulturförderung steht. Literatur, Musik, Bildende
Kunst, Film, Architektur und Design sind künstlerische Sparten,
die in erster Linie durch die Kulturwirtschaft geprägt werden.
Hier steht nicht die öffentliche Kulturförderung an erster
Stelle, sondern der Markt. Künstlerinnen und Künstler
müssen Verleger, Galeristen, Produzenten, Verleiher, Kunden
von ihren Arbeiten überzeugen. Sie müssen sie in den Bann
ziehen, dass in sie als Künstler und damit auch in ihr künstlerisches
Schaffen investiert wird. Künstlerische Arbeit zeichnet sich
durch Höhen und Tiefen, durch wechselnde Schaffensperioden,
durch Krisen, durch höchste Produktivität, durch den Wechsel
von herausragenden und weniger guten Arbeiten aus. Wer in Künstlerinnen
und Künstler investiert, geht nicht auf Nummer sicher, sondern
geht ein Risiko ein. Der Lohn für dieses Risiko ist die Teilhabe
an der Kunst, die Freude oder – wie Michael Naumann es stets
sagte – der Trost, den Kunst spenden kann.
Nun sollte die öffentliche Hand und schon gar nicht der Finanzsenator
leichtfertig mit den öffentlichen Finanzen umgehen. Die Steuergroschen
von uns allen wären bei einem Finanzsenator der ein leichtfertiger
Spielertyp wäre, schlecht aufgehoben.
Zur Kunst des Haushaltens gehört aber auch die Kunst des Investierens.
Ausgaben für Theater, Museen oder Bibliotheken sind Investitionen.
Investitionen in künstlerische oder kulturelle Prozesse, aber
auch in die kulturelle Bildung. Der Vergleich mit den Vereinigten
Staaten mag pekuniär für Deutschland negativ ausfallen,
kulturell aber mit Sicherheit nicht. Man mag sich auch darüber
mokieren, dass in Berlin die Eintrittspreise für die Opern
niedriger sind als in München. Es soll dann aber auch hinzugefügt
werden, ob sich das Durchschnittseinkommen in München nicht
auch von dem in Berlin unterscheidet. Gerade sozialdemokratische
Finanzpolitiker werden sich in dieser Frage zu entscheiden haben.
Die öffentliche Förderung enthebt die Kultureinrichtungen
aber nicht der Verantwortung, unter Beweis zu stellen, dass sich
die Investition in sie lohnt. Im Gegenteil, gerade öffentlich
geförderte Kultureinrichtungen die nicht ihren Gewinn maximieren
müssen sind besonders gefordert, dass sie sowohl den Anforderungen
der kulturellen Bildung als auch den zeitgenössischen Künsten
nachkommen. Das „Risiko” sollte bei ihnen besonders
gut aufgehoben sein. Sie müssen nicht den Mainstream im Publikumsgeschmack
bedienen, sondern können ihrerseits in die zeitgenössischen
Künste investieren. Sie müssen sich aber fragen lassen,
ob es ihnen tatsächlich gelingt, Publikum zu gewinnen und zu
halten.
Öffentliche Akzeptanz ist eine wesentliche Voraussetzung für
öffentliche Förderung. Das heißt ebenso wie sich
die Künstlerinnen und Künstler aus den kulturwirtschaftlich
geprägten künstlerischen Sparten am Markt bewähren
müssen, damit weiter in sie investiert und ihre Arbeiten gekauft
werden, genauso müssen öffentliche Kultureinrichtungen
beweisen, dass sie in der Gunst des Publikums stehen und darum ihre
Förderung weiterhin gerechtfertigt ist. Die öffentliche
Akzeptanz muss aber immer im Verhältnis zur gestellten Aufgabe
gemessen werden. Ein volles Haus bei Mozarts „Zauberflöte”
ist selbstverständlich einfacher zu erzielen als bei „Bernada
Albas Haus” von Aribert Reimann. Auslastungsvergleiche sind
nur dann zulässig, wenn die Risikobereitschaft der verglichenen
Kultureinrichtung zumindest ähnlich war.
Wird öffentliche Kulturförderung so verstanden, ist
sie weder ein Almosen, das den Kultureinrichtungen gewährt
wird, noch eine Selbstverständlichkeit, die ihnen qua Existenz
zusteht. Ein solches Verständnis öffentlicher Kulturförderung
geht von zwei gleichberechtigten Partnern aus, die sich auf Augenhöhe
gegenüberstehen. Den Einrichtungen, die eine Leistung erbringen
und dafür Mittel erhalten, und der Politik, die entscheiden
muss, ob sie diese Leistung haben will und ob der verlangte Preis
adäquat ist. Politik meint dabei das Parlament und die Regierung
und zwar die Verantwortlichen der verschiedensten Ressorts. Es ist
ein beliebtes und letztlich auch billiges Spiel, dass es dem Finanzsenator
gleich sein kann, für welche Zwecke das Geld ausgegeben wird,
Hauptsache der Haushalt ist ausgeglichen. Ein solches Verständnis
von Finanzpolitik ist kurzsichtig.
Die Finanzpolitiker müssen wie alle guten Investoren prüfen,
ob sich ihre Investition zumindest mittel- wenn nicht langfristig
lohnt. Sie müssen entscheiden, in welchen Bereichen sie investieren
wollen und in welchen nicht. Den Sachverstand der Fachpolitiker
der jeweiligen Ressorts bei der Entscheidung zu Rate zu ziehen,
gehört dazu zur hohen Kunst des Haushaltens und des Investierens.
Finanzpolitiker dürfen keine leichtsinnigen Spieler sein,
aber sie müssen wie Unternehmer den Mut zur Zukunft haben und
bereit sein, in die Zukunft zu investieren. Dem Berliner Finanzsenator
ist in diesem Sinne deutlich mehr Mut zu wünschen!