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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 24
52. Jahrgang | Februar
Forum Musikpädagogik
Musiktherapie an Musikschulen
Fortbildung und Fachtagung vom 15. bis 17. November 2002 in Loccum
Wie das Thema der Fachtagung erkennen ließ, ging es um Einblicke
sowohl in die Behindertenarbeit als auch in die Arbeit von Musiktherapeuten
an Musikschulen, in freien Praxen und in der Klinik. Zentrale Fragen,
die im Hintergrund standen, betrafen den Unterschied oder die Gemeinsamkeiten
von Behindertenarbeit und Musiktherapie und die nach der Notwendigkeit
beziehungsweise der Begründbarkeit beider Disziplinen an den
Musikschulen. In einem ersten Schritt sollte jeder für sich
den Unterschied zwischen Musiktherapie und Musikpädagogik klären
und aufschreiben. Dies sollte dann eigentlich systematisiert und
ausgewertet werden, doch dazu kam es leider nicht, zu vielfältig
waren die Aussagen und zu kurz die Zeit.
Aussagen zur Anthropologie des (behinderten) Menschen, ein wesentlicher
Aspekt jeder pädagogischen Arbeit, kamen in den Beiträgen
von Robert Wagner und Johannes Beierlein zum Tragen. Sie bezogen
sich insbesondere auf das Recht eines jeden Menschen auf Entfaltung
seiner (musikalischen) Persönlichkeit und einer damit verbundenen
Pflicht seitens der (Musik-)Pädagogik, diesem zu seiner Geltung
zu verhelfen.
Sechs Modelle aus verschiedenen Musikschulen der Bundesrepublik
belegten dann anschaulich, inwieweit Behindertenarbeit und/oder
Musiktherapie an den Musikschulen des Landes verankert sind. Trotz
der Plastizität einiger Beiträge wurde deutlich, dass
man von der Vorstellung, beide Bereiche allerorts fest zu installieren,
noch weit entfernt ist, und dass hier noch viel Aufklärungsarbeit
geleistet werden muss.
Die Schwierigkeit wurde dann nochmals deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt,
dass selbst die Behindertenarbeit erst an zirka 50 Prozent der Musikschulen
realisiert ist, obwohl es seitens des VdM Empfehlungen zur Einrichtung
von Behindertenarbeit gibt und der berufsbegleitende Lehrgang zur
Weiterqualifizierung zum Instrumentallehrer für Behinderte
seit nunmehr 22 (!) Jahren existiert. Wenn es auch in einigen Beiträgen
deutlich wurde, so fehlt doch noch immer ein deutlicher Hinweis
darauf, und den suchte man auch vergeblich im Titel und in den Beiträgen
der Tagung, dass sich die Behindertenarbeit an den Musikschulen
längst nicht mehr nur auf den Instrumentalunterricht, sondern
auch auf den Grundbereich der Musikschularbeit bezieht.
Von den fünf praktisch orientierten Beiträgen (Workshops)
gaben zwei einen Einblick in die musiktherapeutische Arbeit, während
sich drei Veranstaltungen eindrucksvoll mit praktischen Aspekten
musikalischer (Groß-) Gruppenarbeit, die nicht nur für
die Behindertenarbeit interessant ist (Stichwort: Klassenmusizieren),
befassten.
Der nicht nur für mich eindrucksvollste Beitrag, ein Einblick
in die musiktherapeutische Arbeit, kam von Peter Hoffmann, Musiktherapeut
und Dozent an der Universität Witten-Herdecke. Eindrucksvoll
war eben nicht nur seine praktische Arbeit, sondern seine strukturierenden
und exakt analysierenden Anmerkungen. Er war es auch, der seinerseits
die Frage von der Musiktherapie zur Behindertenarbeit an Hand eines
musikalisch begabten Klienten aufwarf: Inwieweit ist es möglich,
einen musikalisch begabten, behinderten Patienten nach Beendigung
therapeutischer Intervention an der Musikschule weiter zu fördern?
Wie fließend die Grenze zwischen musiktherapeutischer und
musikpädagogischer Behindertenarbeit sein kann, verdeutlichte
Johannes Beierlein in seinem Vortrag über die Arbeit mit Schwerstmehrfachbehinderten.
Hier wurde auch ganz deutlich, dass für die Arbeit mit Behinderten
unter Umständen die Teilnahme an dem berufsbegleitenden Lehrgang
nicht ausreicht, sondern hier bedarf es einer grundständigen
sonderpädagogischen Ausbildung. Die Tagung gab einen Einblick
in Ist-Zustände und stellte implizit und explizit Möglichkeiten
dar und Forderungen auf hinsichtlich weiterer Intensivierung und
Zusammenarbeit zwischen beiden Disziplinen – unter dem Dach
des VdM? Ich glaube, hier gibt es noch viel zu tun an theoretischer
Aufarbeitung, praktischer Aufklärungsarbeit und realisierbarer
Umsetzung. Ein Schritt auf diesem Weg war diese Tagung.