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Ausgabe 2003/03
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nmz 2003/03 | Seite 11-12
52. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik

Ein Phantom und das Phänomen Phönix

Entscheidungswochenende für den Deutschen Musikrat · Von Christoph Vratz

Götterdämmerung. Niemand hat sie gesehen, doch vermutlich saßen sie irgendwo traulich beisammen, die drei Nornen, und woben ratsuchend an ihrem Schicksalsseil. Denkbar, dass sie sich direkt am Rheinufer aufhielten oder aber in der Bonner City, in der Graurheindorfer Straße. Dort nämlich wurde am Vorabend der Außerordentlichen Generalversammlung in einem „Offenen Forum” über die Zukunft des Deutschen Musikrats (DMR) gegrübelt, geunkt, gerätselt, gerungen.

D ie Ouvertüre zu diesem vielleicht vorentscheidenden Tag hatte – allem Anschein nach unbewusst – der Layouter der „FAZ“-Ausgabe vom selben Tag geliefert. Er hatte in den Artikel zum DMR (Überschrift: „Kinder, schafft Neues“) die Vorankündigung eines neuen Romans geschaltet. Bezeichnender Titel: „Das sterbende Tier“.

Doch statt „marcia funebre“ gab es tags darauf gegen Ende der Generalversammlung ein finales „con brio“ mit etlichen Wahlrunden. Als deren Sieger erhob sich ein Phönix aus der Insolvenz-Asche, mit dem niemand gerechnet hatte – am wenigsten wohl er selbst. Denn erst im letzten Moment war er auf die Kandidatenliste geflutscht. Nun wird Martin Maria Krüger, zumindest für die beiden kommenden Jahre und unterstützt von den weiteren Mitgliedern des neu gewählten Präsidiums, versuchen, den DMR wieder hochzupäppeln. Der Weg zur Entscheidung indes war mühsam.

Bereits zu Beginn des von Theo Geißler (nmz) und Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrat) geleiteten Forums herrschte unter den rund fünfzig Teilnehmern Einigkeit darüber, dass Eile geboten und die Dringlichkeit eines neuen Satzungsentwurfes keinesfalls unterschätzt werden dürfe. Der „größte anzunehmende Unfall“, das eingeleitete Insolvenzverfahren, habe bereits „in der ganzen Republik Spuren hinterlassen, die so schnell wie möglich repariert werden müssten“, meinte Zimmermann. In der folgenden Debatte ging der Versuch einer detaillierten Fehleranalyse jedoch weitgehend unter. Erstens, weil bereits ohnehin jeder wusste, dass ein ganzes Konglomerat an Versäumnissen (mit einer archaischen Buchhaltung an der Spitze) zum Desaster geführt hatte; zweitens, weil mit der Erarbeitung einer neuen Struktur gleichzeitig die Abschaffung alter Fehlerquellen erzielt würde. Christian Höppner (Landesmusikrat Berlin) verteidigte nochmals den Rücktritt des damaligen Präsidiums und räumte zugleich ein, dass „die Projekte des DMR in der Vergangenheit stark gehätschelt worden waren“, die „Musikpolitik dagegen zu sehr in den Hintergrund“ getreten sei.

Verein oder GmbH?

Immer wieder kam zum Ausdruck, was Insolvenzverwalter Ludger Westrick dem DMR unmissverständlich ins Stammbuch geschrieben hatte: Ohne ein straff organisiertes und jederzeit transparentes Finanzcontrolling wird der Musikrat nicht überlebensfähig sein. Doch heißt das automatisch die Einführung einer GmbH-Lösung? – Willkommen im Satzungsdschungel. Wer wählt wen? Wer entscheidet über was? Wie groß wird das Präsidium? Verein oder eben doch GmbH? Heftiger Kampf um Argumente. Dauer-Gemurmel („Tschuldigung, kann nichts verstehen“). Pauschalantworten („Das geht überhaupt nicht“). Klar war nur, dass der DMR zwei Partner gleichzeitig würde befriedigen müssen: den Staat und den Insolvenzverwalter. Rüdiger Grambow (Bund deutscher Zupfmusiker) brachte die Lage auf den Punkt: „Wir müssen den Wünschen der Zuwendungsgeber entgegenkommen, ohne uns gleichzeitig der eigenen Unabhängigkeit zu berauben.“ Fragte sich nur: Wie? Vor allem Jens Michow (Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft) machte Dampf: „Wir müssen morgen durchkommen. Wenn nicht, ist der DMR Geschichte.“ Beschwörung zu Beschleunigung und Kompromissfähigkeit.

Bereits im Vorfeld waren mehrere Satzungsentwürfe erarbeitet, überdacht, verworfen und wieder zusammengeschmiedet worden. Ludger Westrick hatte sein Modell schon im Januar auf einer Pressekonferenz erläutert. Der Posten des Generalsekretärs würde wegfallen, das Präsidium würde als Aufsichtsrat und die Geschäftsführung (aufgeteilt in die Bereiche Information und Politik, Kaufmännisches und Projekte) als Vorstand fungieren. Mit diesem Entwurf konkurrierten ein Konzept der Landesmusikräte sowie das „Berliner Modell“, die beide darin übereinstimmten, dass sie, im Gegensatz zu Westrick, ein geschäftsführendes Präsidium vorsahen. Unterschiede allerdings offenbarten sich bei dessen Zusammensetzung und Kompetenzen. Das Forum war freigegeben für Grundsatz-Meinungen und juristisches Kleinklein. Schließlich zog sich eine neu gebildete Fraktion aus beiden Lagern unter der Ägide von Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (Ex-Verwaltungs- und Planungsbeirat) zurück, um an einem gemeinschaftlichen Entwurf zu feilen. In der anschließenden, von Walter Liedtke (WDR) geleiteten Podiumsdiskussion zog Burkart Beilfuß gesteigerte Aufmerksamkeit auf sich. Er vertrat Staates Ansicht, im Auftrag des Ministeriums für Kultur und Medien, dem größten Zuwendungsgeber des DMR. Sein Votum ließ zunächst viel Raum für Interpretationen: „Wir wollen die Arbeit des DMR unterstützen, sofern in einer Weise gearbeitet wird, bei der wir sicher sein können, dass die Gelder bestimmungsgemäß verwendet werden.“ Dann wurde er klarer, einigen im Saal zu klar: Die Projekte sollten von „hauptamtlich Verantwortlichen betreut“ werden, dafür sei es dringend angeraten, „eine Art Service-GmbH zu schaffen“. Außerdem solle dem Staat ermöglicht werden, durch eine „Viertelbeteiligung im Aufsichtsrat“ kontinuierlich Einblick in die Finanzen des DMR zu nehmen. – Kollektives Augenbrauen-Zucken unter den Zuhörern. Klang das nach Drohung? Geld ja, aber „nur unter der Bedingung, dass...“? Auf dem Podium bemühte man derweil die höhere Schule der Diplomatie. Reinhard von Gutzeit (Linzer Bruckner-Konservatorium) gab zu, dass ihm „die GmbH-Form zutiefst unsympathisch“ sei und dass mit dem zusätzlichen Stimmrecht der Öffentlichen Hand „nicht automatisch eine Qualitätsverbesserung“ einhergehe. Schließlich müsse es „das Ziel aller“ sein, „dass sich die Wertschätzung der Gesellschaft gegenüber der Musik ändert“, vom Kindergarten bis zum Spitzenorchester.

Da mochte auch der Ministerien-Mann zustimmen. Das Übel ist also bei der Wurzel zu packen. Nur: Wie bekommt man eine Wurzel zu greifen, die so fassbar ist wie ein Phantom? Olaf Zimmermann mahnte daher den DMR, sich „stärker musikpolitisch“ einzubringen und sich dieser Verantwortung auch entsprechend bewusst zu werden. Eckart Lange (Landesmusikrat Niedersachsen) gab zu bedenken, dass dies „auch ein Problem der kommunikativen Verzahnung“ sein könne. Was würde nun wie? Entscheiden konnte bekanntlich nur die Generalversammlung am nächsten Tag. Mehr als sechs Stunden vergingen in der Stadthalle Bad Godesberg bis zum Schlussgong; und garantiert hätte es noch länger gedauert, wenn nicht Christian Kröber (GEMA) auf ebenso abwägende wie an allen wichtigen Scharnierstellen resolute Weise durch die Sitzung geführt hätte. Am Ende Erleichterung, Erschöpfung, Wunden lecken. Auch der Beauftragte der Bundesregierung schaute ganz zufrieden drein. Er freue sich, dass es dem Musikrat gelungen sei, eine neue Satzung zu beschließen und eine Öffnungsklausel vorzusehen „für die Übertragung des Managements der Projekte auf einen eigenen Rechtsträger“. Auch die Tatsache, dass ein neues Präsidium gefunden sei, stimme ihn zuversichtlich. Auf der neu geschaffenen Grundlage könne es gelingen, den Deutschen Musikrat aus der Krise herauszuführen.

Modifiziertes Berliner-Modell

Mit großer Mehrheit hatten die Delegierten für eine neue Satzung quotiert, und zwar für die am Vorabend modifizierte Form des “Berliner Modells”. Die neue Spitze sieht einen Hauptgeschäftsführer, der noch zu bestimmen sein wird, und ein Geschäftsführendes Präsidium vor: an dessen Spitze ein Präsident, dazu vier Vizepräsidenten sowie ein erweitertes, vierzehnköpfiges Präsidium. Die Amtszeit dieser Mannschaft beträgt zwei Jahre, die nachfolgend gewählten Präsidien sollen für vier Jahre im Amt bleiben. Einzelmitglieder haben nach der neuen Fassung keine Stimmberechtigung mehr in der Mitgliederversammlung, nehmen aber mit beratender Stimme an den Mitgliederversammlungen teil. Für die Wahl des Präsidenten waren drei Wahlgänge nötig geworden. Zweimal durfte Christian Kröber verkünden: „Wir haben zwar ein Ergebnis, aber keinen Präsidenten.“ Pattsituation. Allmählich wurden die gelben Stimmzettel knapp, und da niemand so genau wusste, wie viele Runden noch folgen würden, teilte man sie schließlich in der Mitte durch. Zuletzt wurde Krüger zum Gewinner ausgerufen. Der nahm die Wahl an und erklärte, ihm komme das Ganze vor, „als hätte man den Bischof von Würzburg zum Papst gewählt“.

Krüger ist der Noch-Leiter des Richard-Strauss-Konservatoriums in München. Die Verbandsarbeit kennt er durch seine Präsidiumstätigkeit für den Landesmusikrat Bayern und seine Aufgabe als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Musikakademien und Konservatorien. Ihm stehe nun eine „lehrreiche, spannende und interessante Zeit“ bevor. Er hoffe nicht nur auf die Unterstützung der Bundesministerien, sondern auch auf Hilfe seitens der Kultusministerkonferenz der Länder. „Darüber hinaus werden wir weitere Verbindungen in Richtung Wirtschaft und zum Umfeld der Musik in Deutschland knüpfen.“ Sehr froh sei er über die Zusammensetzung des Geschäftsführenden Präsidiums. Darin befinden sich nun neben Jens Michow und Christian Höppner auch Udo Dahmen (Bundesfachausschuss „Populäre Musik“) und Uli Kostenbader (Sponsoring-Leiter bei Daimler-Chrysler). Michow erwartet nun, dass das neue Signal nicht nur die Politik, sondern vor allem auch die Öffentlichkeit erreiche. Schließlich war es um eine starke Lobby des DMR in der Vergangenheit nicht sonderlich gut bestellt. Hat die Entscheidung von Bad Godesberg auch Verlierer hervorgebracht? Etwa die Landesmusikräte, deren Vorstellungen sich in der neuen Satzung nicht vollends widerspiegeln? Werner Lohmann, Präsident des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen, nahm’s gelassen. Eine kontinuierliche Arbeit im DMR sei das Nonplusultra; wenn diese auf Bundesebene gut funktioniere, käme das auch den Landesverbänden zugute. Und der Insolvenzverwalter? Eine von vielen befürchtete Blockadehaltung seinerseits blieb aus. Jeder habe seine Kröten schlucken müssen. Punktum. So war Westrick einer der ersten, die dem neuen Präsidenten zur Gratulation entgegeneilten. Auch war er offen genug, um zuvor in seinem ausführlichen Bericht es als „Misserfolg“ zu werten, den letzten Generalsekretär, Thomas Rietschel, eilfertig von weiteren Beratungen ausgeschlossen zu haben; schließlich sei dieser ein „hervorragender Kommunikator“. Wenn nun die Gläubigerversammlung am 25. April den neuen Bestimmungen zustimmt, kann sich der Insolvenzverwalter zurückziehen und der DMR hoffentlich wieder ungestört arbeiten. Die Kriechspur allerdings ist fortan tabu. Im Oktober wartet die nächste Mitgliederversammlung; und die würde ziemlich ungehalten, wenn das neue Präsidium nur im Adagio-Tempo vorwärtskäme. Aber da könnte man ja mal die Nornen befragen.

Christoph Vratz

 

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