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nmz-archiv
nmz 2003/03 | Seite 5
52. Jahrgang | Februar
Musikwirtschaft
Aufforderung zum Tanz ums Goldene Kalb
Auch in der Konjunkturflaute unterstützen Banken die Kultur
Kultur braucht Geld und Geld braucht Kultur. Spätestens seit
den 80-er Jahren ist unternehmerische Kulturförderung auch
in Deutschland aktuell. Man lobt sie, man kritisiert sie und man
braucht sie in Zeiten knapper Staatsmittel mehr denn je: Im Verhältnis
zu den Kulturausgaben der Öffentlichen Hand liegt die private
Kulturförderung – laut dem Arbeitskreis Kultursponsoring
(AKS) im Kulturkreis der deutschen Wirtschaft – in Deutschland
inzwischen bei sieben bis zehn Prozent. Was in den angelsächsischen
Ländern schon lange zum Alltag gehört, hat auch in Deutschland
Einzug gehalten: Das Bewusstsein für privates Kulturengagement
ist geschaffen. Im Kultursponsoring zeichnet sich eine zunehmende
Professionalisierung ab, das Stiftungswesen boomt mit rund 1.000
Neugründungen im Jahr 2001.
Das Lars Vogt Trio: Früher
Stipendiaten, heute ein tonangebendes Ensemble. Foto: Lars
Vogt Trio
Banken gehören zu den größten Kulturförderern
unter den deutschen Unternehmen. Sie handeln mit Produkten oder
Dienstleistungen, die ungreifbar, unsichtbar und meist auch austauschbar
sind. „Wo nichts produziert wird, jedenfalls nichts, was zu
sehen und zu hören ist, wollen Auge und Ohr dennoch ihr Recht“,
so Hilmar Kopper, unter dessen Ägide bei der Deutschen Bank
die Kultur-Stiftung gegründet wurde. Banken können sich
über das Geld nicht differenzieren, da braucht man die Meta-Ebene.
„Selbstdarstellung hebt das Selbstgefühl und ist doch
kein Selbstzweck.“ (Hilmar Kopper)
Die Nähe der Finanzwirtschaft zur Bildenden Kunst ist zwar
groß, Musik aber steht in der Rangfolge gleich auf Platz zwei.
Kaum ein Musikfestival ist ohne Sponsoring durch eine Bank vorstellbar
und landauf, landab gibt es kaum eine größere Bankniederlassung,
die nicht für Ihre Kunden Konzerte veranstaltet. Die Motive
reichen von mäzenatischen Aspekten und persönlichen Interessen
über Imageverbesserung, Kontakt zu Geschäftspartnern,
dem Erschließen neuer Zielgruppen, Mitarbeitermotivation und
Abgrenzung zur Konkurrenz bis hin zu Kapitalanlage und Steuerersparnis.
Sponsern, stiften, spenden
Mit geschätzten 300 bis 350 Millionen Euro im Jahr hat das
Kultursponsoring (rund zehn Prozent des gesamten Sponsoringvolumens)
den größten Anteil an der privaten Kulturfinanzierung.
Rund 125 Millionen Euro werden nach Angaben des AKS von Stiftungen
für Kultur ausgegeben; Spenden, die in die Kultur fließen,
werden auf rund 50 Millionen Euro geschätzt. (Spenden für
Kultur sind schwer bezifferbar, da beispielsweise in vielen Unternehmen
die Durchrationalisierung von Spenden noch nicht stattgefunden hat.)
Sponsern, stiften, spenden: Das sind die drei Schlagworte, in die
sich die Formen der Zuwendung grob kategorisieren lassen.
Sponsoring, das ist auch in der Kultur ein partnerschaftliches
Geschäft mit Leistung und Gegenleistung, eingebettet in die
Kommunikationspolitik eines Unternehmens (und steuerlich als Betriebsausgabe
verbucht). Mit dem AKS kümmert sich ein Lobby-Verband um die
Interessen von inzwischen mehr als 60 Unternehmen der deutschen
Wirtschaft, die Kultursponsoring aktiv in ihr Marketingkonzept eingebunden
haben.
Sponsoren von Kulturveranstaltungen werden extern wie intern erstaunlich
positiv wahrgenommen: eine im Jahr 2000 vom Bundesverband der Deutschen
Industrie in Auftrag gegebene Studie ergab: 63 Prozent der Befragten
hatten wahrgenommen, dass die Veranstaltungen gesponsert wurden
und 43 Prozent konnten den Namen des Sponsors nennen. Darüber
hinaus: Die Erwähnung in redaktionellen Beiträgen der
Tages- und Fachpresse ist kostenlos und über den Beigeschmack
von klassischer Werbung erhaben.
Im Gegensatz zum Sponsoringgeschäft stehen Spenden und Stiftungen,
bei denen der mäzenatische Gedanke überwiegt und geschäftspolitische
Intentionen meist im Hintergrund stehen. Zur Musik: Das Spektrum
der einzelnen Kreditinstitute, die Musik unterstützen, ist
bunt und reicht von den großen Privatbanken wie Deutsche Bank,
Dresdner Bank und Commerzbank, den öffentlich-rechtlichen Instituten
der Landesbanken und Sparkassen bis zu den genossenschaftlich organisierten
Banken. Dahinter verbergen sich ganz unterschiedliche Konstruktionen
und Motive. Unterstützt werden Festivals, Komponisten und Musiker,
Ensembles und Stiftungen; Preise, Stipendien, Projekt- und Studienbeihilfen
werden vergeben, Veranstaltungen unterstützt, Instrumente finanziert
und vieles mehr. Häufig genannte Schlagwörter sind „Jugend“,
„Nachwuchs“, „Bildung“, „klassisch“,
aber auch „zeitgenössisch“.
Um nur einige Banken – unabhängig von Größe
und Fördervolumen – herauszugreifen: Die Commerzbank,
deren Engagement sich auf Ökologie und Sport konzentriert,
fördert auch Musik mit gezielt ausgewählten Projekten,
die in die Marketingaktivitäten passen, vor allem klassische
Konzerte als Kundenveranstaltungen. Betont unabhängig von der
Geschäftspolitik agiert die Commerzbank Stiftung. Für
Kultur wurden im vergangenen Jahr rund 280.000 Euro aufgebracht.
Förderschwerpunkte für die Musik sind die Deutsche Stiftung
Musikleben und in Leipzig das Bacharchiv sowie der Thomanerchor.
Die Deutsche Bank stellte 1995 die Kultur-Stiftung der Deutschen
Bank vor. „Die Bank hat diese Einrichtung geschaffen, um das
kulturelle Engagement dauerhaft und unabhängig zu machen. Sie
hat uns damals mit 51 Millionen Euro ausgestattet und wir leben
jetzt von den Erträgen dieses Stiftungskapitals“, so
Michael Münch, Vorstandsmitglied der Kultur-Stiftung. Ungefähr
die Hälfte der Projekte gelten der Musik. Das fängt bei
der Nachwuchsförderung an (etwa die Orchesterakademie der Berliner
Philharmoniker) und geht bis zur zeitgenössischen Musik. „Da
nutzen wir die Freiheit einer Stiftung aus und fördern eher
sperrige Projekte: Donaueschinger Musiktage, Ensemble Modern oder
ähnliches, was sich für ein Sponsoring eher nicht eignen
würde“, so Münch. Kultursponsoring durch die Deutsche
Bank AG wird seit der Gründung der Kultur-Stiftung nur noch
in Ausnahmefällen betrieben, so etwa das Engagement bei den
Berliner Philharmonikern: ein klassisches Sponsorship zwischen der
Deutschen Bank AG und der Stiftung Berliner Philharmoniker mit Vertrag,
Leistung und Gegenleistung.
Wanderer zwischen Welten
Das Kulturengagement der Dresdner Bank konzentriert sich auf die
beiden Stiftungen: die Jürgen Ponto-Stiftung, die gerade ihr
25. Jubiläum feierte, und die Kulturstiftung Dresden der Dresdner
Bank. Zum Profil beider Stiftungen gehört die Nachwuchsförderung,
der Bildungsaspekt und die Förderung interessanter zeitgenössischer
Positionen. Ehrgeizigstes Musikprojekt der Kulturstiftung Dresden
ist die Dresdner Konzertreihe „Global Ear“, die zeitgenössische
Komponisten vorstellt, die „Wanderer zwischen den Welten und
damit im besten Sinne ‚Global Player’ sind“, so
Karin Heyl, Leiterin des Bereichs Kunst und Wissenschaft der Dresdner
Bank. Die Jürgen Ponto-Stiftung legt ihren Schwerpunkt auf
die Förderung junger, hoch begabter Musiker, die über
einen längeren Zeitraum Stipendien erhalten. Daneben werden
Projekte wie „Schulen musizieren“ unterstützt.
Die Bilanz nach 25 Jahren Förderung der Jürgen Ponto-Stiftung
im Bereich Musik ist eindrucksvoll – eindrucksvoller als das
Stiftungskapital von rund fünf Millionen Euro dies auf den
ersten Blick vermuten lässt. Viele der früheren Stipendiaten
gehören heute zu den führenden Interpreten im internationalen
Musikgeschäft, so zum Beispiel Kolja Blacher, Lars Vogt, Christian
Tetzlaff, Daniel Müller-Schott oder Isabelle Faust, die im
übrigen eine Stradivari – eine Leihgabe der L-Bank Baden-Württemberg
– spielt. Das Bankhaus Metzler unterstützt seit über
zehn Jahren „Live Music Now“ in München mit rund
25.000 Euro per annum und war dort sicherlich die Initialzündung
für eine kontinuierliche Konzertreihe mit jungen Künstlern
in sozialen Einrichtungen. Seit einiger Zeit wird auch „Live
Music Now“ in Frankfurt mit einem ähnlichen Betrag unterstützt.
Das Bankhaus Metzler, das sicherlich stärker in der Wissenschaftsförderung,
sozialen Projekten oder auch in der Bildenen Kunst engagiert ist,
sieht die Unterstützung von „Live Music Now“ als
mäzenatisch und nicht als Sponsoring. Ganz anderes strukturiert
ist die Kulturförderung der Sparkassen-Finanzgruppe, die mit
über 500 Sparkassen, den Regionalverbänden, Landesbanken,
Landesbausparkassen, öffentlichen Versicherungen und dem Deutschen
Sparkassen- und Giroverband als Dachverband über 730 Institute
zählt. „Wichtig ist: Die Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe
fördern Kunst und Kultur auf vielen verschiedenen Ebenen. Wir
unterstützen lokale Engagements und den Nachwuchs ebenso wie
Projekte mit internationalem Anspruch.“, so Heike Kramer vom
Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Und das geschieht via Spende,
Sponsoring und den Stiftungen. Von den 15 größten deutschen
Stiftungen sind sieben Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe dabei.
Hoher Einsatz
Kultur wurde 2001 mit über 23 Millionen Euro von Seiten der
Sparkassenstiftungen gefördert, das gemeinnützige Förderengagement
der Sparkassen für die Kultur betrug zusätzlich gut 100
Millionen Euro, wovon 16 Prozent in die Musik flossen. „Jugend
musiziert“ ist eines der Musikprojekte, das jährlich
mit rund 500.000 Euro unterstützt wird. Auch die NORD/LB gehört
zur Sparkassen-Finanzgruppe. Sie ist eine Landesbank in drei Bundesländern,
die ihren Fokus in der Musik mit rund 300.000 Euro (2002) aus Sponsoringmitteln
auf die großen Festivals in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt
und Mecklenburg-Vorpommern legt.
Der Einsatz ist hoch, wenn auch, gemessen an den Erwartungen der
Kulturschaffenden, bei weitem nicht hoch genug. Übrigens: Bei
einer Umfrage 1999 waren auf die Frage, welche Unternehmen mit Kunst
und Kultur assoziiert werden, auf den ersten drei Plätzen zwei
Kreditinstitute: die Sparkassen und die Deutsche Bank.