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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 42
56. Jahrgang | September
Oper & Konzert
Die jungen Leute wollen einfach
Junge Musiker Stiftung Bayreuth fördert zum zweiten Mal Orchesterworkshop
Ehrfürchtige Stille herrscht für einen Moment in dem
sonst eher quirligen Orchester. 50 junge Musiker betreten erstmals
das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth, in dem sie am Folgeabend
konzertieren werden. Und diese einzigartige Kulisse kann schon
beeindrucken. Der zwischen 1744 und 1748 von Prinzessin Friederike
Sophie Wilhelmine von Preußen, Ehefrau des Bayreuther Markgrafen
und Schwester Friedrichs des Großen, errichtete Theaterbau
gehört zu den wenigen in Europa erhaltenen Theaterbauten des
18. Jahrhunderts und ist noch heute ein Kleinod. Für den 1994
gedrehten Film „Farinelli“ diente das Theater immerhin
als Kulisse der Opernszenen. Und regelmäßig finden hier
auch Konzerte statt.
Tenor
Manfred Jung als Dirigent im Markgräflichen Opernhaus
in Bayreuth. Foto: Johannes Radsack
Das Orchester, das am 31. Juli – am spielfreien Abend während
der Wagner-Festspiele – hier seinen Auftritt hat, setzt sich
aus Musikstudenten aus ganz Deutschland zusammen. Initiator des
Orchesterworkshops, an dem sie eine Woche lang teilgenommen haben,
ist die Junge Musiker Stiftung Bayreuth. Deren Leiter Manfred Jung
erklärt das Konzept in einem Satz: „Ziel ist es, junge
Musiker zu fördern“. Der Tenor, der unter anderem im „Jahrhundert-Ring“ von
Patrice Chéreau den „Siegfried“ gesungen hat
und auf den großen Bühnen der Welt zu Hause war, kümmert
sich nun um den Nachwuchs. Das Projekt in Bayreuth war der zweite
Orchester-Workshop, den die noch sehr junge Stiftung förderte.
Manfred Jung hat sich dafür selbst ans Dirigentenpult gestellt.
Erfahrung als Orchesterleiter konnte er reichlich sammeln. Der
gebürtige Oberhauser hat schon zahlreiche Konzerte der Essener
Philharmonie dirigiert, ebenso den Philharmonischen Chor der Stadt
Essen. Nun also ist ein Jugendorchester an der Reihe. Und Manfred
Jung macht, wie fast jeder, der einmal mit einem jungen Ensemble
zu tun hatte, die Erfahrung: „Die jungen Leute wollen einfach.“ Sie üben
weit über die Proben hinaus, und wenn sie nicht mehr üben,
stellen sie sich zur Jazz-Session in die Bayreuther Fußgängerzone.
Und wenn die erste Probe am Konzertort zeigt, dass der Orchestergraben
eigentlich nur für 30 Musiker gedacht ist, finden sich sofort
ein paar junge Musiker, die den ganzen Apparat so umbauen, dass
eben doch alle 50 ihren Platz finden und dabei auch noch angemessene
Bewegungsfreiheit haben.
„
Wir sind ganz schön platt“, sagt eine Geigerin am vorletzten
Probentag und berichtet über den Ablauf. Wurde zunächst
drei Tage lang mit erfahrenen Dozenten aus großen Orchestern
in Stimmgruppen gearbeitet, so hat Manfred Jung am vierten Tag
begonnen, Hand anzulegen und das ganze zum Orchesterklang zu formen.
Ob ein reines Wagner-Programm in der Wagner-Stadt zur Zeit der
Wagner-Festspiele nicht zu gewagt ist? Nein, meint Jung. Im Übrigen
ist gerade dieses Programm sehr von seiner Person geprägt.
Dass er in Bayreuth, wo er so oft den „Siegfried“ gesungen
hat, das „Siegfried-Idyll“ spielt, liegt auf der Hand.
Ein ähnlicher Bezug besteht zu den Wesendonk-Liedern, die
in der Entstehungszeit des „Tristan“ komponiert wurden
und teilweise stark von der Oper geprägt sind. Auch der Tristan
gehörte zu den Paraderollen von Manfred Jung. Schließlich
die fast unbekannte erste und einzig vollständige Sinfonie
von Richard Wagner, die er als 19-Jähriger schrieb. Darauf
war Jung einfach neugierig, ebenso wie die jungen Musiker, die
das Werk auf diese Weise kennenlernen durften. Eher an Beethoven
als an Wagner erinnert das Frühwerk des Komponisten. Das Orchester
spielte es differenziert und mit großer Begeisterung. Sehr
zart musiziert waren die Wesendonk-Lieder. Kurzfristig eingesprungen
für die erkrankte Eva-Maria Westbroek, gelang Carol Wilson
allerdings nicht immer die Durchdringung des Orchesterklangs. Die
Arbeit mit einem Sänger als Dirigenten, so Wilson, sei etwas
Besonderes, weil er die gesanglichen Phrasen aus der eigenen Erfahrung
heraus so gut nachvollziehen und mitgehen könne.
Vom großen Bayreuther Komponisten geprägt war das Orchester-Projekt
auch über die Proben hinaus. Jungs gute Kontakte zum Festspielhaus
machten möglich, was eigentlich nicht möglich ist: eine
Führung durch den Wagner-Tempel während der Festspiele.
Daneben natürlich ein gemeinsamer Besuch im Haus Wahnfried,
dem Wohnhaus von Richard und Cosima, das heute als Wagner-Museum
dient.
Und wie geht es weiter? Neben den zahlreichen Gesangsprojekten,
Wettbewerben wie Meisterkursen, wird die Stiftung auch weiterhin
Orchester-Workshops anbieten. Der nächste soll schon im Herbst
stattfinden. Bewerben können sich wieder Musikstudenten aus
allen Hochschulen, wobei sicher einige inzwischen „alte Hasen“ dabei
sein werden. Mit anderen wird Manfred Jung nicht mehr rechnen können.
Sie erwartet bereits das erste Engagement in großen Orchestern.
Wenn er von den „jungen Leuten“ spricht, beginnt das
Gesicht des Sänger-Dirigenten zu strahlen. Schon vor dem Konzert
berichtet er: „Heute Abend werden wir in einem richtig guten
fränkischen Gasthof feiern. Und da fahre ich mit dem Taxi
hin. Ich werde mit den jungen Leuten noch richtig Spaß haben.“ Daran
gibt es keinen Zweifel.