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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 40
56. Jahrgang | September
Oper & Konzert
Väter und Söhne
Franz Strauss und seine Hornkonzerte in Lübeck
In keiner Biographie über Richard Strauss fehlen der Vater
Franz Strauss und dessen gestörtes, sich zu schierem Hass
auswachsendes Verhältnis zu Richard Wagner. Keiner versäumt,
einige Anekdoten zu erzählen, einige der mehr als despektierlichen Äußerungen
des 1. Hornisten des Münchner Hofopernorchesters zu zitieren,
der sich Wagners wegen selbst mit Hans von Bülow überwarf
und trotzdem auf Weisung Ludwigs II. gehalten war, bei der Uraufführung
des „Parsifal“ 1882 in Bayreuth mitzuwirken – vom
Komponisten seines virtuosen instrumentalen Könnens wegen
ausdrücklich verlangt, doch dann, zum Obmann des Bayreuther
Orchesters gewählt, mit diesem gleich in neuen Konflikten.
Die Meinung des schwierigen, eigensinnigen Musikers über Wagner
nach den Münchner Uraufführungen von „Tristan“ und
den „Meistersingern“, die er gespielt hatte, stand
unumstößlich fest. Er rieb sich an der Person wie an
der Musik, und daran änderte sich auch später nichts,
als der Sohn Richard als 18-jähriger nach dem Erlebnis der
Generalprobe zum „Parsifal“ und nach dem Studium der „Tristan“-Partitur
völlig in den Bann Wagners geriet. Für Franz Strauss
blieb dieser lebenslang – und das Leben währte lang,
bis 1905 – der „Mephisto der Musik“. Er attestierte
dem „besoffenen Lumpen“ maßlosen „Größenwahn
und Delirium“, wie er an seine Frau schrieb, und auch der
raketenhafte Aufstieg des jungen Richard konnte die Differenzen
zwischen Vater und Sohn in diesem Punkte nicht abmildern.
Wagner wiederum sah sein Verhältnis zu Franz Strauss weniger
verbissen. Er schätzte dessen technisches Können und
seine Musikalität ungemein, brauchte ihn für die Aufführung
seiner Werke und war deswegen bereit, über Strauss’ oft
unmögliches Verhalten hinwegzusehen. Dass die Kluft zwischen
Wagner und dem Münchner Solohornisten auch tiefe musikalische
Gründe hatte, können wir jetzt lernen, wenn wir die beiden
gänzlich vergessenen Hornkonzerte von Franz Strauss hören,
die Roman Brogli-Sacher mit Marie Luise Neunecker und den Lübecker
Philharmonikern kürzlich in zwei Konzerten ausgegraben hat,
welche auch vom Label Klassik Center Kassel mitgeschnitten wurden
und demnächst auch als CD veröffentlicht werden.
Die beiden – mit einfühlsamer Entschiedenheit ausmusizierten – Konzerte
sind das Kernstück der eifrigen Kompositionsbemühungen
des Münchner Hornisten, der, hauptsächlich für das
von ihm dirigierte Laienorchester, Salonpiècen und tänzerische
Gelegenheitsstücke zu schreiben pflegte. Die beiden in ihrem
Charakter durchaus verschiedenen Konzerte in c-Moll und Es-Dur
geben sich ein wenig anspruchsvoller, doch sie stehen fast ein
wenig naiv hinter ihrer Zeit zurück; gekonnt, aber ganz vorausberechenbar
und niemals aufregend instrumentiert, gefällig im Rhythmischen,
von einigen hübschen melodischen, zuweilen ins Kraftlose verrinnenden
Einfällen getragen, harmlos im Satztechnischen, kleine, handsame
Bravourstückchen für das solistische Horn aus der Leipziger
Schule.
Haydn, Mozart und Beethoven hat Franz Strauss immer als seine
Götter
bezeichnet. Der Unterschied zwischen Kleinmeister und Genie zeigt
sich am eklatantesten an der Dynastie Strauss selbst. Das 1. Hornkonzert
des jungen Richard, nach dem Abitur für den Vater geschrieben
und ihm gewidmet, greift mit seinem Hauptthema des Dreiklang-rufes
deutlich anspielend auf des Vaters c-Moll-Konzert zurück,
aber was er daraus zu entwickeln weiß, an Einfällen
und Eigenwilligkeiten, an Instrumentalfarben und formaler Schlüssigkeit,
das weist schnurstracks in andere Höhen.
Trotzdem war es reizvoll, Vater und Sohn Strauss, den ganz Vergessenen
und den Vielgespielten in einem Programm zu konfrontieren, eine
biographische Fußnote wieder zu lebendiger Musik zu machen.