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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 9
56. Jahrgang | September
Cluster
Musikbetont
Berlin ist der Knoten-, Brenn- und G-Punkt musikalischer
Innovationen in Deutschland. Dazu bedarf es eigentlich keines Beweises.
Obwohl:
Man sollte die Love-Parade schon erwähnen. Hier tickt die
Musik presto, staccato und mit einer Wucht, die man auf dem restlichen
platten Land oder den hohen Hinterwäldern nicht kennt. Die
neuesten Erkenntnisse musikpädagogischer und -managender
Forschung finden sofort, das heißt umgehend, Anwendung.
So hat man Projekte zur Fortführung musikbetonter Schulen
erstmal in den schulsenatischen Antragskreislauf umgeleitet.
Eine Planungssicherheit will man solchen Schulen nicht geben,
zunächst müsse erst einmal ordentlich evaluiert werden.
Das alte Spiel mit Bürokratie im Namen der Qualitätssicherung;
so wird schön geschrieben, was fehlende kosmetische Kompetenz
im Amt ist.
Da sagt man sich, man müsse nämlich die Profile der Schulen
auf eine andere formale Basis stellen. Ist doch klar, oder? Aber
die schlechte Nachricht ist in Wirklichkeit eine gute. Berlin wäre
nicht Berlin, wenn es nicht sofort eine Kompensation anbieten würde.
Die Lösung ist so simpel wie einfach, oder umgekehrt. Man
führt einfach musikbetonte U-Bahn-Stationen ein. Bespielt
werden diese mit Opernmusik, schließlich hat man in Berlin
auch vier Opernhäuser. Da fährt sozusagen der Besucher
von morgen durch. Eine eigentlich ganz kluge Idee. Man erledigt
drei Fliegen mit einer Klappe: „Drogenhändler, Wohnungslose
und andere“ werden auf diese Weise „angeblich“ vertrieben,
die Restbevölkerung kommt in den Genuss echt italienischen
Bildungsgutes und die Opernhäuser bekommen Werbung.
Aber so was geht natürlich nur von Amts wegen. Die Hiphop-Crew
K.I.Z. wollte ihrerseits nun eine U-Bahn bespielen, wurde jedoch
mit Polizeiaufgebot daran gehindert. „Augenzeugen berichten
von Hundertschaften in voller Kampfausrüstung, Gewaltanwendung,
Straßensperrungen und folgendem Verkehrschaos“, schreibt
Sophie Guggenberger im Tagesspiegel.
Berlin, eine wirklich total musikbetonte Stadt, wozu da also
noch extra Schulen – und außerdem sitzt der Generalsekretär
des Deutschen Musikrates ebenfalls in Berlin. Wenn das nicht genug
ist, dann weiß ich auch nicht.