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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 54
56. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Landesweite Musikförderung in Sachsen-Anhalt
Zwei Jahre Musikalisches Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt: Resümee
und Ausblick
Seit genau zwei Jahren gibt es in Sachsen-Anhalt eine Initiative,
deren Urheber sich die musikalische Bildung in all ihren Facetten
auf die Fahne geschrieben haben. Mit der Gründung des Musikalischen
Kompetenzzentrums Sachsen-Anhalt (MKM) im September 2005 verpflichteten
sich das Kultusministerium und die Landeshauptstadt Magdeburg,
die Entwicklung landesweit wirksamer musikalischer Bildungsangebote
zu unterstützen.
Das MKM ist am Magdeburger Konservatorium Georg Phillip Telemann
angesiedelt und stützt sich auf fünf Säulen: auf
Fort- und Weiterbildung, auf Hochbegabtenförderung, auf Qualitätssicherung
in der Breitenmusik, auf Projekte der Zeitgenössischen Musik
sowie auf das musikalische Erbe. Welche Erfolge können die
Mitarbeiter des MKM bisher verbuchen?
Das Hauptaugenmerk der Veranstaltungen im Zeitraum der Profilierung
liegt deutlich auf der Neuen Musik. Stand im Mozartjahr 2006 noch
das Großprojekt der Neuerarbeitung und Aufführung sämtlicher
32 Sonaten und Werke für Violine und Klavier des Meisters
im Mittelpunkt, ist die Tendenz zur Vermittlung Neuer Musik im
Jahr 2007 nicht zu übersehen. Besonders das Engagement für
junge Komponisten aus den Kompositionsklassen Halle und Magdeburg
ist hier hervorzuheben. So konnte Wolfgang Rihm gemeinsam mit dem
Minguet Quartett zu drei Gesprächskonzerten und einem Kompositions-
und Kammermusikworkshop eingeladen werden. Dreißig junge
Kompositions- sowie Instrumentalschüler der verschiedensten
Musikschulen Sachsen-Anhalts konnten so das Entstehen und Einstudieren
neuer Musik auf professionellste Weise erfahren. Kompositionsskizzen
wurden unmittelbar zum Klingen gebracht, die Schüler bekamen
Hilfestellungen zur Notation und die Erarbeitung Neuer Musik wurde
den jungen Musikern lebendig erläutert. Musikschüler,
die sich für eine Profi-Laufbahn entscheiden, werden im MKM
optimal auf ein Studium vorbereitet. Im Rahmen der Hochbegabtenförderung
werden regelmäßig namhafte Musiker und Pädagogen
engagiert. Meisterkurse wurden bisher bestritten vom New Yorker
Violinisten Lewis Kaplan (Juilliard School), vom Gitarristen und
gefragten Hochschullehrer Frank Bungarten, vom georgischen Pianisten
Revaz Tavadze und der Klarinettistin Sabine Meyer.
Auf die instrumentalpädagogische Fortbildungssituation der
Musiklehrer in Sachsen-Anhalt hat sich das MKM besonders eingestellt.
Mehr und mehr trifft auch für dieses Bundesland die Situation
zu, dass die Quote von fest angestellten Musiklehrern im Lande
sinkt. Fort- und Weiterbildung wird oft nicht im notwendigen Maße
wahrgenommen, da es für feste und freie Instrumental- und
Vokalpädagogen keine Verpflichtung zur Weiterbildung gibt.
Hier will das MKM ansetzen und mit besonders namhaften Dozenten,
ebenso wie bei der Hochbegabtenförderung, die Weiterbildung
der Pädagogen gewährleisten. So war der Kurs zur musikalischen
Früherziehung für Instrumentallehrer und Kindergärtnerinnen
mit Dorothee Kreusch-Jakob dreifach überbucht und musste wiederholt
werden. Die dritte Veranstaltung wurde unverständlicher Weise
nicht mehr vom Landesverwaltungsamt finanziert, sie wurde kurzerhand
als reine Konservatoriumsveranstaltung organisiert.
Des Weiteren bot das Kompetenzzentrum einen Grundlagen- und einen
Aufbaukurs für Dirigenten und Ensembleleiter an jeweils fünf
aufeinander folgenden Wochenenden an. Der österreichische
Dirigent und 1. Kapellmeister der Oper Magdeburg, Alexander Steinitz,
konnte als Dozent gewonnen werden und die praktische Umsetzung
der „trockenen Theorie“ gewährleisteten die Schönebecker
Kammerphilharmonie sowie das Orchester der Magdeburger Musikfreunde.
Als zentrale Aufgabe sieht das MKM die Neue Musik. Eine besondere
Rolle spielt hier das im Aufbau befindliche Musikinformationszentrum
für Zeitgenössische Musik unter der Koordination der
Musikwissenschaftlerin Kerstin Hansen. Hier soll eine Anlaufstelle
für alle geschaffen werden, die sich mit zeitgenössischer
Musik beschäftigen, sie ausüben, sie schaffen, sie lehren
oder sich einfach dafür interessieren. Spezielle Hilfestellungen
für Lehrer und Studenten werden künftig bereitgestellt,
die Vermittlung von Noten sowie Kontakte zu Komponisten aus Sachsen-Anhalt
sollen organisiert werden. Realisiert wurde bereits die Produktion
einer CD mit Kompositionen der drei Komponisten Stojan Stojan-tschew,
Klaus-Dieter Kopf und Dieter Nathow. Nicht nur dem Defizit an Einspielungen
wird damit entgegnet, die Produktion soll auch der Vermittlung
Neuer Musik an allgemein bildenden Schulen dienen. Speziell für
Schüler wurde eine zweite Variante der CD mit 60 Tracks produziert,
die die Musik der drei Komponisten bis ins kleinste Detail seziert.
Einzelne Instrumentenparts werden solistisch herausgearbeitet,
sodass die Schüler an den Aufbau des Gesamtwerkes Schritt
für Schritt herangeführt werden. Derzeit wird ein Begleitheft
für Lehrer erarbeitet. Es soll didaktische Hinweise geben,
einzelne Hörbeispiele in Noten darstellen und ausführliche
Analysen liefern. Ein Workshop, an dem die Komponisten, der Dirigent
und ein Fachberater teilnehmen, wird im Oktober interessierten
Musiklehrern den Umgang mit der CD erläutern.
In Zusammenarbeit mit Studenten der Sektion Informatik der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg ist ein weiteres Groß-Projekt des MKM geplant:
eine Datenbank, die alle Komponisten der Gegenwart und Vergangenheit
Sachsen-Anhalts umfangreich erfassen soll. Und perspektivisch gesehen
wollen die Informatik-Studenten gemeinsam mit dem Musikinformationszentrum
ein Notationsprogramm speziell für zeitgenössische Musik
entwickeln.
Sachsen-Anhalts Kultusministerium fördert die umfangreiche
Arbeit des MKM und des Informationszentrums für Zeitgenössische
Musik mit etwa 250.000 Euro im aktuellen Haushaltsjahr. Nach dem
Prinzip der Fehlbedarfsfinanzierung müssen jedoch entstandene
Einnahmen aus Veranstaltungen zurückerstattet werden. Helmut
Keller, Leiter des Konservatoriums und des MKM, fordert deshalb
für die Folgejahre Planungssicherheit und zumindest die Beibehaltung
der bisherigen Fördermittel.
Eine weitere Forderung ist allerdings eminenter: alle Aktivitäten
im MKM wurden bisher nebenamtlich, in der Freizeit und mit geringen
Teilzeit-Deputanten bewältigt. Deshalb sollte nicht nur der
unangemessen hohe Bürokratieaufwand im jährlichen Projektgenehmigungsverfahren
deutlich reduziert werden, sondern vor allem die Personalsituation
positiv verändert werden. Gerade im Hinblick auf die Schließung
des Instituts für Musik an der Universität Magdeburg
im Jahr 2005 ist die Forderung Helmut Kellers nach Kontinuität
im noch jungen Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt nachvollziehbar
und verständlich.