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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 35
56. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Das Schlimmste verhindern zählt auch als Erfolg
Anmerkungen zum Urheberrecht Korb II · Von Olaf Zimmermann
Am vorletzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause wurden
die Debatten zum sogenannten Korb II Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
abgeschlossen. Ein immerhin vierjähriger Diskussions- und
Beratungsprozess kommt damit zu einem doch noch positiven Ende.
Denn: Die Verhinderung des Schlimmsten ist auch ein Erfolg.
Nachdem in der 14. Wahlperiode sehr zügig – fast genau
in dem von der EU gesetzten Rahmen – ein Teil der EU-Richtlinie
zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (Korb I) umgesetzt
wurde, wurde in der 15. Wahlperiode mit den Arbeiten am sogenannten
Korb II Urheberrecht in der Informationsgesellschaft begonnen.
In der zweiten Jahreshälfte 2003 hatte das Bundesjustizministerium
einen Fragenkatalog vorgelegt, zu dem die interessierten Kreise
Stellung nehmen sollten. Anschließend bildete das Bundesjustizministerium
zahlreiche Arbeitsgruppen teilweise mit Unterarbeitsgruppen, in
denen spezifische urheberrechtliche Fragen von Verbandsvertretern
sowie weiteren Experten intensiv debattiert wurden. Es wurde dabei
der Versuch unternommen, bereits im Vorfeld des Referentenentwurfs
möglichst viele Positionen einzuholen.
Der Arbeitsauftrag einiger Arbeitsgruppen reichte dabei über
das Thema Urheberrecht in der Informationsgesellschaft hinaus.
Es sollte ausgelotet werden, ob weitere offene Fragen in einem
Gesetzespaket zusammen mit den anstehenden Themen von Korb II gelöst
werden sollten. So befasste sich eine Arbeitsgruppe mit Ausstellungsvergütungen
für Bildende Künstlerinnen und Künstler, eine andere
mit dem Künstlergemeinschaftsrecht. Letztlich wurde dann doch
die Entscheidung getroffen, sich mit den originären Themen
zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft
zu befassen. Ende des Jahres 2004 lag der erste Referentenentwurf
des Bundesjustizministeriums vor und sorgte für viel Empörung.
Insbesondere die vorgeschlagenen Regelungen zur Vergütungsabgabe
stießen sowohl bei den Urhebern und anderen Rechteinhabern
als auch bei der Geräteindustrie auf Widerstand. Sahen die
einen nicht mehr gewährleistet, dass sie tatsächlich
eine angemessene Vergütung für das erlaubte Kopieren
ihrer Werke erhalten, beschworen die anderen Wettbewerbsnachteile
gegenüber dem Ausland. Bei der Cebit 2005 machte Bundeskanzler
Schröder dann den Computerherstellern und -importeuren über
die bisherige Regelung hinausgehende weitreichende Zugeständnisse.
Eine Vergütungspflicht sollte erst dann entstehen, wenn die
Geräte zu mindestens zehn Prozent für urheberrechtlich
relevante Vervielfältigungen genutzt werden. Darüber
hinaus sollte die Abgabe auch noch auf fünf Prozent des Gerätepreises
gedeckelt werden. Diese Zusagen von Kanzler Schröder stießen
auf scharfe Kritik bei den Urhebern und Rechteinhabern. Sie wurden
auf Grund der vorzeitigen Neuwahlen im Herbst 2005 nicht mehr im
Parlament behandelt. Die meisten waren sehr erstaunt, dass, nachdem
bereits der erste Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft auf
harsche Kritik bei den Urhebern stieß, im zweiten Referentenentwurf
aus der 16. Wahlperiode die Zusagen von Bundeskanzler Schröder
tatsächlich aufgenommen wurden, obwohl inzwischen Angela Merkel
Bundeskanzlerin war. Der Anfang des Jahres 2006 vorgelegte Zweite
Referentenentwurf war daher Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen.
Der Deutsche Kulturrat hat wiederholt deutlich gemacht, dass,
wer A zur Privatkopie sagt, auch B zu einer angemessenen Vergütung
der Urheber und anderen Rechteinhaber sagen muss. Im November 2006
führte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags drei Anhörungen
zum Gesetzesvorhaben durch. Eine Anhörung befasste sich ausschließlich
mit der Vergütungsabgabe. Auch hier war die Kritik an den
Vorschlägen der Bundesregierung von Seiten der Urheber überdeutlich.
Letztlich scheinen die Argumente der Kritiker die Abgeordneten
des Deutschen Bundestags überzeugt zu haben. Der Rechtsausschuss
hat den Gesetzesentwurf sehr gründlich beraten und diskutiert.
Dabei sind grundlegende Veränderungen herausgekommen.
Wesentlich ist, dass die starren Grenzen von zehn Prozent mindestens
urheberrechtsrelevanten Kopien für das Greifen der Vergütungsabgabe
und die Beschränkung der Abgabe auf fünf Prozent des
Gerätepreises herausgenommen sind. Schon vor den Anhörungen
zog die Bundesregierung, nach heftigen Protesten, die sogenannte „Bagatellklausel“ zurück.
Dieses ist ein wichtiger kulturpolitischer Erfolg, der nicht kleingeredet
werden sollte. Dennoch scheint die Zeit, in der mit tatsächlichen
Verbesserungen für die Urheber im Urheberrecht zu rechnen
war, im Moment an ein Ende gekommen zu sein. Es geht nun darum,
das Schlimmste zu verhindern.
Der dritte Korb Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
wurde anlässlich der Bundestagsdebatte zu Korb II schon gepackt
und es zeigte sich, dass die gefundenen Kompromisse zur On-the-spot-consultation
bereits infragegestellt werden. Erneut steht die Frage im Raum,
wie mit den Forderungen nach Open Access umgegangen wird. Wissenschaftler
fordern hier weitreichende Regelungen zur kostenlosen Online-Nutzung
von Literatur und verweisen darauf, dass diese Literatur erst dank öffentlicher
Förderung entstehen konnte und damit frei zugänglich
sein sollte. Verlage unterstreichen zu Recht, dass es damit für
sie uninteressant wird, in Wissenschaftsliteratur und speziell
in Zeitschriftendatenbanken zu investieren.
Und auf der dritten Seite stehen die Bibliotheken, die sich als
Informationsvermittler profilieren. Das Urheberrecht wird den Kulturbereich
also auch weiterhin intensiv beschäftigen. Die zentrale Prämisse
muss dabei sein, dass die Urheber und Rechteinhaber im Mittelpunkt
der Debatte stehen. Denn um ihre Interessen, Rechte und Ansprüche
geht es im Urheberrecht.