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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 44
56. Jahrgang | September
Rezensionen-CD
Nach dem Sommer ist vor dem Sommer
Populäres: aktuelle Neuerscheinungen
Kein Sommer bis heute. Vielleicht ein phonophiler Sommer? Mit
Platten? Neuen Künstlern? Schon. Gravenhurst mit „The Western
Lands“ zum Beispiel. Eine Songwriterband mit Kopf namens
Nick Talbot. Die Karriere der Band ist umweht von Schicksal, Tod
und gescheiterten Träumen. So klingt es: Zarter Indie-Sound.
Mit rauen Höhen und romantischen Schwächen. Gerne auch
mal melancholisch. Hauptsächlich werden jedoch die Instrumente
gestreichelt und liebkost. Brüchig dazu gesungen. Erbarmend
oft. Leichter Country-Einschlag. Und jederzeit offen. Für
neue Seelenqualen. Wunderbares Herbst-Intro (www.gravenhurstmusic.com).
Nicht neu, dennoch anschaffenswert: Old Skoöl of Rock, eine
so genannte Kompilation, die jedoch als Zeitreise wirtschaftet.
Zu hören sind auf einer Doppel-CD beziehungsweise auch DVD
(dann zu sehen und mit den aussagekräftigsten Videos der damaligen
Zeiten) Klassiker der Hardrockmusik. Als da wären Kiss, Cinderella,
Scorpions, Great White, Rainbow, Extreme, Skid Row, Thunder, Whitesnake,
Motörhead oder Ronnie James Dio. Zum Auffrischen der Gehirnzellen
und Erinnern an gute Tage sehr zu gebrauchen (www.oldskoolofrock.com).
Nick Drake starb 1975. Natürlich, wie sich das für ein
musikalisches Genie gehört, zu früh, an einer Überdosis
und verkannt. Seit sein Song „Pink Moon“ in einem Werbespot
abgespielt wurde, geht es mit den Plattenverkäufen steil bergauf.
Das Album „Family Tree“ wartet nun mit Aufnahmen auf,
die sein Schaffen bis 1969 umfassen. Schnell wird klar, dass Nick
Drake extrem brillant war. Drake interpretiert traditionelle Bluessongs,
covert Bob Dylan oder lässt Mutter und Schwester im Hintergrund
singen. Eine wahnsinnig belastende Atmosphäre, die sich da
auftut. Und man tat gut daran, die ursprüngliche Tonlandschaft
nicht zu digitalisieren oder nachzubearbeiten. Es klingt sicher
oft dosig, aber ohne diesen Sound-Schwamm, wäre das alles
nichts wert. Unbedingt versuchen und nicht jammern (www.nickdrake.com).
Mit Claudia Koreck hat man es leicht. Sie versucht auf „Fliang“ (hochdeutsch:
fliegen) erst gar nicht, jemand anderes zu sein. Gerade heraus
erzählt sie ihre Geschichten in bayerischem Dialekt. Drunter
packt sie allerdings nicht den sonstigen, dieser Musikart verpflichtenden,
Dämmer-Blues, sondern spielt lässig mit Pop-Akkorden,
die frisch sind und Geborgenheit vermitteln. Die Fähigkeit,
sowohl der Musik als auch den Texten etwas abgewinnen zu können,
das scheint den Charme dieses Albums auszumachen. Und wer mit Hubert
von Goisern und Foreigner auf der Bühne steht, bürgt
auch für ein breites Einzugsgebiet an Interessenten. Auch
für Nicht-Angehörige des Bayerischen Königreichs
vermittelbar (www.claudia-koreck.de).
Das wohl phänomenalste Album legt in dieser Periode jedoch
sicher Chris Field vor. „Powis Square“ überrascht
in jeder Sekunde. Rock-’n’-Roll-Gitarren, dazu Bläser
und Streicher, Duette, Slidegitarre, aber auch Jazzakkorde oder
dezente Beatles-Anleihen ergeben ein faszinierendes Album zwischen
Zeitgeist, Moderne und mondäner Attitüde. Chris Field
erweist sich als kompletter Musiker, Songwriter, Produzent und
Visionär. Sein nasal rotziger Gesang ist seit langem das Frechste,
was diese Branche gehört hat. Und dazu kennt er die Grenzen
seiner Songs. Nie zu viel, nie überzogen, sonden stets genau
richtig. Für Melancholiker geeignet. Aber auch für die
mit wahrem Musikerherzen (www.chris-field.com).
Ganz aus dem Westen Englands (Cornwall) werfen sich Thirteen
Senses ins Getümmel. Geprägt von den Melodien des Songwriters
Will Young ergibt sich ein stimmiges britisches Bild. Viele – jedoch
oft gezähmte – geschrubbte Gitarren, gesanglich an Vorbilder
wie Keane oder Coldplay gelehnt, schultern die Briten ein astreines
Britpopalbum der neueren Generation. Leicht romantisch, jedoch
nicht zu kindisch und schon mit gehobenem Anspruch im Dunstkreis
privater Arztpraxen. Durchaus hörenswert in einsamen Stunden
(www.thirteensenses.com).
Sven Ferchow
Diskographie
Gravenhurst – The Western Lands
(14.09.2007, Warp/Rough Trade)
V.A. – Old Skoöl of Rock
(24.07.2007, Universal)
Nick Drake – Family Tree
(24.08.2007, Universal)
Claudia Koreck – Fliang
(17.08.2007, Lawine)
Chris Field – Powis Square
(24.08.2007, FOD Records)
Thirteen Senses – Contact (24.08.2007, Mercury)