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nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 34
56. Jahrgang | September
Deutscher Kulturrat
Geisteswissenschafts-Studium – und dann?
Der Deutsche Kulturrat veranstaltet Kongress zum Arbeitsmarkt
Kultur · Von
Gabriele Schulz
Das Jahr 2007 ist das Jahr der Geisteswissenschaften. Nachdem
in den Vorjahren die Naturwissenschaften besonders im Blick waren – Jahr
der Physik 2000, Jahr der Lebenswissenschaften 2001, Jahr der Geowissenschaften
2002, Jahr der Chemie 2003, Jahr der Technik 2004, Einsteinjahr
2005, Jahr der Informatik 2006 – stehen nun die Geisteswissenschaften
im Mittelpunkt des Interesses. Dabei handelt es sich um ein breites
Spektrum an Disziplinen von der Anglistik bis hin zur Zentralafrikanischen
Philologie. So genannte große Fächer wie Germanistik
oder Geschichte zählen dazu, aber auch Spezialdisziplinen
wie die Byzantistik oder Musikwissenschaften. Gemeinsam ist diesen
Disziplinen, dass sie die kulturelle Grundlagen der Menschheit
reflektieren.
Das Jahr der Geisteswissenschaften soll die Vielfalt der geisteswissenschaftlichen
Disziplinen deutlich machen und vor allem aufzeigen, dass Geisteswissenschaften
keine l’art pour l’art-Veranstaltung sind, sondern
vielmehr Wissen, Geschichte und Kultur zugänglich machen.
Geisteswissenschaftler erschließen und interpretieren die
Welt.
In den vergangenen Jahren litten die Geisteswissenschaften unter
einem schlechten Image. Die Arbeit von Geisteswissenschaftler schien
entbehrlich zu sein, an den Universitäten mussten insbesondere
die geisteswissenschaftlichen Studiengänge – obwohl
im Vergleich zu den Naturwissenschaften eigentlich preiswert – Kürzungen
hinnehmen, freiwerdende Stellen wurden nicht wieder besetzt, kurzum
gerade diese Disziplinen waren die Leidtragenden einer veränderten
Wissenschaftspolitik. Erst das Manifest der Geisteswissenschaften,
Ende des Jahres 2005 vorgelegt von Angehörigen der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften, und die Empfehlungen des Wissenschaftsrates
zur Entwicklung und Förderung der Geisteswissenschaften aus
dem Januar 2006 eröffneten einen neuen Blick auf die Geisteswissenschaften.
Das vergleichsweise schlechte Image der Geisteswissenschaften
liegt auch darin begründet, dass gerade Geisteswissenschaftler bereits
seit vielen Jahren auf dem Arbeitsmarkt schlecht Fuß fassen
konnten. In öffentlichen Kultureinrichtungen wurden Stellen
abgebaut oder freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt. Ein wichtiges
Arbeitsmarktsegment für Geisteswissenschaftler verengte sich
daher. Gelang es in den 70er-
Jahren des letzten Jahrhunderts noch mit den soziokulturellen Zentren,
Geschichtswerkstätten und anderen Initiativen Arbeitsplätze
für Geisteswissenschaftler zu schaffen – wenn auch zumeist
unständig und mit schlechter Bezahlung – so engten sich
diese Möglichkeiten in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts
sowie den ersten Jahren in diesem immer mehr ein.
Ein wichtiger Trend ist daher, dass Geisteswissenschaftler sich
selbständig machen und als Dienstleister für Kultureinrichtungen
aber auch Medien tätig werden.
Angesichts der Veränderungen im Arbeitsmarkt Kultur und weil
nach wie vor gerade der Kulturbereich ein wichtiges Arbeitsfeld
für Geisteswissenschaftler ist, veranstaltet der Deutsche
Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, im
Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften einen Kongress zum
Thema „Kultur als Arbeitsfeld und Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler“.
Bei dem Kongress soll ausgelotet werden, wie sich dieses Arbeitsfeld
und dieser Arbeitsmarkt verändert. Welche Qualifikationen
von Geisteswissenschaftlern erwartet werden, welche Beschäftigungsmöglichkeiten
für Geisteswissenschaftler im Kulturbereich es gibt und welchen
Stellenwert selbstständige Tätigkeit hat.
Nach der Kongresseröffnung durch Bundesbildungsministerin
Anette Schavan und einer Einführung durch den Vorsitzenden
des Deutschen Kulturrates Max Fuchs wird Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor
der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, über
das Thema „Museen und Sammlungen – (k)ein Elfenbeinturm
für Geisteswissenschaftler“ referieren und Simone Eick,
Direktorin des Deutschen Auswandererhauses Bremerhaven, stellt
die Geschichtsvermittlung und Erinnerungskultur abseits von Metropolen
vor.
Mit dem Thema Freiberuflichkeit für Geisteswissenschaftler
setzen sich Tamara Tischendorf, freie Hörfunkjournalistin,
Beate Schreiber, Forschungsinstitut Facts & Files und Olaf
Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
auseinander.
Karl Ermert, Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung
Wolfenbüttel und Peter Reifenberg,
Direktor der Akademie des Bistums Mainz, setzen sich mit der Frage
auseinander, inwiefern Erwachsenenbildungseinrichtungen Arbeitsplätze
für Geisteswissenschaftler schaffen und welchen Beitrag die
Akademien zur Weiterbildung leisten.
Karin Drda-Kühn, Verein für Kultur und Arbeit Mainz,
Roland Kanz, Universität Bonn, Ingolf Warnke, Universität
Bamberg und Wolfgang Schmitz, Hörfunkdirektor des WDR, diskutieren
nach ihren Einführungsreferaten, inwiefern die Ausbildung
von Geisteswissenschaftlern und der spätere Arbeitsmarkt zwei
getrennte Welten sind.
Stefan Schaede, Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft,
fasst die Kongressergebnisse zusammen.Das genaue Programm der Tagung
kann unter: http://www.kulturrat.de/geisteswissenschaften.pdf abgerufen
werden. Telefonische Rückfragen sind unter 030/247 280 14
möglich. Anfragen per Email unter: post@kulturrat.de Der Kongress
wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der
Gerda Henkel Stiftung unterstützt. Der Deutsche Kulturrat
wird auch nach dem Kongress das Thema Arbeitsmarkt Kultur weiterverfolgen.
Bereits seit Anfang dieses Jahres befasst sich der Fachausschuss
Arbeit und Soziales des Deutschen Kulturrates intensiv mit der
Fragestellungen. Voraussichtlich im Dezember wird der Deutsche
Kulturrat eine Stellungnahme zu dem Thema vorlegen.