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VdM
nmz-archiv
nmz 2007/09 | Seite 26
56. Jahrgang | September
Verband deutscher Musikschulen
Menschen mit Behinderung gehören dazu
Instrumentalspiel mit Menschen mit Behinderung an Musikschulen
Seit fast 30 Jahren engagiert sich der Verband deutscher Musikschulen
(VdM) für Menschen mit Behinderung. 700 Musikschullehrerinnen
und -lehrer haben sich bislang in einem zweijährigen Berufsbegleitenden
Lehrgang zum Musiklehrer für Menschen mit Behinderungen weiterqualifiziert.
Gemeinsam mit mittlerweile 7.000 Schülerinnen und Schülern
mit Behinderung an fast 500 öffentlichen Musikschulen stehen
sie für den Anspruch der Mitgliedsschulen des VdM, ein Angebot
für alle Menschen bereit zu halten.
Das Engagement des VdM gründet sich auf der Überzeugung
und Untersuchungen von Prof. Dr. Werner Probst (†), dass
alle Menschen grundsätzlich „musikalisch“ sind,
weil sie in der Lage sind, Musik zu erleben. Mit seinem Modellversuch
trat Probst 1979 hierfür den Beweis an und öffnete eine
Tür für Menschen, die bis dato keinen Zugang zu Musikschulen
gefunden hatten.
Vielerorts gibt es seitdem Veränderungen. Menschen mit Behinderung sind
an vielen Musikschulen mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden.
Viele Musikschulen öffnen ihnen eine Bühne, auf der sie ihrerseits
durch ihre Leistung und Leistungsfähigkeit und ihre Lust am Musizieren
der Vision von Werner Probst Recht geben.
In nahezu allen Publikationen macht der VdM auf die Kompetenz und das Potential
der Musikschulen aufmerksam, auch für Behinderte ein anspruchsvolles und
ansprechendes Programm bereit zu halten.
Durch Fortbildungen und Fachtagungen bietet er durch seinen eigens
eingerichteten Fachausschuss und mit einem bundesweit angegliederten
Netzwerk von Fachsprechern
ein Forum, sich für diesen Bereich der Musikschularbeit aus- und weiterbilden
zu lassen.
Werner Probst konzipierte einen Lehrgang, den er „Instrumentalspiel für
Behinderte und von Behinderung Bedrohte“ nannte. Ausdrücklich schloss
er bereits vor 30 Jahren Randgruppen, Migranten oder bildungsferne Schichten
mit ein. Klassenunterricht, „jedem Kind ein Instrument“, integrative
Gruppen, Musikgarten, der offene Ganztag, schwierige, problematische Kinder,
Kooperationen mit anderen Bildungsanbietern sind Bereiche, zu denen der Berufsbegleitende
Lehrgang hilfreiche Aussagen macht. Der Lehrgang verschafft seinen Absolventen
nicht nur nötige Kompetenzen für die Musikschularbeit der Zukunft,
sondern verändert vor allem auch den Blick auf sich selbst, auf die Bedürfnisse
ihrer Schüler und die originären Aufgaben öffentlich geförderter
Musikschulen. Der bewusst zweijährig konzipierte zentrale Lehrgang des
VdM an der Akademie Remscheid ist in fünf Block- und drei Praxisphasen
gegliedert und führt zu einem zertifizierten Abschluss.
Die durch den Lehrgang vermittelten Kompetenzen weisen weit über den Bereich
des Einsatzes in der Arbeit mit Behinderten hinaus. Integrative Ansätze,
Differenzierungskompetenz und sonderpädagogische Unterrichtsprinzipien
werden für die Herausforderungen, denen Musikschulen gegenüber stehen,
immer wichtiger. Der Lehrgang vermittelt hierbei aber keine „andere Pädagogik“.
Gute Pädagogik erfährt durch die Auseinandersetzungen mit sonderpä-dagogischen
Prinzipien vielmehr eine Erweiterung ihrer Anwendbarkeit. Die Aussagen vieler
Absolventen, „sie seien jetzt auch bessere Lehrer für ihre nicht
behinderten Schüler“ bestätigen die Inhalte des Lehrganges.
Das Besondere, nämlich die Integration von Menschen mit Behinderung, wird
zur Normalität. Es erübrigt sich dann die Frage, ob man nicht lieber
ein begabtes Kind zu „Jugend musiziert“ schickt als behinderte
Schüler zu unterrichten. Jeder Schüler ist auf seine Weise eine Herausforderung
im Unterricht. Menschen mit Behinderung tragen zur Unverwechselbarkeit der
Musikschulen bei, Instrumentalspiel mit Menschen mit Behinderung ist weiterhin
ein Alleinstellungsmerkmal, das Musikschulen von anderen Anbietern auf dem
Markt unterscheidet. Doch eigentlich müssen wir nicht begründen.
Menschen mit Behinderung gehören dazu.
Der Text beruht auf einem Vortrag von Marei Rascher und Robert
Wagner, Mitglieder im VdM-Fachausschuss „Menschen mit Behinderung
an Musikschulen“, gehalten auf der Bundesversammlung des
VdM am 10. Mai 2007 in Mannheim. Die vollständige Fassung
findet sich auf der Internetseite www.musik-integrativ.de