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nmz-archiv
nmz 2002/05 | Seite 8/12
51. Jahrgang | Mai
Kulturpolitik
Noten allein machen noch keine Musik
Mit EDuR nehmen die Musikschulen den Interkommunalen Leistungsvergleich auf
Leistungsvergleich der Begriff erinnert an sportlichen Wettkampf oder an Jugend musiziert.
So gesehen ist es verständlich, dass seit kurzem ganze Musikschulen an den Start gehen, um um herausragende
Leistungen zu wetteifern. Bundesweit waren es in kurzer Zeit mehr als 50, die in den Interkommunalen Leistungsvergleich
auf der Basis eines von der Bertelsmann Stiftung und dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) entwickelten Programms
eingetreten sind. Jeweils eine überschaubare Zahl von an Größe und Struktur ähnlichen Musikschulen
tun sich in Vergleichsringen zusammen, steigen gewissermaßen in der gleichen Gewichtsklasse in den Ring.
Ein freundliches Spiel unter Kollegen, um den Klassenbesten zu ermitteln?
Sieht man die öffentlichen Musikschulen in einen anderen Wettbewerb gestellt, nämlich den des Marktes,
bekommt das Thema eine ernstere Seite. Musikschulen, die im öffentlichen Interesse einen Bildungsauftrag
zu erfüllen haben, sind dem freien Markt ein Stück weit enthoben, und zwar sehr bewusst damit
eben dieser Bildungsauftrag nicht durch merkantile Einflüsse verfälscht oder gefährdet wird.
So ermöglichen die öffentlichen Investitionen den Musikschulen, als Einrichtungen der kulturellen
Grundversorgung Aufgaben zu erfüllen, welche bildungs-, kultur- und jugendpolitisch gewollt sind. Durch
die fast allerorts knappen kommunalen Kassen wird dieser Schutzraum überschattet, dort zumal, wo das beständig
eingeforderte größere Engagement der Bundesländer immer noch auf sich warten lässt. Bereitet
der Interkommunale Leistungsvergleich also eine Entlassung der Musikschulen in den freien Markt vor?
So leicht machen die Kommunen es sich nicht, denen ein jahrzehntelanges vorbildliches Engagement für
ihre Musikschulen zu bescheinigen ist. Nicht nur für Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee
sind die Musikschulen die Basis unseres Musiklebens. Josef Deimer brachte es als Oberbürgermeister
von Landshut und damaliger Präsident des bayerischen Städtetages auf den Punkt: Eine Stadt,
die etwas auf sich hält, muss eine Musikschule haben. Dieser gesellschaftliche Auftrag der Musikschulen
ist Grundlage und Ausgangspunkt für alle damit zusammenhängenden Überlegungen. Geld für
Leistung ist auch im kommunalen Bildungs- und Kulturbereich ein geltendes Prinzip, und daran knüpft sich
bereits eine allgemein gängige Spielregel des Wettbewerbs: Den Zuschlag erhält, wer die geforderten
Qualitäten erbringen kann. Das Prinzip des Controlling, also des messenden Beobachtens, ob Ziele erreicht
werden, und des Aufzeigens von Stellschrauben, an denen andernfalls steuernd zu drehen wäre, ist in reformorientierten
Verwaltungen allenthalben eingeführt. Auch Musikschulen müssen sich daher ernsthaft umsehen.
Andererseits: So leicht machen es sich auch die Musikschulen nicht, deren Geschichte eine Geschichte ihres
Qualitätsbewusstseins ist. Seit der Gründung ihres Verbandes mit seinen strengen Richtlinien der Mitgliedschaft
einigte man sich zum Beispiel auf einen Strukturplan, entwickelte verbindliche Rahmenlehrpläne,
sorgte für Qualifizierungsmöglichkeiten für Lehrkräfte und Leitungspersonen und vieles mehr.
Und nun legt der Verband deutscher Musikschulen (VdM) gleich zwei Instrumente des Qualitätsmanagements
zum Gebrauch seiner Musikschulen vor: Das Qualitätssystem Musikschule auf der Basis des EFQM
Excellence Models und den Interkommunalen Leistungsvergleich, dem man den klingenden Namen EDuR
gab. Keineswegs also ist man gewillt, die Hände in den Schoß zu legen und die beschauliche Ruhe des
öffentlichen Gebietschutzes zu genießen. Dann wäre bald Feierabend.
Im Gegenteil stellt gerade der Interkommunale Leistungsvergleich dort einen künstlichen Wettbewerb her,
wo es keinen wirklichen gibt. Warum? Weil eben auch künstliche Konkurrenz das Geschäft belebt und
Anreize gibt. Freilich greifen kommunale Träger und Entscheidungsträger schlicht-weg zu kurz, wenn
der kommentarlose Vergleich von Kennzahlen zur schnellen Orientierung an ominösen Benchmarks
missbraucht wird, um die billigste Lösung zu fahren. Dann verkommt auch ein neues Steuerungsmodell schnell
zum neuen Dirigismus. Um an einer Kennzahl wirklich etwas erkennen zu können, bedarf es des
richtigen Umgangs mit ihr, einer Kenntnis von der Sache eben auch, die sie beschreibt. Eine Zahl zum Kostendeckungsgrad
etwa sagt wenig über die Dimension Wirtschaftlichkeit einer Musikschule, wenn nicht andere
Größen wie die der Fachbelegungen pro Unterrichtseinheit hinzugenommen werden, Hinweise
also auf die Binnenstrukturen der Musikschule und ihren Leistungsumfang. Auch jeder Betriebswirt wird seinen
Unternehmenserfolg nicht allein an der nackten Bilanz messen, sondern an der Erfüllung der Aufgaben, für
die man angetreten ist.
Daher sind vor allem auch Kenngrößen zur Dimension Auftragserfüllung Bestandteil
des EDuR-Projekts. Da geht es etwa um die Vielfalt des Angebots, den Anteil der Musikschüler
an der Einwohnerzahl oder um den jeweiligen Anteil verschiedener Unterrichtsangebote am Gesamtunterrichtsvolumen
der Musikschule. Und dies kann je nach kommunalpoli tischer Auftragslage eben durchaus recht unterschiedlich
sein. Solche Dimensionen sind unbedingt zusammen zu sehen, wenn über den Geschäftserfolg der Musikschulen
zu befinden ist. Wird also an diesem Beispiel schon deutlich, dass auch Kennzahlen etwas für Kenner sind,
dann auch ein anderes: dass festzustellende Unterschiede, Differenzen zwischen einzelnen Musikschulen nicht
per se über gut und schlecht urteilen lassen. Vielmehr reizt es, nach den Zusammenhängen,
nach Begründungen und Ursachen für die gemessenen Fakten zu fahnden. Hier nimmt von EDuR ein wünschenswerter
Vorgang der Politikberatung seinen Ausgangspunkt. Wenn seitens der Gewerkschaften kürzlich kritisiert wurde,
dass der Leistungsvergleich kaum den erhofften festen Grund liefere, der gegen Einsparungsmaßnahmen
bei Musikschulen schütze, dann wurde auch hier der vom VdM herausgegebene Zwischenbericht vorschnell und
zu kurz greifend interpretiert. Der Weg ist wie könnte es anders sein ein mühsamer.
EDuR ist keine Datenautobahn, die flott einen Computerbildschirm aufbaut, sondern ein Mosaik, dessen Einzelsteine
sorgfältig und vor allem über einige Jahre zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden müssen.
Noten allein machen eben noch keine Musik.
So aber könnten die Vergleichsberichte die politische Diskussion und Entscheidungsfindung qualifizieren,
vor allem im kommunalen Bereich, aber auch darüber hinaus, wie das landesweit angelegte EDuR-Projekt in
Sachsen-Anhalt zeigt: Hier haben die Musikschulen die Chance, mit ihren nachweislich gemessenen Leistungen das
junge Musikschulgesetz samt Fördervereinbarung argumentativ zu unterbauen.
Und es nimmt von EDuR auch ein ganz unmittelbarer Prozess der Qualifizierung von Leitungskräften an Musikschulen
seinen Ausgang: Ergebnisse werden bewusst gemacht, Ziele definiert und verfolgt und konkrete Maßnahmen
eben zielgerichteter zur Verbesserung der Zielerreichung ergriffen. Das Kernelement in diesem Management-Kreislauf
wird das Prinzip Voneinander Lernen innerhalb der schon erwähnten Vergleichsringe ein
Qualitätsmoment eigener Art.
Was aber EDuR gerade für Musikschulen noch geeigneter macht: Im Spannungsfeld zwischen Auftragserfüllung
und Wirtschaftlichkeit gerät eins nicht aus dem Blick, dass sich Musikschule wesentlich dort
ereignet, wo sich Lehrende und Lernende begegnen. EDuR berücksichtigt dies mit den beiden weiteren Zieldimensionen
Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit. Da Messgrößen hier nur
indirekte Hinweise liefern, werden davon auch nur wenige erhoben etwa die Krankheitsquote und die Fortbildungsaktivität
bei den Mitarbeitern oder bei den Schülern die Verweildauer oder der Unterrichtsausfall. Zahlen, die mit
größter Vorsicht zu interpretieren sind. Vielmehr spielen in diesem Feld Befragungen eine Schlüsselrolle:
die möglichst direkte Auskunft der mit Musikschule Befassten. Im Moment erhebt man nur die globale Zufriedenheit,
aber differenzierte Fragebögen, die dann auch eine kompatible Schnittstelle zu dem Qualitätssystem
Musikschule des VdM herstellen sollen, sind bereits in der Entwicklung.
Qualität hat zu tun mit permanentem Lernen und planvollem Verändern. Stillstand ist Rückschritt.
EDuR ist ein Motor für Veränderungen mit Blick nach vorn. Der harmonische Name dieses Managementinstruments
ist sein Programm: Vier Kreuze hat die Tonart, Erhöhungszeichen für vier Töne. Mit Berücksichtigung
der vier Zieldimensionen will der Leistungsvergleich die Qualität der Musikschulen spürbar anheben:
Zukunft hoch vier.