nmz 2002 | Seite 17-18
51. Jahrgang
Sonderausgabe
Statements
Statements
A(lbrecht) bis D(oldinger)
Gerd Albrecht Dirigent
Daniel Barenboim Dirigent
Klaus Bernbacher Rundfunkrat Radio Bremen
Heinrich Bleicher-Nagelsmann Bereichsleiter Kunst und Kultur in ver.di
Bayerischer Musikrat Wilfried Anton Präsident des Bayerischen Musikrats
Rolf Bolwin Direktor des Deutschen Bühnenvereins
Till Brönner
Jazzmusiker
Jens Cording Präsident der Gesellschaft für Neue Musik e.V.
Peter Dannenberg Intendant Hamburger Symphoniker
Marie-Luise und Christoph Dingler Mitglieder des Bundesjugendorchesters
Klaus Doldinger Jazz-Musiker
DMR in Gefahr
Worum
denn wird Deutschland von den „Kulturnationen“ beneidet?
Um die Dichte und Kraft seiner kulturellen Institutionen. Der DMR
gehört dazu. So etwas wie „Jugend musiziert“, das
Bundesjugendorchester oder das Bundesjazzorchester, um nur einige
wichtige Blöcke zu nennen, gibt es in dieser Intensität
nur bei uns.
Grund genug, darüber stolz zu sein und alles zu tun, um dieses
Gut zu erhalten. Gerd Albrecht, Dirigent
Aus der Presse habe ich erfahren, daß sich der Deutsche Musikrat
in existentiellen Schwierigkeiten befindet. Ich appelliere an die
Verantwortlichen, alles dafür zu unternehmen, daß diese
verdienstvolle Institution dem Musikleben erhalten bleibt. Viele
Solisten sowie Orchestermusiker an den ersten Pulten deutscher Spitzenorchester
sind durch die verschiedenen Fördereinrichtungen über
Jahrzehnte vom Musikrat unterstützt worden. Mit seinem Projekt
Dirigentenforum erhalten die besten deutschen Nachwuchsdirigenten
Gelegenheit, mit professionellen Klangkörpern zu arbeiten.
Dies sind nur zwei Aspekte, die unmittelbar mit meiner Arbeit zu
tun haben. Diese Förderungen suchen im internationalen Bereich
ihresgleichen, und es wäre höchst bedauerlich, wenn dem
Musikland Deutschland auf diesem Wege Schaden zugefügt würde. Daniel Barenboim
Dirigent
Quo vadis Musikrat?
Der
gegenwärtigen Lage ist eine lange schwelende Krise vorausgegangen.
Die Gründe lagen nicht in den Inhalten, sondern im zentralen
Management der letzten nahezu zehn Jahre. Darüber hinaus ist
die Vergabepraxis der Zuschussgeber zu kritisieren. Die Mitwirkung
der Länder durch die KSL bei der Ausschüttung von Bundesmitteln
hat sich als wenig hilfreich erwiesen. Das muss politisch geändert
werden! Zurück zu den Inhalten und Aufgaben. Professor Dr.
Reinhold Kreile (GEMA) hat es in Berlin auf den Punkt gebracht:
„Wenn es den Musikrat nicht geben würde, müsste
man ihn jetzt gründen!“ Nun haben wir „Gott sei
Dank“ die ehrwürdige Dachorganisation des Deutschen Musiklebens
seit fast 50 Jahren. Die Mitglieder des DMR waren in dieser Zeit
mit Erfolg auf vielen Gebieten gesamtstaatlich tätig und haben
dem Staat und der Gesellschaft damit dringend notwendige Aufgaben
ehrenamtlich abgenommen. Heute ist es an der Zeit ein neues Kapitel
aufzuschlagen, inhaltliche Perspektiven und organisatorische Strukturen
für die Zukunft zu entwickeln und vor allem die junge Generation
und das kreative Musikschaffen weiterhin zu fördern, aber auch
durch das Musizieren Lebenshilfen zu geben. Ich habe Vertrauen in
das Präsidium und in den neuen Generalsekretär Thomas
Rietschel. Klaus Bernbacher
Rundfunkrat Radio Bremen
Musikrat erhalten
„Ohne
Musik“, so weiland Nietzsche, „wäre das Leben ein
Irrtum.“ Ohne den Deutschen Musikrat (DMR) wäre das Musikleben
der BRD nachhaltig geschädigt. Natürlich hat es Fehler
und Versäumnisse gegeben. Aber doch wohl auf beiden Seiten.
Bei den Geldgebern und Geldnehmern. Wie Licht und Schatten verteilt
sind, darüber kann und muss man streiten. Doch dabei darf man
nicht stehen bleiben. Entscheidend ist Sicherung dessen, was man
hat. Entscheidend ist ein zukunftsfähiges Konzept, das Vorsorge
gegen Fehlentwicklungen der Vergangenheit trifft. Unter der Leitung
des neuen Generalsekretärs Thomas Rietschel, der erst seit
wenigen Monaten im Amt ist, wurden die Fehlentwicklungen und falschen
Strukturen der letzten Jahre analysiert und erste Maßnahmen
für ein Sanierungskonzept entwickelt. Die Fachgruppe Musik
in ver.di ist der Auffassung, dass bei aller berechtigten Kritik
an den Managementfehlern der Vergangenheit und notwendigen Sanierungsmaßnahmen,
die Existenz des Deutschen Musikrates nicht in Frage gestellt werden
darf. Allein die Zerschlagung der für den jugendmusikalischen
Bereich wichtigen Projekte und Strukturen des DMR würde langfristige,
gravierende Schäden verursachen. Den Betrag, um den es bei
der Schuldenbegleichung des DMR geht, würden Banker nicht einmal
als peanuts bezeichnen. Aber auch trotz einschlägiger Haushaltsdefizite
ist die Summe nicht so groß, dass man den entstehenden Flurschaden
einer Insolvenz des DMR dafür in Kauf nehmen darf. Die Forderung
an die neue Kulturstaatsministerin, an die Jugend-und Familienministerin
und andere Kulturpolitiker lautet: Retten Sie den Deutschen Musikrat,
sichern Sie eine nachhaltige Entwicklung des Musiklebens! Heinrich Bleicher-Nagelsmann
Bereichsleiter Kunst und Kultur in ver.di
DMR darf nicht sterben!
Mit einem leidenschaftlichen Appell hat sich der Bayerische Musikrat
(BMR) an die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Frau Renate Schmidt, MdB, gewandt, die drohende Insolvenz
des Deutschen Musikrates (DMR) durch einen Erlass von rückgeforderten
Bundesmitteln abzuwenden. Wie bei der jüngsten DMR-Generalversammlung
in Berlin offenkundig geworden ist, hat der Deutsche Musikrat derzeit
ein Defizit von rund 500.000 Euro. Etwa die Hälfte davon bezieht
sich auf Rückforderungen von Bundesmitteln. Die Mitglieder
der Generalversammlung, darunter auch die 16 Landesmusikräte,
sind von sich aus bereit, alles zu unternehmen, um über die
nächsten Jahre hin das hälftige Defizit abzutragen. Hierfür
jedoch ist es unverzichtbar, dass dem Deutschen Musikrat die Rückforderungen
durch die öffentlichen Zuwendungsgeber erlassen werden. Der
DMR wäre ohnehin nicht in der Lage, diese Summe aufzubringen
und müsste Insolvenz anmelden, was dem öffentlichen Haushalt
kein zusätzliches Geld einbringen würde. BMR-Präsident
Wilfried Anton versicherte dem DMR seine unverbrüchliche Solidarität.
„Der Konkurs des Deutschen Musikrates wäre eine Katastrophe
von nationalem Rang mit verheerenden Auswirkungen. Die Netzwerkstruktur
des deutschen Musiklebens mit ihrer internationalen Verflechtung
ist dann auf irreparable Weise zerstört, der Ruf unserer Bundesrepublik
als Kulturnation angeschlagen“, so der Präsident
Bayerischer Musikrat
Wiege für Talente
Über einen Mangel an schlechten Nachrichten aus dem Kulturleben
kann man in den letzten Wochen wahrlich nicht klagen. Die Angst
vor der Schließung oder der Zusammenlegung von Kultureinrichtungen
geht um. Hintergrund ist fast immer: Es fehlt das liebe Geld. Fast
kaum zu glauben in einer Republik, die sich jährliche öffentliche
Ausgaben von einer Billion EURO leisten kann. Also müsste eine
solche Republik doch auch in der Lage sein, den Fortbestand einer
allseits anerkannten Institution wie dem Deutschen Musikrat zu sichern.
Denn eines steht ohne Zweifel fest, das deutsche Musikleben braucht
den Deutschen Musikrat. Er gehört zu den anerkannten Kulturinstitutionen
der Nachkriegsgeschichte unserer Republik. Er bündelt die zahlreichen
Initiativen, die es aus den verschiedenen Verbänden des Musiklebens
gibt. Vor allem die Wettbewerbe, die der Deutsche Musikrat veranstaltet,
sind zu einer Institution besonders für junge Musiker und Sänger
geworden. Hier liegt die Wiege für viele Talente, die dann
im professionellen Musikleben erfolgreich sind. Ohne eine solche
Jugendarbeit, die von den im Deutschen Musikrat zusammengeschlossenen
Verbänden geleistet wird, fehlten uns wichtige Impulse für
das Heranbilden des künstlerischen Nachwuchses. Also müssen
nun alle Beteiligten Anstrengungen unternehmen, um das Schiff „Deutscher
Musikrat“ mit Erfolg durch schwere See einer finanziellen
Misere in den sicheren Hafen zurückzulenken. Rolf Bolwin
Direktor des Deutschen Bühnenvereins
Ungerechtfertigt
Als
Musiker, der in seiner Ausbildung nicht zuletzt durch die einzigartige
Möglichkeit der Teilnahme an den Veranstaltungen des Bundesjazzorchesters
gefördert wurde, habe ich mit Befremden von der Gefahr gehört,
dass die öffentliche Hand die Fördermittel für den
Deutschen Musikrat in Frage stellt.
Seit Peter Herbolzheimer die Arbeit mit dem BuJazzO aufnahm, hat
sich die Zahl und vor allem die Qualität der jungen deutschen
Jazzmusiker auf ein Niveau erhöht, das Deutschland eine eigene
Stimme im internationalen Konzert verleiht.
Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass der erreichte
Stand durch einen voreiligen und aus der Sicht der geleisteten musikalischen
Arbeit ungerechtfertigten Schritt leichtfertig aufgegeben wird. Till Brönner, Jazzmusiker
Fatale Folgen
Wie
kaum eine andere Organisation nimmt der Deutsche Musikrat bürgerliche
Verantwortung wahr und ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil
unseres deutschen Kulturlebens.
Ein geschwächter Deutscher Musikrat hätte fatale Folgen
für die gesamte deutsche Musiklandschaft. Er ist ein Verbund
der unterschiedlichsten Arbeitsfelder, sowohl in der Laienmusik,
wie im Profibereich und ist Arbeitsgrundlage der meisten musikalischen
Vereinigungen. Erst durch ein derartiges Netzwerk werden innerhalb
der Musik gewünschte Genreübergriffe und vor allen Dingen
die Förderung des kreativen Nachwuchses sinnvoll gesichert.
In der gesamten Zeit seiner Existenz hat der Deutsche Musikrat zum
Wohl der Vermittlung, Förderung und Gestaltung unserer Gesellschaft
maßgeblich gewirkt. Die kontinuierlich neu entwickelten und
der Zeit angepassten Konzepte bergen neben den großen Chancen
aber auch immer gewisse Risiken. Eine Notlage, wie die in diesem
Jahr vorgefundene, ist vor dem Hintergrund dieses gewünschten
unternehmerischen Risikos zu sehen. Nur ein organisatorisch wie
finanziell kraftvoller Musikrat ist fähig, die gesellschaftlichen
Bedürfnisse zu erkennen, flexibel zu reagieren und der deutschen
Musikkultur den Stellenwert einzuräumen, der ihr angemessen
ist. Jens Cording, Präsident der Gesellschaft für Neue Musik
e.V.
Mittel sicherstellen
Die
Arbeit des Deutschen Musikrates, ohne dessen Tätigkeit das
heutige musikalische Leben in vielen Bereichen ärmer werden
würde, muss weitergehen! Staatsministerin Dr. Christina Weiss
wird schnellstens eine Reform anstoßen müssen und zunächst
die Zahlungsfähigkeit des Musikrates, auch durch öffentliche
Mittel, sicherstellen müssen. Als Intendant eines Orchesters
habe ich, wie viele andere, oft die Unterstützung des Musikrates
genossen bei der Aufführung zeitgenössischer Werke und
bei der Verpflichtung junger deutscher Solisten und Dirigenten.
Komponisten, Instrumental- und Vokalsolisten, sowie Dirigenten,
vorwiegend die jüngeren würden es in Zukunft viel schwerer
haben, würde der Deutsche Musikrat ihre Arbeit nicht länger
unterstützen. Peter Dannenberg
Intendant Hamburger Symphoniker
Beispiellos
Als
werdende Musikerin habe ich schon lange und viel vom Deutschen Musikrat
profitiert: Etliche Teilnahmen an „Jugend musiziert“
oder die Mitgliedschaft im BJO. „Jugend musiziert“ ist
beispiellos unter den Wettbewerben und deswegen schon nicht mehr
wegzudenken aus der Nachwuchsförderung. Ich denke, ohne „Jumu“
wäre ich nie auf einen „grünen Zweig“ gekommen,
hätte nie erfahren, wie weit andere in meinem Alter auf ihrem
Instrument sind und wo ich stehe, was ich noch alles leisten kann.
Auch im BJO lernt man soviel, was man sofort und später gebrauchen
kann. Somit habe ich dem DMR viel zu verdanken. Andererseits sind
fast 10 Jahre Managementfehler doch sehr erschreckend. Aber der
DMR ist die Institution für Kultur, Nachwuchsförderung
und Musik überhaupt und nicht mehr aus dem Musikleben Deutschlands
wegzudenken. Marie-Luise und Christoph Dingler
Mitglieder des Bundesjugendorchesters
Schmerzhaft
Es
gibt Bereiche in unserem Musikleben, die absolut auf die Ägide
einer übergeordneten Instanz angewiesen sind. Hierzu gehört
der Jazz.
Unter diesem Aspekt hat sich der Deutsche Musikrat mit der Verwirklichung
des Bundesjazzorchesters („BuJazzO“) in meinen Augen
in höchstem Maße verdient gemacht und dieses in besonderer
Weise, wenn man bedenkt, dass hier der Grundstein für das künstlerische
Weiterkommen einiger der erfolgreichsten Nachwuchsjazzer gelegt
wurde.
Diese Förderung ist von besonderem Gewicht auch unter dem
Gesichtspunkt – und hier spreche ich aus eigener Erfahrung
–, dass sich Jazzmusiker in Deutschland letztendlich auf dem
freien Markt behaupten müssen und sich eben nicht wie die Kollegen
der sogenannten Hochkultur in den einigermaßen sicheren Hort
von festbestallten Symphonie-, Opern-, Theaterensembles et cetera
begeben können. Insofern würde ich die Einstellung der
Arbeit des Deutschen Musikrates für einen entscheidenden und
schmerzhaften Einschnitt in unser Kulturleben empfinden. Klaus Doldinger, Jazz-Musiker
Lucas Fels ensemble recherche Thomas Fichter Executive Director musikFabrik, Ensemble für Neue Musik Jürgen Flimm Salzburger Festspiele Ernst Folz Vorsitzender der Konferenz der Landesmusikräte Max Fuchs Vorsitzender des Deutschen Kulturrates Gerd Gebhardt Vorsitzender der deutschen Phonoverbände Thomas Goppel MdL Generalsekretär der CSU, Präsident des Bayerischen
Blasmusikverbandes e.V. (BBMV) Monika Griefahn MdB; Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien
des Deutschen Bundestages