nmz 2002 | Seite 18-20
51. Jahrgang
Sonderausgabe
Statements
Statements
F(els) bis G(riefahn)
Lucas Fels, ensemble recherche
Thomas Fichter Executive Director musikFabrik, Ensemble für Neue Musik
Jürgen Flimm Salzburger Festspiele
Ernst Folz Vorsitzender der Konferenz der Landesmusikräte
Max Fuchs Vorsitzender des Deutschen Kulturrates
Gerd Gebhardt Vorsitzender der deutschen Phonoverbände
Thomas Goppel MdL Generalsekretär der CSU, Präsident des Bayerischen
Blasmusikverbandes e.V. (BBMV)
Monika Griefahn MdB; Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien
des Deutschen Bundestages
Chance
Mal ehrlich! Welches Ensemble für neue Musik in Deutschland
gäbe es heute, wenn da in Anfangsjahren nicht die Unterstützung
durch das Förderprojekt „Konzerte des Deutschen Musikrats“
gewesen wäre? Die ersten zehn Jahre des ensemble recherche
wären schlicht unmöglich gewesen! Die jetzt diskutierte
Auflösung des Projekts würde Ensemble-Neugründungen
zum Scheitern verurteilen und die Existenz von Komponisten bedrohen.
Und so manchem jungen Dirigenten nähme sie die Chance seines
Lebens, sich der Musik seiner Zeitgenossen zu nähern. Erst
seit zwei Jahren stellt sich das ensemble recherche dem Dirigentenforum
des Deutschen Musikrats zur Verfügung, ist aber nicht nur einzigartiger,
sondern, wie wir aufgrund der Reaktionen auf die Zusammenarbeit
wissen, bereits unverzichtbarer Bestandteil der Weiterbildung junger
Dirigenten geworden.
Die Auflösung des Deutschen Musikrates mit seinen zahlreichen
Projekten wäre ein irreparabler Schaden an und in der deutschen
wie internationalen Musikwelt! Lucas Fels, ensemble recherche
Wertvoll
Mit Sorge habe ich erfahren, dass die Existenz des Deutschen Musikrates
in Gefahr sei. Auf der Internet-Seite des Auswärtigen Amtes
finde ich heute folgenden Satz: „Deutschland ist ein Musikland,
international als solches anerkannt. Nahezu in allen Repertoires
gibt es herausragende Leistungen sowohl in den Bereichen der Interpretation,
der Improvisation und der Komposition.“ In der Folge wird
beschrieben, wie der Deutsche Musikrat diese herausragenden Leistungen
ermöglichen und fördern soll. Aus eigener Erfahrung kann
ich sagen, dass ich die Entstehung hervorragender musikalischer
Leistungen miterlebt habe. In vielen Fällen war der Deutsche
Musikrat fördernd beteiligt. Interpretation, Improvisation
und Komposition als Gegenwartskünste können nicht mit
kommerziellen Maßstäben gemessen werden. Der Deutsche
Musikrat als eine mit staatlichem Auftrag zur Förderung
zeitgenössischer Musik ausgestattete Institution ist unverzichtbar.
Ich habe mehr als eine wichtige kulturelle Einrichtung beobachtet,
die in Jahrzehnten aufgebaut und in einer einzigen Sitzung zerstört
wurde. Ihnen wünsche ich, dass Ihnen nur „Change Management“
und nicht die Auflösung bevorsteht und Sie Ihre wertvolle Arbeit
fortsetzen können. Nicht zuletzt, damit das Auswärtige
Amt weiterhin mit gutem Recht behaupten kann, dass es in Deutschland
musikalische Spitzenleistungen gibt. Thomas Fichter
Executive Director musikFabrik, Ensemble für Neue Musik
Desaster
Es
ist ebenso grotesk wie atemberaubend zu verfolgen, wie die allgemeine
Bewusstseinskrise, hervorgerufen vor allem durch materiell bedingte
Ängste, selbst Institutionen, die nicht in Regierungs- oder
Bankenvierteln liegen, ins Wanken bringt. Es kann nicht mit rechten
Dingen zugehen, dass eine Rückforderung des Staates dazu führen
könnte, eine für das deutsche und darüber hinaus
auch das internationale Kulturleben so eminent wichtige Einrichtung
– wie sie der Deutsche Musikrat darstellt – in die Pleite
zu treiben – wie auch immer begründet diese Forderung
sein mag! Unvorstellbar der Schaden, den das Musikleben und die
Kunst erleiden würde. Nicht der Konkursrichter ist gefragt,
sondern Einsicht: dass man die Interessen der Musikverbände
im Deutschen Musikrat, die Erwartungen und Hoffnungen der vielen
tausend junger Musiker und Musikerinnen, die in den Wettbewerben
und Kursen des Musikrates in die
Musik-Zukunft geführt wurden und werden, nicht wegen eines
Defizits von 500.000 Euro zerstören darf. Da können und
müssen andere Wege gefunden werden. Alles andere wäre
ein kulturpolitisches Desaster. Jürgen Flimm, Salzburger Festspiele
Vernetzt
Die Landesmusikräte und der Deutsche Musikrat, ein vernetztes
System:
Im Gesamtkörper des deutschen Musiklebens sind die 16 Landesmusikräte
der Bundesländer Teile, die sich wie Arme und Beine des Körpers,
bedingt durch Aufgaben und Struktur einer vielschichtigen Musikkultur,
unterschiedlich bewegen, um koordiniert ein gemeinsames Ziel zu
erreichen. Es ist dieses Selbstverständnis, das die Grundlage
eines vernetzten Systems bildet, das weltweit einmalig ist, und
um das wir beneidet werden. Es ist dieses Netz, das in Gefahr ist
zu reißen, sollten die Schwierigkeiten, in die der Deutsche
Musikrat geraten ist, nicht beseitigt werden. Wer soll die Fäden
und Maschen dieses Netzes jemals wieder knüpfen? Der Deutsche
Musikrat, lange vor den Landesmusikräten gegründet, war
für diese Vorbild, Strukturen und Aufgaben sind in weiten Bereichen
ähnlich. Nur in enger Zusammenarbeit lassen sich die vielen
bedeutenden Projekte der Musikräte verwirklichen, können
die Ergebnisse der Fachausschüsse bundesweit umgesetzt werden.
Es war auch das vernetzte System der Musik- u u räte, das nach
1989 eine Wiedervereinigung des Musiklebens in unserem Lande schnell
und geräuscharm voranbrachte. Dieses Netz darf nicht zerrissen
werden! Aus der Sicht der Landesmusikräte kann es nur eine
Aufforderung an alle für die Musikpolitik Verantwortlichen
geben:
Retten Sie den Deutschen Musikrat, ein Untergang dieser für
alle Welt vorbildlichen Institution wäre ein Unglück für
die Musikkultur! Ernst Folz
Vorsitzender der Konferenz der Landesmusikräte
Wandel annehmen
Befasst
man sich mit der Verbandslandschaft im Kulturbereich, so sticht
der Deutsche Musikrat als ein frühes Beispiel von erfolgreicher
Zusammenarbeit von Organisationen unterschiedlicher Interessen hervor.
Anders als in anderen künstlerischen Sparten, in denen sich
in der Nachkriegszeit mühselig neue Strukturen bildeten, konnte
der Deutsche Musikrat teilweise auf vorhandene zurückgreifen
oder aber die neuen bildeten sich rasch aus. Im Zentrum der Musikratsaktivitäten
stand und steht die musikalische Bildung. Aus dem Impetus heraus
durch Musizieren zur demokratischen Erziehung und zur Völkerverständigung
beizutragen, wurde die musikalische Bildung in den Mittelpunkt der
Arbeit gerückt. Rasch gesellte sich die Förderung des
künstlerischen Nachwuchses als weiteres profilbildendes Element
dazu.
Die gesamte Debatte um kulturelle Bildung war so über Jahrzehnte
hinweg ausschließlich von der musikalischen Bildung geprägt.
Sehr mühselig mussten sich andere künstlerische Sparten
und erst recht die spartenübergreifende künstlerische
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einen Stellenwert in der Debatte
um kulturelle Bildung erkämpfen. Bildungskonzepte, die eher
auf Teilhabe an der Kultur, auf die Entwicklung von Kreativität
ohne den Anspruch einer künstlerischen Laufbahn abzielten,
hatten es schwer, sich neben den ausgefeilten Konzepten der musikalischen
Früherziehung sowie der frühen Förderung des künstlerischen
Nachwuchses zu behaupten.
Blickt man heute auf die Kulturverbandslandschaft, so kann man
feststellen, dass gerade die „Schmuddelkinder“ von einst
sich sehr erfolgreich an neue Anforderungen anpassen konnten. Speziell
im Feld der kulturellen Bildung wurde von den meisten Sparten die
Ausbildung von Medienkompetenz und des kreativen Umgangs mit neuen
Medien als Herausforderung begriffen. Im Musikbereich konzentrierte
man sich hingegen auf die bewährten Arbeitsgebiete.
Der Deutsche Musikrat hat heute gute Voraussetzungen, um aktuelle
und künftige Herausforderungen zu meistern. Er verfügt
über ein dichtes Netz an Mitgliedsverbänden aus unterschiedlichen
Feldern, das teilweise bis zur Landes- und Regionalebene gegliedert
ist. Er kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Die größte Herausforderung wird für ihn darin
bestehen, sich als ein Bereich unter vielen zu begreifen, kollegial
mit anderen Verbänden und Organisationen zusammenzuarbeiten
und so ein – großes und wichtiges – Mosaik im
Gesamtbild der Bundeskulturverbände zu bilden. Einzelne Mitgliedsverbände
des Deutschen Musikrates haben diesen Weg bereits mit Erfolg beschritten.
Der Deutsche Kulturrat wird, sofern es gewünscht wird, den
Reformprozess des Deutschen Musikrates unterstützen. Das Musikleben
in Deutschland bedarf einer schlagkräftigen musikpolitischen
Vertretung und der Zusammenarbeit mit den anderen Sparten. Max Fuchs
Vorsitzender des Deutschen Kulturrates
Musik stiftet Kultur
Musik ist in aller Munde und in aller Ohr. Kaum jemand macht morgens
nicht sein Radio zum Frühstück an, hört Musik beim
Einkaufen, Autofahren, im Büro oder in seiner Freizeit. Wer
aber gibt all jenen eine Stimme? Wer vereint die Interessen vieler
Menschen, die nicht organisiert sind, um Lobby für Musik zu
machen?
Der Deutsche Musikrat ist das Sprachrohr für Musik in Deutschland.
Er ist für die Musikverbände ein Dachverband, will aber
vor allem erreichen, dass Musik in ihren so verschiedenen Formen
und Ausprägungen einen höheren Stellenwert bekommt.
Gerade in der allerjüngsten Zeit wendete sich der Deutsche
Musikrat auch musikalischem Repertoire zu, das er früher vernachlässigt
hatte. Ich halte diesen Weg für sehr wichtig. Popmusik ist
nicht nur ein Phänomen der Jugendkultur, sondern gehört
auch zur Biographie vieler Menschen, die heute schon jenseits der
50 sind. Julian Nida-Rümelin und Parlamentarier verschiedener
Parteien haben dies ebenso erkannt und der Rock- und Popmusik einen
Stellenwert in der politischen Diskussion eingeräumt.
Wir brauchen eine Institution wie den Deutschen Musikrat, der
den Anliegen der Musik und der Musikförderung in Deutschland
Raum verschafft. Die kulturstiftende Funktion von Musik ist enorm,
und ihre Fähigkeit, Gemeinschaft zu bilden, ob im Kirchenchor,
in einer Fangruppe oder auch im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend
musiziert“, unverzichtbar. Auch ein Wirtschaftsverband wie
wir unterstützt deswegen die Anstrengungen des Deutschen Musikrats.
Mit ihm wollen wir auch künftig gemeinsam für die Zukunft
der Musikkultur in Deutschland eintreten. Gerd Gebhardt
Vorsitzender der deutschen Phonoverbände
Anerkannte Instanz
Der
Deutsche Musikrat ist als Koordinationsinstanz aller ehrenamtlichen
musikalischen Aktivitäten in Deutschland anerkannt. Seine netzbildende
Funktion nach innen und nach außen ist unverzichtbar. Wenn
es wirtschaftliche Engpässe gibt, müssen Wege gefunden
werden, das in fünfzig Jahren gewachsene Konstrukt nicht zu
zerstören. Die aktuelle Finanzmisere des Deutschen Musikrats
zeigt zwei Dinge: Zum einen sind rechtliche Anforderungen an die
Empfänger von öffentlichen Geldern inzwischen viel zu
kompliziert und undurchschaubar geworden, zum anderen besteht dringender
Bedarf einer internen Strukturreform des Musikrats. Die Bundesvereinigung
Deutscher Musikverbände hat dafür bereits Vorschläge
gemacht. Gerade für die vielseitige musikalische Landschaft
in Bayern sind Projekte wie „Jugend musiziert“ oder
der Deutsche Orchesterwettbewerb unverzichtbar. Lassen Sie uns gemeinsam
für ein Überleben dieser kulturellen Errungenschaften
kämpfen. Thomas Goppel MdL
Generalsekretär der CSU, Präsident des Bayerischen Blasmusikverbandes
e.V. (BBMV)
Zentrale Anlaufstelle
Die
offenbar eingetretene schwierige finanzielle Lage des Deutschen
Musikrates macht mir Sorgen. Deshalb war ich auch gern bereit, in
dieser Sonderedition der „neuen musikzeitung“ eine Stellungnahme
zum Deutschen Musikrat abzugeben. Der Deutsche Musikrat ist seit
nunmehr fast fünfzig Jahren eine unentbehrliche Institution
im deutschen und internationalen Musikleben. Er ist die zentrale
Anlaufstelle für Musikerinnen und Musiker sowie für Musik-interessierte
im In- und Ausland. Er versteht es, die vielfältigen Interessen
zu bündeln, und dient seinen Mitgliedern auch als Informationsplattform,
etwa mit der Zeitschrift „Musikforum“ und dem alle drei
Jahre erscheinenden Musikalmanach. Alle Aspekte des Musiklebens
fließen in seine Arbeit ein: Von der Unterstützung der
Musikschulen bis zum Bundesjugendorchester, von der internationalen
Arbeit – der Deutsche Musikrat ist im internationalen Musikrat
organisiert und damit als eine „non-governmental organization“
der Unesco aufgenommen worden – bis zur kleinteiligen lokalen
Arbeit.
Besonders schön finde ich, dass die Nachwuchsförderung
ein großes Gewicht erhält, mit den verschiedenen Jugendorchestern
und dem Wettbewerb „Jugend musiziert“, der jedes Jahr
hervorragende junge Talente in allen Sparten präsentiert. Ein
weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist mir sehr positiv aufgefallen:
die Förderung der zeitgenössischen Musik. Unterstützung
sollte da ansetzen, wo sie notwendig ist. Moderne und neueste Musik
hat es noch immer schwer, sich im Konzertalltag der Bundesrepublik
zu etablieren. Der größte Teil des Publikums verbleibt
in kritischer Distanz. Deshalb sind hier Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit
sowie begleitende Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Dieser Aufgabe
hat sich der Deutsche Musikrat verschrieben.
Ich wünsche dem Deutschen Musikrat, dass sich die finanzielle
Lage wieder entspannt und ich werde die notwendige Umstrukturierung
wohlwollend begleiten.
Monika Griefahn, MdB; Vorsitzende des Ausschusses für Kultur
und Medien des Deutschen Bundestages
Nele Härtling Präsidentin des Deutsch-Französischen Kulturrates Peter Hanser-Strecker Musikverleger, Einzelmitglied des DMR Peter Herbolzheimer Jazzmusiker Michael Hocks Geschäftsführer und Intendant der Alten Oper Frankfurt Fritz Hörter Arbeitsgemeinschaft der Volksmusikverbände e.V. Matthias Ilkenhans Geschäftsführer der Jungen Deutschen Philharmonie Richard Jakoby
Ehrenpräsident DMR und Leiter der Verbindungsstelle für
Internationale Beziehungen Steffen Kampeter, MdB Stefan Klöckner
Vertreter des Allgemeinen Cäcilienverbandes für Deutschland Minister Rudolf Köberle, MdL
Präsident des Blasmusikverbandes Baden-Württemberg e.V.
(BVBW) Reinhold Kreile Vorsitzender des Vorstands der GEMA Young Kun Kwak Mitglied des Bundesjugendorchesters