nmz 2002 | Seite 23-24
51. Jahrgang
Sonderausgabe
Statements
Statements
R(auhe) bis R(uzicka)
Sir Simon Rattle
Chefdirigent der Berliner Philharmoniker
Hermann Rauhe Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Martin Christoph Redel Vorsitzender der Jeunesses Musicales Deutschland
Stefan Reinhardt,
Manager der Kammerphilharmonie Merck
Peter Riegelbauer Orchestervorstand der Berliner Philharmoniker
Wolfgang Rihm Komponist
Michael Roßnagl Ernst von Siemens Musikstiftung
Peter Ruzicka Intendant der Salzburger Festspiele
Moralische Kraft
Zusammen
mit den Musikern der Berliner Philharmoniker teile ich die große
Sorge um die Sicherung der Existenz des Deutschen Musikrats. Viele
Jahre waren nötig, um diese wichtige Einrichtung aufzubauen,
die viele beeindruckende Erfolge zu verzeichnen hat. Ob über
den Wettbewerb „Jugend musiziert“ oder das Landesjugendorchester
– viele der wundervollen Musiker, die heute Mitglieder der
Berliner Philharmoniker sind, kommen aus den Jugendprogrammen des
Deutschen Musikrates. Musik ist eine große moralische Kraft
und sollte immer integrativer Bestandteil einer Gesellschaft sein.
Der Deutsche Musikrat fördert dieses Ziel, und daher lautet
mein Appell an alle, die in der Verantwortung sind:
Helfen Sie und sichern Sie die Zukunft dieser Institution! Sir Simon Rattle, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker
Sinn und Zweck
Als
Sektion Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Musikrats
ist der Deutsche Musikrat das wichtigste Netzwerk aller bedeutenden
Musikorganisationen, -institutionen und Fördermaßnahmen.
In Artikel 2 der Satzung ist die Zielsetzung und Aufgabe klar
formuliert. Danach will der Deutsche Musikrat als Dachverband für
alle Bereiche der Musik auf die Öffentlichkeit, Legislation
und Exekutive einwirken, „um der Musik die ihrer gesellschaftlichen
Bedeutung entsprechende Stellung zu wahren und Beiträge für
die Weiterentwicklung der Musikkultur zu leisten“.
Insbesondere verfolgt der Musikrat das Ziel, „die künstlerischen
und sozialen Bedingungen der schaffenden und nachschaffenden Musiker
und Musikerzieher zu prüfen und auf Verbesserungen hinzuwirken“.
Wie wichtig diese Aufgabe gerade heute ist, braucht angesichts der
revolutionären technologischen Entwicklung im Multimediabereich
und deren einschneidender Konsequenzen für die Musikurheber,
-interpreten und –vermittler nicht begründet zu werden:
Noch nie war der Deutsche Musikrat mit seinen entsprechenden Aktivitäten
und Initiativen so lebenswichtig wie gerade jetzt.
Das gilt auch für die weiteren Aufgaben und Ziele, zum Beispiel
„zur Förderung des zeitgenössischen deutschen Musikschaffens
und zu seiner Verbreitung im In- und Ausland beizutragen.“
Wer die rückläufige Entwicklung im Konzertleben und in
den Medien mit einem schwindenden Anteil an zeitgenössischer
Musik deutscher Komponisten verfolgt, erkennt die wachsende Bedeutung
und unverzichtbare Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen.
Auch die Aufgabe, sich für die Verbesserung der Voraussetzungen
des Lehrens und Lernens in allen Bereichen der Musikerziehung einzusetzen“
hat nicht erst seit der „Pisa-Studie“ und der Untersuchungen
von Hans Günther Bastian zur Bedeutung der Musik für die
Persönlichkeitsentwicklung einen herausragenden Stellenwert
gewonnen: Die Nachwuchsförderung für Musikberufe unter
anderem durch Wettbewerbe gewinnt durch den verschärften globalen
Wettbewerb um die Positionen in den Orchestern und Opernhäusern
ebenfalls an Bedeutung.
„Das Laienmusizieren in seinen verschiedenen Formen zu fördern“
ist heute zu einer zentralen Aufgabe geworden, von der nicht nur
die Zukunft unseres Konzert- und Musiktheaterlebens abhängt,
das ohne interessiertes und musikalisch engagiertes Publikum nicht
existenzfähig bleibt: Auch das Fortbestehen unserer humanen
Gesellschaft als lebendiges Beziehungsgefüge sensibler Menschen
mit wechselseitiger Verantwortung füreinander im Sinne des
Gemeinwohls hängt nicht zuletzt vom Singen und Musizieren in
der Gemeinschaft ab.
Die wachsende Notwendigkeit „Internationale Beziehungen
zu pflegen“ ergibt sich aus dem Zusammenwachsen Europas und
der Globalisierung: Diese Prozesse setzen ein intensives wechselseitiges
Verständnis für die verschiedenen Kulturen voraus. Im
Übrigen: Musik, gemeinsames Musizieren, verbindet, öffnet
Herzen, schlägt Brücken zwischen Menschen und Völkern.
„Singen birgt das noch schlummernde Potenzial in sich, wirklich
eine Universalsprache aller Menschen werden zu können …
. Denn Singen macht, wie nichts anderes, die direkte Verständigung
der Herzen über alle kulturellen Grenzen hinweg möglich.“
(Yehudi Menuhins Vermächtnis zur Bedeutung des Singens).
Gäbe es den Deutschen Musikrat nicht, müsste man ihn
gerade heute angesichts der genannten Aufgaben und Probleme erfinden
und einrichten. Hermann Rauhe
Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Handlungsfähig bleiben
Mit
großer Bestürzung erfuhren wir anlässlich der Generalversammlung
des Deutschen Musikrats, dass die Verwaltung der zuschussgebenden
Ministerien nicht umhin konnte, unserem Dachverband die Mittelzuweisungen
ab sofort zu sperren. Ohne über Recht und Unrecht eines Verwaltungsakts
diskutieren zu wollen ist es nach unserer Auffassung eine eminent
politische Frage, wenn dadurch ein für die kulturelle Entwicklung
derart verdientes und unverzichtbares Forum wie der Deutsche Musikrat
in seiner Existenz unmittelbar bedroht wird.
Verlöre die musikalische Jugend in unserem Land diese fachliche,
kultur- und gesellschaftspolitisch wirkungsvolle Plattform, könnte
sie ihre Anliegen und Interessen kaum noch zu Gehör bringen.
Ohne den Deutschen Musikrat fände – selbst im engeren
Feld des Musiklebens – kaum noch ein moderierter Interessenausgleich
statt. Projekte des Deutschen Musikrats wie „Jugend musiziert“
oder „Jugend jazzt“, das Bundesjugendorchester, das
BuJazzO sowie zahlreiche andere Förderprojekte sind allein
beim Deutschen Musikrat in einer interessenneutralen bundeszentralen
Trägerschaft gut angesiedelt – und wie die jahrzehntelange
Vergangenheit zeigt: auch in höchstem Grade effizient.
Es ist daher von großer Wichtigkeit, dass die Handlungsfähigkeit
des Deutschen Musikrates gewahrt bleibt. Nur so können seine
bereits begonnenen Konsolidierungsmaßnahmen überhaupt
ins Werk gesetzt werden. Die JMD hat sich an der Seite aller Verbände
des deutschen Musiklebens hinter unsere Dachorganisation Deutscher
Musikrat gestellt. Wir sind davon überzeugt, dass der Deutsche
Musikrat eine gute Perspektive hat und seine derzeitige Krise als
Chance zur Neugestaltung nutzen wird.
Im Interesse der musikalischen Jugend Deutschlands sollte der Deutsche
Musikrat in seiner Existenzsicherung unterstützt werden, gerade
zu einem Zeitpunkt, in dem er sich unter anderem mit dem Thema „Kinder
brauchen Musik“ anschickt, mit einem geschlossenen und entschlossenen
Auftreten für die Bedeutung der kulturellen Bildung und der
Strukturen eines funktionierenden Musiklebens entscheidende Weichen
für unsere gesellschaftliche Zukunft in Deutschland zu stellen. Martin Christoph Redel
Vorsitzender der Jeunesses Musicales Deutschland
Es muss weitergehen
Der Deutsche Musikrat ist mit seinen Projekten die wichtigste
Institution für den musikalischen Nachwuchs in Deutschland.
Die Kammerphilharmonie Merck arbeitet seit 1989 sehr erfolgreich
mit Preisträgern des Deutschen Musikwettbewerbs zusammen und
veranstaltet regelmäßig Konzerte im Rahmen des Förderprojektes
Konzerte junger Künstler. Wir wollen damit von unserer Seite
aus jungen Musikern, die den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen
haben oder Stipendiaten geworden sind, ein Forum bieten. Viele junge
Musiker, die vor vielen Jahren aus dem Deutschen Musikwettbewerb
hervorgegangen sind, gehören mittlerweile zu den musikalischen
Größen Deutschlands. Das zeigt, dass der Deutsche Musikrat
mit seinem Konzept richtig liegt. Das darf nicht zerstört werden.
Nachwuchsförderung muss sein!!!
Ohne Nachwuchsförderung werden künftig unsere deutschen
Kulturorchester Probleme haben, ihr Ensemble mit guten Musikern
zu besetzen. Ohne Nachwuchsförderung zerstören wir unsere
eigene Kultur.
Es muss weitergehen! Der Deutsche Musikrat muss bleiben, auch
in finanziell schweren Zeiten. Eine Kultur ist schnell zerstört,
der Wiederaufbau dauert Jahre! Stefan Reinhardt,
Manager der Kammerphilharmonie Merck
Erhaltung – ein Muss
Wie es zu der finanziell schwierigen Situation des Deutschen Musikrates
gekommen ist, kann und möchte ich nicht werten. Wenn diese
aber dazu führen würde, dass es den Musikrat zukünftig
nicht mehr gibt, würde mich das mit blankem Entsetzen erfüllen.
Gerade meine Generation hat erfahren, welche Ergebnisse die Arbeit
des Musikrats in der Vergangenheit hervorgebracht hat. Die Berliner
Philharmoniker sind heute ein junges Orchester. In den letzten 20
Jahren sind zirka 80 neue Mitglieder eingestellt worden, darunter
eine Vielzahl deutscher Musiker. Diese haben ihre Karriere durchweg
in irgendeiner Form auch dem Deutschen Musikrat zu verdanken, sei
es durch „Jugend musiziert“, das Bundesjugendorchester
oder andere Projekte. Inzwischen profitieren unsere Kinder gleichermaßen
von der Musikrats-Arbeit. Man kann sich nicht vorstellen, dass unsere
deutsche Orchesterlandschaft ohne diese Arbeit auf einem so hohen
Niveau funktionieren könnte.
Als Sprecher der Berliner Philharmoniker appelliere ich an die
Verantwortlichen: Es muss unter allen Umständen verhindert
werden, dass dieser Verband in die Insolvenz geht und abgewickelt
wird. Aus der Sicht der Orchestermusiker – und ich glaube,
ich spreche da für alle Mitglieder unserer Zunft – muss
der Deutsche Musikrat erhalten bleiben. Peter Riegelbauer
Orchestervorstand der Berliner Philharmoniker
Unverzichtbare Impulse
Mit
Bestürzung erfahre ich von der bedrohlichen schwierigen finanziellen
Situation des Deutschen Musikrates. Es wäre in der Tat katastrophal,
würde diese prekäre Lage ausgerechnet auf jene Projekte
durchschlagen, in denen sich der Deutsche Musikrat in beispielhafter
Weise der Förderung der Jugend und des Neuen verpflichtet zeigt.
Die von dort ausstrahlenden Impulse sind für das deutsche,
weiter noch: für das europäische Musikleben unverzichtbar.
Die bereits geleistete Arbeit zeigt schon längst schönste
Früchte und es wäre besonders für die schöpferische
Leistung der Jugend unseres Landes ein verheeren des Zeichen, müssten
diese positiven Entwicklungen abgebrochen werden. Gerade auch, wo
international verstanden und als Anregung empfunden wird, dass es
möglich ist, das Neue und die Jugend zu fördern, ohne
vordergründigen populistischen und rein kommerziellen Tendenzen
zuzuarbeiten.
Ich hoffe, dass es gelingt, die politischen Instanzen zur Unterstützung
des Reformen des Deutschen Musikrates zu motivieren. Wolfgang Rihm, Komponist
Segensreiche Tätigkeit
Mit dem klassischen Bonmot von einer „verstummten Tonkunst“
ist zwar die Baukunst gemeint, aber schon die Vision von einer möglicher-weise
verstummenden Musik muss einen in die Arme der einzigen Institution
treiben, die gegen alle Widerstände zu behaupten wagt: „HAUPTSACHE:
MUSIK“.
Mit diesem, man muss schon sagen, Kampfruf agiert, fördert
und repräsentiert der Deutsche Musikrat als Dachverband in
allen Bereichen unseres Musiklebens. Er sorgt vor allem auch für
den musikalisch-künstlerischen Nachwuchs, damit er, neben vielem
anderen, nicht nur zeitgenössische Musik hören, sondern
auch spielen kann.
Wie wichtig und geradezu unentbehrlich in dem fast halben Jahrhundert
seines Bestehens auch die Auslandsarbeit des Deutschen Musikrates
mit ihren vielfältigen Aktivitäten geworden ist, konnte
die Ernst von Siemens Musikstiftung erst jüngst beim „Warschauer
Herbst 2002“ miterleben. Da sich die Stiftung in den letzten
zwei Jahren mit Kompositionsaufträgen und Stipendien im polnischen
Musikleben engagiert hat, war für sie beim gemeinsamen Auftritt
das Zusammenspiel mit den ebenso kompetenten wie hochmotivierten
Partnern vom Musikrat – wie immer, also auch im Ausland –
vorzüglich.
Nach all dem Positiven, das wir besten Gewissens dem Deutschen
Musikrat bescheinigen können, hoffen und erwarten wir dringend,
dass er – gegebenenfalls nach einigen Reorganisationen –
seine für das deutsche Musikleben so unerlässliche segensreiche
Tätigkeit fortsetzen kann. Michael Roßnagl
Ernst von Siemens Musikstiftung
Zeichen der Solidarität
Als
Einzelmitglied des Deutschen Musikrats habe ich mit großer
Sorge die Nachricht von der angeblichen Überschuldung des Deutschen
Musikrats als Ergebnis einer zuwendungsrechtlichen Prüfung
zur Kenntnis genommen.
Lassen Sie mich sagen, dass die Arbeit des Deutschen Musikrats
einen so unverzichtbaren kulturpolitischen Faktor darstellt, dass
alle Anstrengungen unternommen werden sollten, die augenblickliche
Krise aufzulösen. Sollte kein Erlass der in Frage stehenden
Beträge möglich sein, möchte ich anbieten, mich an
einer Umlage zu beteiligen, die die ausstehende Summe ausgleicht.
Jedenfalls erscheint die Existenz des Deutschen Musikrats, wie
gerade jetzt wieder die Diskussion um die Abzugsfähigkeit von
Spenden zeigt, im politischen Leben so unverzichtbar, dass keine
Anstrengung zu groß ist, zu einer Befriedung der derzeitigen
Situation beizutragen. Bitte verstehen Sie daher meine Zuschrift
als ein ausdrückliches Zeichen der Solidarität und der
Ermunterung, auf dem bisherigen erfolgreichen Weg weiter zu gehen. Peter Ruzicka
Intendant der Salzburger Festspiele
Kurt Sanderling Dirigent Beata Schanda Vorsitzende des Europäischen Musikrates Oliver Scheytt Bildungs- und Kulturdezernent der Stadt Essen, Präsident
der Kulturpolitischen Gesellschaft Manfred Schoof
Jazzmusiker Irene Schulte-Hillen Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Stiftung Musikleben Dagmar Sikorski Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes, Vorstandsvorsitzende
des Verbandes Deutscher Bühnen- und Medienverlage Prof. Dr. Inka Stampfl
Präsidentin des Deutschen Tonkünstlerverbandes Christian Thielemann
Dirigent Wolfgang Thierse
Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie