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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 4
52. Jahrgang | April
Cluster
Kriegskunst
Wenn heute gesagt wird, dass Krieg immer ein Versagen der Politik
bedeutet, so wäre hinzuzufügen, dass auch, wohl sogar
im Vorfeld davon, die Kultur versagt hat. Künstlerisches
Tun, jedenfalls wenn es sich selbst ernst nimmt, zielt immer
auf Differenzierung, Sensibilisierung, auf das Individuum und
seine Kontaktnahmen zum Anderen. Das aber sind Begriffe, die
auf beiden Seiten der Front keine Chance haben.
Sie werden von den kriegsführenden Parteien bekämpft
wie ein schleichend unterminierendes Gift. Gefragt sind hingegen
eine gewisse Portion an Dummheit, Formen der Abgestumpftheit, gleichgeschaltete
Massengefühle. Hier sind dann Drohgebärden und Lügen
(„Der Präsident hat sich stets um den Frieden bemüht,
jetzt müssen wir ihm siegen helfen. Es ist die Zeit des Hammers“,
sagte zu Kriegsbeginn ein Kommandierender auf dem Flugzeugträger „Abraham
Lincoln“) unproblematischer an den Mann zu bringen. Und auch
die blauäugig besorgte Frage einer US-Journalistin, ob denn
der anstehende Krieg durch den Einsatz von High-Tech nicht viel
von seiner ehemaligen Romantik einbüße, hat im Umfeld
solcher „Kriegskunst“ seinen festen Platz.
Krieg führt umfassend zu einer Faschisierung der Empfindenswelt,
das dumme und primitive Argument hat Konjunktur und wird selbst
in kritischen Debatten aufgewertet. Kultur wird durch Unkultur
ersetzt. Kunst hat nur einen Weg: noch entschiedener weitermachen,
nicht nachlassen im Bemühen, sich nicht vereinnahmen lassen
von der grassierenden Nivellierung und Verflachung.