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nmz-news
nmz 2003/04 | Seite 2
52. Jahrgang | April
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können
Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht
werden.
Offen gegenüber Innovationen
Zum Tod des Komponisten Goffredo Petrassi
Manchmal muss auch ein bekannter Künstler erst sterben, damit
sich die Menschheit seiner und seines Werkes erinnert. Der Komponist
Goffredo Petrassi, am 16. Juli 1904 in Zagarolo geboren, gab vor
fast zwanzig Jahren seine letzte Komposition, ein „Kyrie” für
Chor und Orchester, heraus. Petrassi, wie Dallapiccola Schüler
von Alfredo Casella, gehörte zu den einflussreichsten Persönlichkeiten
der zeitgenössischen italienischen Musikszene. In der Zeit
des Faschismus avancierte Petrassi, von 1937 bis 1940, zum künstlerischen
Leiter des venezianischen Operntheaters La Fenice – der italienische
Faschismus blieb, anders als in Deutschland, gegenüber damals
aktuellen Kunsttendenzen eher unentschieden bis offen, zum Vorteil
für alle modernen Künstler des Landes. Petrassis persönliche
Offenheit gegenüber ästhetischen Innovationen prägte
auch sein Schaffen: Verismus, Neoklassizismus, eine freie Anverwandlung
von Atonalität und Zwölftontechnik – alles findet
sich in seinem Werkkatalog. Er hat auch Opern geschrieben, die
es wert wären, wieder einmal aufgeführt zu werden. In
den Konzertprogrammen taucht sein instrumentales Schaffen dagegen
eher auf, vor allem die Konzerte für Orchester. Zu Petrassis
Schülern zählen unter anderem Aldo Clementi, Marcello
Panni, Peter Maxwell Davies und Cornelius Cardew – eine bemerkenswerte
Phalanx individueller Handschriften, in denen sich Petrassis eigene
Wandlungsfähigkeit zu spiegeln scheint. dp
Liebe und Zufall
In Potsdam ist am 4. März 2003 der Komponist Gerhard Rosenfeld
im Alter von 72 Jahren gestorben. Rosenfelds Schaffen umfasste
Instrumentalkonzerte ebenso wie ein reiches Vokalwerk. Sein 1.
Violinkonzert, vor vier Jahrzehnten entstanden, avancierte rasch
zum Erfolgsstück. Rosenfeld verfasste auch mehrere Opern,
bevorzugt nach bekannten literarischen Vorlagen: „Der Mantel” – nach
Gogol, „Das alltägliche Wunder” – nach Jewgenij
Schwarz, „Das Spiel von Liebe und Zufall” – nach
Marivaux. Im Gedenken an Willy Brandt schrieb Rosenfeld die Oper „Kniefall
in Warschau”, die 1997 in Dortmund uraufgeführt wurde.
Sein 3. Violinkonzert, das Rosenfeld fast noch vollenden konnte,
wird am 26. April 2003 im Potsdamer Schlosstheater uraufgeführt.
Ab nach Kassel
Der Generalintendant der Städtischen Bühnen Münster,
Thomas Bockelmann, wurde zum neuen Intendanten des Hessischen Staatstheaters
Kassel gewählt. Er wird mit der Spielzeit 2004/2005 in Kassel
die Nachfolge von Christoph Nix antreten, dessen Vertrag nicht
verlängert wurde. Nix hatte beim Kasseler Publikum wenig Fortune.
Provozierende Inszenierungen seiner Regisseure stießen auf
Kritik und Ablehnung. Vom 47 Jahre alten Bockelmann erwartet man,
dass er das Kasseler Theater, besonders die Oper, wieder in einstige
Höhenregionen wie unter Ulrich Melchinger, Ulrich Brecht oder
Christoph von Dohnanyi führt – wobei sicher der Nix-Ära
auch einiges Unrecht angetan wird: Es gab auch bei ihm interessante,
qualitätvolle Aufführungen. Außerdem wird bei solchen
vergleichenden Bewertungen geflissentlich übersehen, dass
sich die finanzielle Basis der Theater erheblich zum Negativen
hin verändert hat. Wer nicht zahlen kann oder will, muss seine
Ansprüche eben nivellieren.
Ein Thüringer in Berlin
Dem Komponisten Karl Heinz Wahren zum Siebzigsten Karl Heinz Wahren wird am 28. April siebzig Jahre alt. Der Präsident
des Deutschen-Komponisten-Interessenverbandes gehörte nach
seinem Abschlussexamen 1961 an der jetzigen Universität der
Künste Berlin zum Schülerkreis Josef Rufers, gleichzeitig
war er Privatschüler Karl Amadeus Hartmanns in München.1965
gründete der aus Thüringen stammende Komponist zusammen
mit seinen Freunden und Kollegen Wilhelm Dieter Siebert, Gerald
Humel und anderen im damaligen Westberlin die erfolgreiche „Gruppe
Neue Musik Berlin”.
1969 erhielt Wahren den Rompreis, verbunden mit einem einjährigen
Aufenthalt in der Villa Massimo. Er war mehrmals Stipendiat der „Internationalen
Ferienkurse für Neue Musik” in Darmstadt, 1978 konnte
er den Förderpreis der Berliner Akademie der Künste entgegennehmen,
1994 das Bundesverdienstkreuz am Band. Seit 1980 ist er Mitglied
des GEMA-Aufsichtsrates, seit 1990 Präsident des Deutschen
Komponisten-Interessenverbandes, im Jahr 2000 erhielt Wahren den
GEMA-Ehrenring.
Wahrens kompositorisches Schaffen ist vielseitig und erstreckt
sich über fast alle musikalischen Gattungsbereiche. Sein Œuvre
weist gegenwärtig über 50 Kammermusikkompositionen, 19
Orchesterwerke und drei Opern auf.
1976 brachte die Deutsche Oper Berlin mit großem Erfolg seine
Opera Comique „Fettklößchen” (nach Guy de
Maupassant) heraus, 1987 wurde die Oper „Goldelse” – Libretto:
Volker Ludwig – von der Berliner Hochschule der Künste
als Satyrspiel zur Berliner 750-Jahrfeier erfolgreich aufgeführt.
1995 bearbeitete er im Auftrag der Deutschen Oper Berlin die komische
Oper „Die schöne Galathee” von Franz v. Suppé,
sie wurde neu instrumentiert und durch eigene Kompositionen erweitert
als „Galathee, die Schöne”, Libretto: Thomas Höft.
Orchesterwerke Wahrens wurden als Rundfunkaufführungen in über
30 Ländern weltweit gesendet, Kammermusikaufführungen
fanden in den meisten europäischen Ländern statt, außerdem
in den USA, in Südamerika, Australien und Japan. Karl Heinz
Wahren lebt als freischaffender Komponist in Berlin.
Bialas-Preis für Peter Kiesewetter
Die Bayerische Akademie der Schönen Künste verlieh Peter
Kiesewetter den mit 10.000 Euro dotierten Gerda und Günter
Bialas-Preis . Die Auszeichnung wird von der GEMA-Stiftung finanziert
und alle zwei Jahre von der Akademie vergeben. Mit Peter Kiesewetter
würdigt die Akademie „eine der eigenwilligsten und faszinierendsten
Persönlichkeiten des Musiklebens“. Seine Musik zeichne
sich durch größte Reinheit aus, heißt es in der
Begründugn der Jury und weiter: „Das einstimmige Melos,
das aus der Sprache kommt, dominiert in seinen Werken und bestimmt
ihren individuellen Charakter.“ Kiesewetter, geboren 1945
in Unterfranken, studierte Komposition bei Günter Bialas.
Neben seiner Lehrtätgkeit als Hochschuldozent und Professor
schuf er Werke in den meisten musikalischen Gattungen und veröffentlichte
zahlreiche analytische und musikkritische Texte. Besonders bekannt
wurde sein von Gido Kremer weltweit aufgeführter und von Yehudi
Menuhin nachgespielter „Tango pathétique“. Eine
schwere Erkrankung hinderte ihn zwar an der Ausübung seiner
Lehrtätigkeit, doch seine Schaffenskraft hatte sich wieder
eingestellt. In den letzten Jahren hat Kiesewetters Auseinandersetzung
mit der jüdischen Kultur und Lebenswelt seine künstlerische
Arbeit entscheidend geprägt. Seit Mitte der 90er-Jahre arbeitet
er an seinem Opus magnum hebraicum.
Peymann will weg
Der Intendant des Berliner Ensembles Claus Peymann will seinen
2004 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. In einem Brief
an sein Ensemble schrieb er, er wolle sich „nicht einreihen
lassen – auch nicht von Berlins Regierenden – in die
endlos lange Reihe der Defiziteure, der Bankroteure und Glücksritter
dieser Stadt“. Er wolle an
der „Abwicklung“ des Ensembles nicht mitwirken.
Furtwänglerpreis für Barenboim
Der Staatskapelle Berlin wurde, gemeinsam mit Chefdirigent Daniel
Barenboim, der Wilhelm-Furtwängler-Preis verliehen. Vor
drei Jahren hatte das dem „alten deutschen Klang“ verpflichtete
Orchester unter Barenboims Leitung, gewissermaßen als „Double“ für
Furtwängler und seine Berliner Philharmoniker, für
den kritisch-moralisierenden Film „Taking Sides“ von
István Szabó einige Passagen des Soundtracks eingespielt.
Bisherige Preisträger waren Agnes Baltsa, Plácido
Domingo und die Wiener Philharmoniker.