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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 15
52. Jahrgang | April
Deutscher Kulturrat
Zweimal Nein aus Deutschland?
Deutschland behindert kulturpolitische Initiativen aus Europa
Der Deutsche Kulturrat hat mit großem Erstaunen die Äußerungen
des ehemaligen französischen Kulturministers und heutigen
Beauftragten der französischen Regierung für den Musikexport,
François Léotard, zur Kenntnis genommen, dass die
Bundesrepublik Deutschland und Dänemark die einzigen Staaten
in der Europäischen Union sind, die sich noch gegen die Einführung
eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Musik-CDs
stellen. Gerade jetzt, wo die phonographische Wirtschaft unter
massivem ökonomischen Druck steht, ist es notwendig, ein deutliches
Signal zur Stärkung dieses Wirtschaftszweiges zu geben. Mit
Ausnahme von Deutschland und Dänemark haben offensichtlich
alle anderen EU-Mitgliedstaaten erkannt, dass jetzt der richtige
Zeitpunkt ist, den Musikmarkt wieder in Schwung zu bringen und
damit die 600.000 Arbeitsplätze dieser Branche in Europa zu
sichern.
Deutschland, das die Mehrwertsteuerabsenkung für CDs verhindert,
versucht nach Informationen des Deutschen Kulturrates auch, die
vom Europäischen Parlament angeregte EU-Beobachtungsstelle
für Kulturpolitik zu verhindern. Die Initiative des Europäischen
Parlaments zielt darauf ab, den Informationsaustausch über
die Kulturpolitiken der Mitgliedstaaten zu verstärken und
besonders gelungene kulturelle Initiativen in Europa bekannt zu
machen.
Transparenz
gefordert
GATS: EU-Handelskommissar Lamy trifft Deutschen Kulturrat
Der Vizepräsident des Deutschen Kulturrats, Heinrich Bleicher-Nagelsmann,
und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf
Zimmermann, haben sich am 20. Februar 2003 gemeinsam mit Vertretern
der Kulturbranche mit dem für die GATS-Verhandlungen zuständigen
Mitglied der Europäischen Kommission, Pascal Lamy, anlässlich
dessen Berlin-Besuchs ausgetauscht.
Heinrich Bleicher-Nagelsmann betonte die Notwendigkeit einer
transparenten Verhandlungsvorbereitung bei den GATS-Verhandlungen,
bei denen
die Zivilgesellschaft eingebunden sein müsse. Die Europäische
Kommission bereitet zur Zeit die Gespräche vor, die sie auch
im Namen Deutschlands mit der Welthandelsorganisation im Rahmen
des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen
(GATS) unter anderem über so genannte Kulturdienstleistungen
führen will. Der Deutsche Kulturrat begrüßte die
Ankündigung Pascal Lamys, dass die Europäische Kommission
in ihrem Vorschlag für eine Verhandlungsposition keinerlei
Angebote für kulturelle Dienstleistungen vorgesehen habe.
Gleichzeitig betonte der Deutsche Kulturrat, dass auch Angebote
in den horizontalen Bereichen gemäß Artikel 151 (Kulturverträglichkeitsprüfung)
des Amsterdamer Vertrags auf ihre direkten oder indirekten Auswirkungen
für den Kultursektor geprüft werden.
EU-Kommissar Pascal Lamy versicherte, er sehe keinen Grund für
eine Abweichung von der bisherigen Position im Kulturbereich. Er äußerte
Verständnis für die Bedenken hinsichtlich des Abbaus
von Subventionen oder zu Privatisierungen. Lamy bot an, auch in
Zukunft mögliche Probleme oder Befürchtungen direkt zu
erörtern.
Der stellvertretende Präsident des Deutschen Kulturrats, Heinrich
Bleicher-Nagelsmann, sagte: „Der Deutsche Kulturrat wird
weiterhin darauf hinwirken, dass GATS und die damit verbundenen
Konsequenzen stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert
werden. Auch die in Deutschland für die Verhandlungen Verantwortlichen
müssen stärker zu deren Transparenz beitragen.“