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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 15
52. Jahrgang | April
Deutscher Kulturrat
Aktion: GATS-Verhandlungen
EU Kommission lädt Deutschen Kulturrat zur Konsultation
ein
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats
beschreibt in vier Punkten die Initiativen des Deutschen Kulturrats
zum Thema GATS-Verhandlungen:
1. Deutscher Kulturrat verabschiedet Resolution zu den GATS-Verhandlungen
2. Staatsministerin für Kultur und Medien unterstützt
die Resolution des Deutschen Kulturrates
3. Deutscher Kulturrat trifft den EU-Handelskommissar Pascal Lamy
in Berlin
4. Deutscher Kulturrat startet eine Aktion, um die kulturelle Öffentlichkeit über
die Auswirkungen der GATS-Verhandlungen für den Kulturbereich
aufzuklären.
Die Europäische Kommission
diskutiert im Namen Deutschlands zur Zeit mit der Welthandelsorganisation
im Rahmen des Allgemeinen Übereinkommens über
den Handel mit Dienstleistungen (GATS) auch über so genannte Kulturdienstleistungen.
Bibliotheken, Archive, Museen und andere Kulturanbieter gehören für
die Welthandelsorganisation zu den Dienstleistungen im Sinne des GATS und sollen
weltweit handelbar gemacht werden. Es geht bei den GATS-Verhandlungen also
auch um die Öffnung des globalen Dienstleitungsverkehrs im Kulturbereich.
Kunst und Kultur sind auf den internationalen Austausch angewiesen.
Kunst, die in nationale Grenzen eingesperrt wird, verkümmert, verliert den Anschluss
an die weltweite Entwicklung. Ist GATS also gut für die Kultur? Wohl kaum,
denn bei GATS geht es um Marktmacht und nicht um Kulturentwicklung. So soll
zum Beispiel unter den Stichwort „Meistbegünstigung“ erreicht
werden, das Handelsvergünstigungen, dazu zählen unter anderem die
Subventionierung von Kultureinrichtungen, allen Mitgliedern der Welthandelsorganisation
in allen Mitgliedsländern gleichermaßen zugestanden werden (Inländerbehandlung).
Bibliotheken, Museen und Theater in Deutschland würden bei ihrer Finanzierung
im direkten Wettbewerb mit Anbietern kultureller Dienstleistungen aus der ganzen
Welt stehen. Das gilt um so mehr für die Kultureinrichtungen, die in den
letzten Jahren durch Umwandlung in Stiftungen oder GmbHs scheinprivatisiert
wurden. Wer weiß, vielleicht muss in der Zukunft die Aufführung
von „Tristan und Isolde“ an der Berliner Staatsoper, die ja gerade
unter das Dach einer Trägerstiftung gestellt und damit privatisiert wird,
weltweit ausgeschrieben werden. Die öffentliche Förderung erhält
dann derjenige, der das Werk am günstigsten aufführen kann. Wollen
wir wirklich Kunst und Kultur diesen Marktgesetzen unterwerfen?
Die EU-Kommission hat den Deutschen Kulturrat zur Konsultation
eingeladen. Der Deutsche Kulturrat ist diesem Angebot gefolgt und
hat zu den GATS-Verhandlungen
deutlich Stellung bezogen. Der Deutsche Kulturrat fordert in seiner Stellungnahme
die EU-Kommission auf, Liberalisierungsangebote auf ihre Kulturverträglichkeit
zu prüfen. Dies gilt insbesondere für jene Bereiche, in denen der
kulturelle Bezug auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist wie etwa bei Wettbewerbsbestimmungen.
Der Vorstand des Deutschen Kulturrates und die Staatsministerin für Kultur
und Medien Christina Weiss sprachen am 03. Februar ausführlich über
die GATS-Verhandlungen. Die Staatsministerin teilt die Auffassung des Deutschen
Kulturrates, dass die kulturelle Vielfalt der nachhaltigen Entwicklung dient
und daher einen ebenso hohen Stellenwert haben sollte wie die Biodiversität.
Die Staatsministerin für Kultur und Medien unterstützt die in der
Resolution des Deutschen Kulturrates enthaltenen Ziele. Bei der jetzt anstehenden
Formulierung der Verhandlungsposition der Europäischen Gemeinschaft soll
sichergestellt werden, dass die in Art. 151 des Amsterdamer Vertrags festgelegte
Kulturverträglichkeitsprüfung angewandt wird und so sichergestellt
wird, dass Liberalisierung in kulturfernen Bereichen keinen Schaden für
die Kultur nach sich zieht.
Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sich am 20.
Februar Vertreter des Deutschen Kulturrates mit dem für die GATS-Verhandlungen zuständigen
Mitglied der Europäischen Kommission, Handelskommissar Pascal Lamy in
Berlin getroffen. Bei dem Gespräch betonte der Deutsche Kulturrat die
Notwendigkeit einer transparenten Verhandlungsvorbereitung bei den GATS-Verhandlungen,
bei denen die Zivilgesellschaft noch stärker als bisher eingebunden sein
müsse. Der Deutsche Kulturrat begrüßte die Ankündigung
Pascal Lamys, dass die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag für
eine Verhandlungsposition keinerlei Angebote für kulturelle Dienstleistungen
vorgesehen habe. Gleichzeitig betonte der Deutsche Kulturrat, dass auch Angebote
in den horizontalen Bereichen gemäß Artikel 151 (Kulturverträglichkeitsprüfung)
des Amsterdamer Vertrags auf ihre Auswirkungen für den Kultursektor geprüft
werden.
EU-Kommissar Pascal Lamy versicherte bei dem Gespräch mit dem Deutschen
Kulturrat, er sehe keinen Grund für eine Abweichung von der bisherigen
Position im Kulturbereich. Er äußerte Verständnis für
die Bedenken hinsichtlich des Abbaus von Subventionen oder zu Privatisierungen.
Der Deutsche Kulturrat wird weiterhin darauf hinwirken, dass
GATS und die damit verbundenen Konsequenzen stärker
im öffentlichen Bewusstsein verankert werden. Der Deutsche Kulturrat hat
deshalb eine Aktion gestartet um die kulturelle Öffentlichkeit über
die Auswirkungen der GATS-Verhandlungen für den Kulturbereich aufzuklären.