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nmz-archiv
nmz
2003/04 | Seite 47-48
52. Jahrgang | April
Dossier:
Messebilanz
Eine Pflichtveranstaltung für Musikpädagogen
Die Musikmesse
als Informations-Forum und Marktplatz · Von
Ruth-Iris Frey-Samlowski
Es lohnt sich für den Musikpädagogen allemal, die Musikmesse
zu besuchen – eigentlich eine Pflichtveranstaltung – gerade
in Zeiten, da Musikgeschäfte ganz verschwinden oder ihre Auswahl
an vorrätigem Unterrichtsmaterial drastisch reduzieren, oder
gar in manchen Gegenden Unterrichtsmaterial nur noch per Internet
oder per Fernbestellung über den Großhandel bezogen
werden kann. Jeder Musikpädagoge kann hier für sich und
sein Arbeitsfeld Neues aufnehmen, begutachten und dieses dann – selber
auf den neuesten Stand gebracht – zu Hause seinen Schülern
zugute kommen lassen. Hier kann der Pädagoge, zwar nicht ungestört,
aber doch durch das auch dieses Jahr verbesserte Konzept – Holz-
und Blechblasinstrumente sind nun zum Beispiel von den Schlaginstrumenten
getrennt untergebracht und auch andere Instrumentengattungen wurden
anders aufgeteilt – ausgedehnt die Neuheiten im Angebot
ansehen und vielleicht ausprobieren. Doch ein wenig mehr Ruhe wünschte
sich der Besucher in der Verlagshalle schon noch und das besonders
auch bei den Podiumsdiskussionen.
Das Angebot war 2003 einmal
mehr riesig, wenngleich neue
Veröffentlichungen insgesamt– wie schon im letzten Jahr – weniger
zu beobachten waren: Verlage, Instrumentenhersteller, Zubehör, Musiksoftware,
Computerhardware, Preisverleihungen, Diskussionsforum, Veranstaltungen auf
Verlagsständen, Workshops, Konzerte und eine Fülle
von verschiedenen Aktionen sowie Prolight + Sound und der Kongress CAVIS. Bei
dieser Fülle fiel es schwer, Prioritäten zu setzen, besonders auch,
weil eine gezielte Vorbereitung, etwa via Internet, sich mangels Information – überhaupt
oder detailliert genug – seitens der Messeveranstalter und der Aussteller
schwierig gestaltete.
Vielfach erfuhr der Besucher dann erst vor Ort, welche Veranstaltungen
an verschiedenen Messeständen stattfanden oder wer die Teilnehmer bei Podiumsdiskussionen
waren, also schlimmstenfalls, was der Interessierte mangels Information oder
informativer Wegweiser gerade verpasst hatte oder verpassen würde, weil
er den „falschen“ Tag für den Besuch gewählt hatte.
Ein Tag auf der Messe will aber genutzt sein, denn nicht jeder
Pädagoge
kann es sich leisten, mehrere Tage hier zu verbringen. Verlage und Instrumentenhersteller
waren jedoch gut vorbereitet, den interessierten Besucher durch die Fülle
ihres Angebots zu führen. Er selbst konnte dadurch sowohl das Neueste
als auch schon Älteres, das zwar wertvoll, aber schon vergessen oder nicht
genügend bekannt war, erkunden. Was ließ sich denn dieses Jahr entdecken?
Tendenzen bei den Verlagen
Aus der Menge und Vielfalt der Neuerscheinungen
können hier
nur einige herausgegriffen werden, die jedoch gleichzeitig auch
Schwerpunkte bestimmter Themen im Kanon der Veröffentlichungen
aufzeigen.
Musik für die Kleinsten und Information für die Eltern
waren „je früher desto trendy“ angesagt und deshalb
in Hülle und Fülle sowie in äußerst unterschiedlicher
Qualität auf den Markt gekommen. Da es sehr wohl bekannt ist,
dass gerade für die Kleinsten hohe Qualität des Unterrichtsmaterials
zusammen mit der bestmöglichen Ausbildung des Lehrers ein
Muss ist, konnte der Eindruck entstehen, dass mancher Verlag hier
nicht pädagogisch wertvoll investiert, sondern auf der Welle
mitschwimmend abkassiert. Aber schließlich entscheidet der
Musikpädagoge, dem sich durchaus bei der Fülle ein vollständiger Über-
und Einblick in die Materialien bot. Mit Spannung darf der Interessierte
hier „Kinder und Eltern erleben Musik“ von Maria Seeliger
(ConBrio) als grundlegendes Buch erwarten. Als Beratung für
Eltern und Erzieher versteht sich „Musik lieben lernen“ von
Hermann Regner (Schott Verlag). Aus der Reihe von Bilderbüchern
mit Musik oder Liederbüchern mit Bilderge-schichten, die auch
in sehr unterschiedlicher Qualität und Vielfalt vertreten
waren, sind die mit dem Deutschen Musik-Editionspreis 2003 ausgezeichneten
Bücher „Der Mond“ von Carl Orff und Annegret Fuchshuber
(Schott Verlag) und „Rolfs Vogelhochzeit“ von Rolf
Zuckowski und Julia Ginsbach (Sikorski Verlag) beispielhaft zu
nennen. „Ein Besuch im Instrumentenmuseum“ von Andrea
Hoyer, sowie „Mit Papageno auf Du und Du“ von Arnold
Werner-Jensen (beide Schott Verlag) als Opernführer für
junge Leute, stehen dann eher schon für den Bereich der spielerisch
verpackten Lernbücher für Kinder und Jugendliche.
Auf dem Sektor Instrumentalmusik gab es bei Bläsern und Streichern neue
Schulwerke, weniger beim Klavier. Darüber hinaus überwogen die Hefte
mit Spielstücken unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade für unterschiedliche
Zielgruppen. Hierbei handelt es sich teils um Zusammenstellungen der Werke
eines Komponisten, teils um gemischte Alben. Erfreulich ist festzustellen,
dass Komponisten moderner Musik speziell für Kinder schreiben, so zum
Beispiel im Bereich Klavier Heinz Holliger „Kinderleicht“ (Schott
Verlag) und die Geschichten von Lajos Papp „Räuber Hotzenplotz“ (Ricordi)
und „Lustige Trompeter“ (Editio Musica Budapest).
Zum Thema Kammermusik für den Unterricht fand der Musikpädagoge von
den Verlagen, die solche Reihen schon anbieten, Neuerscheinungen besonders
mit leichterem Schwierigkeitsgrad in unterschiedlichen Instrumentenkombinationen.
Auch der Bereich der Popularmusik wurde sehr breit und in unterschiedlichster
Qualität angeboten. Ausführungen für unterschiedliche Instrumente
gab es in verschiedenen Schwierigkeitsgraden meist mit begleitender Musik-CD.
Das Angebot von Spielliteratur für multikulturellen Musikunterricht ist
gestiegen. Im Überblick wird dieses Thema in dem Buch „Interkultureller
Musikunterricht“ von Matthias Kruse (Bosse Verlag) behandelt.
Im Bereich
der Vokalpädagogik bietet das gleichnamige Buch von Rainer
Pachner (Bosse Verlag) mit historischer, physiologischer, pathologischer und
praktischer Betrachtung einen guten Einstieg.
Unter den vielen vorhandenen Nachschlagewerken und Fachbüchern für
den Pädagogen ist auf die neue MGG (Bärenreiter Verlag), auf den
neu erschienenen Musikalmanach 2003/2004 (Bosse Verlag) und auf „Der
Musiker im Steuerrecht“ von Sören Bischof (Verlag Voggenreiter)
als Nachschlagewerke hinzuweisen. Unter den für den Musikpädagogen
sicher lesenswerten Fachbüchern sind als Neuerscheinungen „Spielräume
Musikvermittlung“ von Barbara Stiller, Constanze Wimmer und Ernst Klaus
Schneider (ConBrio), „Forschendes Üben“ von Jürgen Uhde
und Renate Wieland (Bärenreiter) und „Musikstudium und Gesundheit“ von
Horst Hildebrandt (Peter Lang Verlag) zu nennen.
Der Bereich der unterstützenden Software für Musikpädagogen
hat sich sowohl im Messeangebot als auch allgemein sehr stark vergrößert.
In aller Kürze ist auf „Sibelius“ hinzuweisen: die gegenüber
Version 1 funktional stark erweiterte und verbesserte Version 2 wurde hier
vorgestellt. Sibelius ist mit dieser Verbesserung nun nicht mehr nur als Notenschreibprogramm,
sondern als auch für den Pädagogen sehr interessantes Werkzeug zu
verstehen. Gleichzeitig soll jedoch auch die neue Gitarren und Songwriter-
Software „G7“ die Messebesucher überzeugen.
Instrumentenhersteller
Fotoimpressionen von der
Frankfurter Musikmesse 2003: Die Instrumentenbauer präsentieren
ihre Handwerkskunst...
Die Klavierindustrie vergab den diesjährigen Preis „Klavierspieler
des Jahres“ an Paul Kuhn für seine Kreativität,
mit der er Millionen von Menschen für die Musik und speziell
für das Klavierspiel begeistert habe. Für alle Instrumentalisten
gab es vielfältige Möglichkeiten, auf der Messe Neuerungen
ihres Instruments kennen zu lernen und auszuprobieren. Gerade die
zum Teil gravierenden Qualitätsunterschiede ließen sich
im direkten Vergleich gut erfahren. Der diesjährige Instrumentenpreis
ging an Trompete und Westerngitarre. Bei den Klavierfirmen feierte
Bechstein sein 150-jähriges Jubiläum und brachte zu diesem
Anlass ein Buch zur Historie des Hauses heraus. Auch ohne Jubiläum
hat Bösendorfer ein solches wertvolles und durch Kommentare
großer Pianisten sehr betrachtens- und lesenswertes Buch über
die Firmengeschichte neu vorgestellt. Seiler setzt weiter auf die
Verbindung Sport und Musik und stellte seinen Wettbewerb für
junge Pianisten unter diesem Aspekt heraus, während Mollenhauer
sein Blockflötenmuseum in Fulda in den Vordergrund rückte.
Musikmesseforum
Auf der Themenbühne konnte der Messebesucher Podiumsdiskussionen,
Verlagspräsentationen und für die Musikpädagogik
engagierte Reden, wie die von Michel Friedman bei der Preisverleihungen
des Deutschen Editionspreises Musik verfolgen.
War es letztes Jahr die „Musik Library“, so musste
der Besucher sich dieses Jahr an den neuen Namen „Musikmesseforum“ gewöhnen,
um in gewohnter ConBrio-Qualität Podiumsdiskussionen zu zahlreichen
interessanten Themen mit hochkarätigen Diskussionspartnern
live zu erleben. Für die Diskussionen war für jeden Tag
ein bestimmtes Thema (die nmz berichtet in diesem Dossier ausführlich
an anderer Stelle dazu) festgelegt worden, so standen etwa am Donnerstag „Perspektiven
musikalischer Bildung“ zur Diskussion. Es wurde dabei natürlich
das einschlägige Thema „Mit Geigen gegen PISA – aktives
Musizieren als Instrument einer Bildungsreform“ diskutiert,
jedoch wurden neben der immer wieder dargestellten, bekannten Problematik
Konzepte eher spärlich vorgetragen, wobei Christian Höppner
immer wieder deutlich auf gute Konzepte und eine nötige Vernetzung
hinwies. Die von Theo Geissler moderierte Livesendung „Taktlos“ im
Bayrischen Rundfunk befasste sich diesmal mit dem Thema „Musikmarketing“.
Das Musikmesseforum bot darüber hinaus zahlreiche Präsentationen
von Verlagen, zumeist Vorführungen zu neuen, aber auch zu
alten Unterrichtsmaterialien. Hier nur zwei Beispiele: Zum einen
wurde das pädagogische Konzept, das hinter der Reihe „Vocal
Percussion“ (Universal Edition) steht, vorgestellt, zum anderen
stellte Prof. Gerhard Mantel sein neues Buch „Mut zum Lampenfieber“ (Schott
Verlag) vor.
Fortbildung auf der Messe
Sollte Fortbildung auf der Musikmesse angesiedelt werden, oder
ist diese nicht schon umfangreich genug und auch Fortbildung
an sich, so dass hier nicht noch Fortbildung angesiedelt werden
sollte, fragt sich der aufmerksame Besucher, denn Hinweise zu
Aus- und Fortbildung gab es ja schon immer. Yamaha hatte es versucht
und hierzu „praxisorientierte Workshops zu vielfältigen
Aspekten und Aufgabenstellungen...“ rund um die Uhr angeboten.
Im Vorfeld wurden in großem Stil Einladungen an die „Leitungen
allgemeinbildender Schulen, kommunaler und freier Musikschulen,
kommunaler und freier Kindertagesstätten sowie Freizeit-
und Bildungseinrichtungen“ verschickt, um möglichst
viele Leute in das Yamaha-Haus zu ziehen. So nahmen dann auch
Neugierige und Interessierte, Musikpädagogen und Fachfremde
das Workshopangebot wahr. In drei nebeneinander liegenden Räumen
konnten die Teilnehmer immer simultan Bläser, Keyboard und
Früherziehung verfolgen, da der Schallschutz fehlte. Bedauerlicherweise
litt die Konzentration stark darunter. Ob die Ausführung
der Workshops und die pädagogische Qualität der Materialien
und der Kursleiter das waren, „was sich viele Musikerzieher/-innen
schon lange gewünscht haben“, konnte jeder Musikpädagoge
mit qualifizierter Ausbildung, wenn er denn hingegangen ist, selbst
erfahren und sich sein Urteil bilden. Auch bleibt fraglich, ob
die angesprochenen „Musikpädagogen, Musikerzieher, Sozialpädagogen
und alle, die in der allgemeinbildenden Schulen Musik unterrichten“ hier
tatsächlich den „Königsweg Musik“ – was
auch immer man darunter versteht –, entdecken konnten. Eher
konnte der Besucher ein Trimmdich-Programm nach flotten, lauten
Rhythmen erkennen und durfte in den Fragerunden, wenn es sie denn
gab, feststellen, dass das Wissen der Workshopleiter genau mit
dem vorgeschriebenen Material übereinstimmte. Hochglanzwerbematerialien
gab es dann in Hülle und Fülle. Mit Feedbackbögen,
Bestellbögen, Adressangaben und Foto der Anwesenden konnte
sich Yamaha dann ein genaues Bild der Teilnehmer machen.
Music4kids
Schon der Anspruch im Titel der Veranstaltung forderte geradezu
das Hinterfragen durch den Betrachter heraus. Hieß hier „mitmachen“ mit
anderen zusammen etwas machen und sollte sich das durch Zufall
ergeben
oder gab es pädagogische Konzepte der unmerklichen Anleitung
zum Erforschen und gemeinsamen Tun oder hieß es einfach:
dabei sein – egal wie? Zum dritten Mal nun ließ es
sich die Messe viel Geld kosten, um etwas für den Nachwuchs
zu tun.
Irgendwelche – durch konstruktive Kritik und gesunden Menschenverstand
oder durch Erkenntnisse wissenschaftlicher pädagogischer und
musikmedizinischer Forschung erforderlichen – Verbesserungen
waren und sind im Verlauf dieser Zeit hier jedoch nicht zu verspüren.
... und die Messe umwirbt
mit „music for kids“ ihr künftiges Publikum.
Beide Fotos: Juan Martin Koch
Grundsätzlich ist zwar die Initiative der Messe zu begrüßen,
Kinder zum aktiven Musizieren anzuregen, dabei neue Wege zu beschreiten
und zu unterstützen, um so den Weg aus der „Langeweile
der Spaßgesellschaft“ ins aktive Musizieren, ins Abenteuer
Musik zu fördern. So heißen zwei der Slogans: „…Die
Messe Frankfurt macht sich stark für aktives Musizieren“ und „Music
sounds better with you“. Im Pressetext heißt es weiter,
dass „die Musikindustrie auf Maßnahmen der Markterweiterung
mit Programmen und Aktivitäten, die das Musizieren und die
Musikerziehung in Schule und Freizeit fördern, setzt.“ Schön
wäre es, wenn man gezielt pädagogisch wertvolle Wege,
die auch das langfristige Interesse der Kinder an Musik, am aktiven
Musizieren fördern, angehen würde. Hier steht ein großes
Potential, auf der einen Seite die Messe Frankfurt und die Musikindustrie
und zum anderen die Hochschulen und erfahrenen praktizierenden
Musikpädagogen mit fundierten pädagogischen Konzepten.
Ein Meisterwerk der Vernetzung könnte dabei gelingen, Kinder
aktiv an das Musizieren um seiner selbst und nicht der (Neben-)Effekte
willen heranzuführen, wenn, ja wenn das unter anderem von
verantwortungsbewussten Musikpädagogen bereits gelebte und
für die musizierenden Schüler angestrebte Ziel hoher
Sozialkompetenz und Teamfähigkeit durch/mit Musik bereits
in der Planung und pädagogischen Umsetzung eines Events wie
diesem vorgelebt würde. Das wäre in sich schon fast eine
Neuheit. Sie widerspräche nicht einmal marktwirtschaftlichen
Aspekten – im Gegenteil, diese würden sich dann sogar
langfristig von selbst einstellen. Zu ideal gedacht? Nein! Ziele
können nicht hoch genug gesteckt werden, um dann den Weg gemeinsam
zum Erfolg zu vollenden.
Konkret zum Event-Projekt Music4kids: Fantasievoll war der Grundgedanke
der Instrumentengruppen und des ganzen Orchesters. Höchst
wirkungsvoll gelang der Bau der Instrumente und das individuelle
und gemeinschaftliche auch körperliche Erfahren, wie Töne
zustande kommen, wie verschieden die Klänge sind, dass sie
von der Kraft, aber auch vom Material abhängen und... und...
und dass man damit wirklich ein gelungenes gemeinschaftliches Abschlusskonzert
gestalten kann. Hier kann man Michael Bradtke gratulieren. Unter
dem Motto „Zusammen spielen – Orchester gründen“ gestaltete
er auch die Führungen für Kindergärten und Schulen,
aber auch für Kindergruppen an Wochenenden und zeigte sich
hier zwar pädagogisch nicht ungeschickt, aber auch nicht gerade
professionell. Auch Michael Schanze, den Klavierspieler des Jahres
2001, führte er mit eigens dafür ausgesuchten Kindern
(warum? – sie hatten keine Funktion) und vielen dazugekommenen
recht unvorbereitet durch die Ausstellung. Michael Schanze rettete
die Situation, indem er mit den Kindern Späße machte
und sie zum Erkunden der Instrumente anregte. Es wird wie in den
Jahren zuvor klar, dass hier zu guten Ideen als Hilfe für
eine erfolgreiche Umsetzung ein neues detailliertes und durchdachtes
pädagogisches Konzept hinzukommen muss. Dieses musste dann
wiederum von engagierten und qualifizierten Musikpädagogen
umgesetzt werden.
Und gerade hier verschließt die Messe vor Begeisterung für
das eine, dem sie ein Ohr leiht, ja eigentlich das andere Ohr und
dies jetzt bereits im dritten Jahr. Als pädagogische Alibifunktion
hat die Messe Frankfurt die Frankfurter Musikschule hinzugenommen
und diese hat sich auch dazu gebrauchen lassen. Ein pädagogisches
Konzept für die Schallkabinen, die in der Kompetenz der Musikschule
lagen und von denen es in der Ankündigung hieß: „Und
für alle, die schon immer ein Instrument spielen wollten,
lohnt sich ein Besuch der Schallkabinen. Dort werden von ausgebildeten
Musiklehrern und Musiklehrerinnen die wichtigsten Grundkenntnisse
im Umgang mit dem Lieblingsinstrument vermittelt.“
Eine Umsetzung dieses Anspruchs war nicht zu erkennen. Im Gegenteil,
die „ausgebildeten Musiklehrer“ fehlten zum Teil gänzlich
oder mussten zur gleichen Zeit zum Beispiel Querflöte, Blockflöte
und Posaune in einer Schallkabine mit mehreren Kindern pro Instrument
engagiert vermitteln – besser aber ertragen. Der Höhepunkt
war, dass die Lehrer und Betreuer gemeinsam Pause machten und die
Schallkabine leer stand. Einen Ohrenschallschutz trugen diese Lehrer
fast durchgängig nicht, nur der Schlagzeuglehrer und die meisten
Betreuer hatten in diesem Jahr einen solchen Schutz. Bereits eine
erste Untersuchung dieser Situation unter musikmedizinischen Gesichtspunkten
wirft viele Fragen auf. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass
sich hier ein hohes Gefahrenpotential für die Kinder (gerade
im Vorschulalter) und auch deren unwissende Eltern zeigt. Es ist
nicht nachvollziehbar, warum die Veranstalter hier nicht mit kompetenten
Fachleuten zusammenarbeiten. Dabei steckte in einem solchen Projekt
eine riesige Chance zur Musik zu finden. Von Grillen weiß man,
dass sie, wenn sie zirpen, ihre Ohren verschließen, um sie
nicht zu schädigen, Menschen können das jedoch nicht.
Die erwachsenen Music4Kids-Betreuer auf der Messe haben sich wie
Grillen verhalten, die Kinder aber mit ihren sensiblen Ohren hatten
dabei keine Chance.
Einige Fragen an die Verantwortlichen müssen gerade hier erlaubt
sein: warum muss es denn unkontrolliert so laut zugehen (bis hin
zur möglichen Schädigung des Gehörs) – es
gibt Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen, dass auch niedrige
Schallpegel sehr spannend und anregend sein können. Müssen
denn zwei Schlagzeuge und E-Gitarren mit Verstärker in einer
einzigen Schallkabine und auf hohe Lautstärke gedreht gemeinsam
aktiviert werden und dies (zeitweise?) ohne jeden Musikpädagogen
oder Betreuer? Und warum kann denn die im Piano Salon versammelte
Klavierindustrie nicht einmal ein einziges (wenigstens ein gebrauchtes
oder transportgeschädigtes) Klavier für die Schallkabinen
aufbieten, statt das Feld der Elektronikindustrie total zu überlassen?
Schade, eine große Chance wurde auch in diesem Jahr vertan.
Gespannt warten wir auf die nächste…