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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 28
52. Jahrgang | April
Jugend musiziert
Partitur für eintausendsechshundert Musiker
Die Erstellung des Zeitplans zum Bundeswettbewerb ist keine
Hexerei
Es muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden: Teilnehmer-Eltern
sind Menschen mit einer heiklen Mischung aus Insiderwissen und
Ungeduld! Denn am Tag, nachdem ihr Sprössling den Landeswettbewerb
mit einer Weiterleitung zur Bundesebene absolviert hat, bestürmen
engagierte Eltern die Bundesgeschäftsstelle „Jugend
musiziert“ gerne mit der Frage, wann denn sein oder ihr genauer
Wertungstermin beim Bundeswettbewerb sei. Mit ebensolcher Regelmäßigkeit
bekommen die Anrufer dann die freundliche Auskunft, dass mit einem
genauen Zeitplan erst vier Wochen vor Wettbewerbsbeginn zu rechnen
sei. Worüber sie sich dann auch wunschgemäß regelmäßig
entrüsten.
Auf mehreren Quadratmetern
werden die Wertungstage dargestellt, bevor daraus der Zeitplan
im handlichen Format entsteht. Foto: „Jugend musiziert“
Man reibt sich im Orga-Team
der Bundesgeschäftsstelle zuweilen erstaunt die Augen,
angesichts solch grenzenlosen Vertrauens in die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung.
Kann man doch zumindest bei den „alten Eltern-Hasen“ unterstellen,
dass sie mehr als eine vage Vorstellung vom organisatorischen Aufwand dieser
Datenverwaltung haben. Wem sich das Rätsel Zeitplan noch immer nicht erschließt,
dem sei im Folgenden eine kleine Einführung gegeben:
Von Januar an sind die Landesausschüsse der 16 Bundesländer und eine
Anzahl Deutscher Schulen im europäischen Ausland damit beschäftigt,
die Ergebnisse ihrer Regionalwettbewerbe in einen Zeitplan für den Ablauf
der Landeswettbewerbe zu verwandeln. Die Termine der Landeswettbewerbe richten
sich nach allerlei logistischen Gegebenheiten, ein wichtiger Baustein ist die
Anzahl der Regionalwettbewerbe in einem Bundesland. Bundesweit sind 160 Regionalwettbewerbe
durchzuführen.
Ab Ende Februar bis weit in den März hinein werden auf dieser Basis die
Landeswettbewerbe „Jugend musiziert“ durchgeführt. Bevölkerungsreiche
Bundesländer mit vielen Teilnehmenden wie Baden-Württemberg, Bayern
oder Nordrhein-Westfalen dehnen ihre Wettbewerbswochenenden auf vorhergehende
oder nachfolgende Werktage aus, wenn sie den Wettbewerb nicht gleich an zwei
separaten Wochenenden durchführen.
Ist ein Landeswettbewerb abgeschlossen, verstreichen oft mehrere
Tage, bis die Landesausschüsse die Punkte, Preise und Weiterleitungen ordnungsgemäß dokumentiert
haben und die Ergebnisse ihres Landeswettbewerbs an die Bundesgeschäftsstelle
melden. Alle Daten müssen als Anmeldeformulare weitergeleitet und in der
Bundesgeschäftsstelle nochmals gegengelesen und überprüft werden,
denn seit Wettbewerbsbeginn am 1. Dezember des Vorjahres können sich Adresse
oder Wettbewerbsprogramm geändert haben. In solchen Fällen müssen
sie bei den Teilnehmern nochmals nachgefragt und abgeglichen werden.
Sechs Wochen vor Beginn des Bundeswettbewerbs fehlen üblicherweise rund
15 Prozent der notwendigen Anmeldeformulare. Denn direkt im Anschluss an die
Landeswettbewerbe finden bereits Arbeitsphasen der Landesjugendorchester, Kammermusik-Kurse
oder andere Konzertverpflichtungen statt, weshalb Anmeldeformulare bisweilen
einfach liegen bleiben. Bei der vermutlichen Teilnehmerzahl von 1.600 Musikerinnen
und Musikern des Bundeswettbewerbs 2003 bedeutet dies, in rund 240 Fällen
telefonisch nachzufassen. Erst wenn die exakte Anzahl der Teilnehmenden am
Bundeswettbewerb mit allen relevanten Angaben wie Vorspielprogramm, Übernachtungsdauer
oder Verpflegungswünsche feststeht, kann man die letzten logistischen
Fragen klären:
Wie groß sind die einzelnen Altersgruppen? Reicht die Anzahl der Wertungs-
und Konzerträume? Müssen weitere Unterkünfte akquiriert werden?
Müssen Juroren um Verlängerung ihres Aufenthaltes gebeten werden
oder gar um den Verzicht ihrer Mitwirkung, weil sie Schüler im Wettbewerb
haben? Das Team in München arbeitet an der logistischen Planung mit einem
mehrjährigen Vorlauf. In Jahresfrist wäre eine derartige Großveranstaltung
gar nicht zu stemmen. Die Mehrzahl der Räumlichkeiten steht Jahre vorher
bereits fest, Juroren sind Monate zuvor bereits eingeladen worden. Aber am
Ende ist es eben doch entscheidend, dass man nicht „ungefähr“ die
richtige Anzahl von Wertungsräumen und Juroren hat, sondern eben die passgenaue.
Erfahrungen haben gezeigt, dass Teilnehmende am Bundeswettbewerb
im Durchschnitt drei bis vier Tage am Wettbewerbsort bleiben. Das
ist beabsichtigt und erwünscht,
denn sie alle sollen Gelegenheit bekommen, sich andere Wertungen anzuhören,
die neun Konzerte im Rahmenprogramm zu besuchen und am „Jugend musiziert“-Fest
teilzunehmen. Das heißt aber auch, dass dies bei der Bettenbelegung und
der Verpflegung berücksichtigt werden muss. Über den gesamten Zeitraum
des Bundeswettbewerb betrachtet, verzeichnet die Teilnehmerbetreuung so rund
6.400 Teilnehmerübernachtungen und mehr als 12.000 Mahlzeiten!
Nachdem die konkrete Menge an Teilnehmern ermittelt ist, beginnt
die Erstellung des Zeitplans. Für den Wettbewerb 2002 beispielsweise mussten die rund
1.650 Teilnehmer auf etwa 750 Wertungen, also etwa 300 Stunden Wertungszeit,
und rund 150 Stunden Beratungsgespräch verteilt werden. Berücksichtigt
man aber noch, dass es eine nicht unerhebliche Zahl von Mehrfachteilnehmern
gibt, die in Solo- oder gar mehreren Ensemblewertungen teilnehmen und deren
Wertungs- und auch Beratungszeiten sich natürlich nicht überschneiden
dürfen, wird die Angelegenheit zur Denksportleistung der Meisterklasse.
Planerisch beginnt ein Wettbewerbstag um 8 Uhr morgens mit der Einspielzeit.
Vorgesehen ist, dass die Wertungsspiele eine Stunde später beginnen. Die
kurzen Jury-Beratungspausen und die Mittagspause mit eingerechnet, lassen sich
so bis zum Ende eines solchen Tages bis zu 16 Wertungen unterbringen. Wertungskategorien,
die im Aufbau intensiv sind, dazu gehören die Schlagzeug-Kategorien, die „Besonderen
Besetzungen“ sprengen diesen Idealzeitplan jedoch. Folglich muss früher
in der Wettbewerbswoche begonnen werden, der einzelne Wettbewerbstag verlängert
werden – und mit ihm die Bereitstellung der Räumlichkeiten, der
Bundesjury, der Saalkoordinatoren und der Betreuer der Einspielräume.
Als besonderen Service versucht die Wettbewerbsleitung auf Wünsche der
Teilnehmer für ihre Wertungszeiten beim Bundeswettbewerb einzugehen. Außergewöhnliche
Ereignisse wie Konfirmation oder Kommunion, schulische Termine wie Abitur-
oder Abschlussprüfungen sollen eine ambitionierte Teilnehmerin oder Teilnehmer
nicht an der Teilnahme hindern, besonders, wenn womöglich noch ein ganzes
Ensemble davon betroffen sein könnte. Rund 100 solcher Spezialwünsche
liegen dem Team normalerweise in der Vorbereitungsphase vor und werden bei
der Erstellung des Zeitplans, wo möglich, realisiert. Und doch gibt es
den Moment, wo auch das Team Wünsche nicht mehr erfüllen und man
nur noch um Verständnis bitten kann.
Mit der Menge der Aufgaben wächst auch das Team: zwölf fest angestellte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter planen das gesamte Jahr hinweg die kommenden
Bundeswettbewerbe. Zwischen Ostern und Pfingsten sorgen sie, gemeinsam mit
acht weiteren auf Zeit in der Bundesgeschäftsstelle arbeitenden Kolleginnen
und Kollegen, für die Fertigstellung der Zeitpläne, die computergestützte
Eingabe der Wettbewerbsdaten und Wertungsprogramme, den Versand der Teilnehmerrundschreiben
und die Unterbringung von Teilnehmern und Gästen. Am Wochenende vor Wettbewerbsbeginn
vergrößert sich das Team schließlich auf 150 Mitarbeitende:
Sie alle sorgen für einen reibungslosen Ablauf, dass sich die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer in den Tagen ihres Aufenthaltes auf nichts anderes konzentrieren
müssen als auf die möglichst beste Präsentation ihres über
viele Monate geübten Wettbewerbsprogramms. Dass Gäste und Teilnehmende
die Konzerte auf und vor der Bühne genießen. Und deshalb gibt’s
den verbindlichen Zeitplan eben erst vier Wochen vor dem Bundeswettbewerb!