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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 38
52. Jahrgang | April
Jazz, Rock, Pop
Aus dem Land der Skipetaren
Albanische Musik im Spiegel der Zeiten
Für drei Millionen Einwohner ließ weiland Enver Hodscha
700.000 Bunker errichten: der unverändert erhaltenen Betonparanoia
konnte kein Albaner entkommen. Doch auch staatlich verordneter
Terror konnte der Nation eins nicht nehmen, nämlich ihre faszinierende
und facettenreiche Volksmusik.
Vor Kurzem erschien nun eine CD, die bewusst auf albanische Elemente
zurückgreift und gezielt Jazz- und andere Elemente verarbeitet:
Albanien meldet sich zurück in der aktuellen Musikwelt mit
der begeisternden Sängerin Eda Zari und ihrer CD „Statement“ (Intuition/SMS).
Mit dabei ist die musizierende Lela-Familie, eine legendäre
Musikerdynastie aus Permet im Süden (Klarinette, Akkordeon,
Laute u.a.), ebenso wie ein deutsches Jazz-Pop-Trio (Klavier, Schlagzeug,
Bass) und als Gäste ein marokkanischer Perkussionist und ein
mazedonischer Bassist. So entsteht Weltmusik – Jazzer würden
Fusion sagen – auf hohem Niveau und ohne den häufig
auftretenden Keyboard-Kitsch.
Wer sich danach für rein traditionelle albanische Musik interessiert,
sei auf zwei interessante Sammlungen verwiesen. Die Musikethnologen
der Bamberger Universität waren 1993, zwei Jahre nach dem
Fall des Hodscha-Regimes in Albanien und machten Aufnahmen, die
auf „Music from Albania“ (Rounder/inak) vorliegen.
Hier gibt es ausgezeichnete Beispiele des Kaba-Genres, bei dem
auf ein längeres Vorspiel eine ruhige Instrumentalmusik folgt.
Der mehrstimmig improvisierte Gesang ist mit einigen hervorragenden
Aufnahmen vertreten, die von Ferne an sardische ebenso wie bulgarische
Gesänge erinnern – und doch wieder eine sehr eigene,
auch regional unterschiedliche Note haben.
1979/1980 machte ein Mann – der den Panflötisten Gheorghe
Zamfir und die bulgarischen Chöre entdeckte – Aufnahmen
in Albanien, die nun als „Marcel Celliers presents Albania“ neu
erhältlich sind. Dass Cellier die Lizenz ausgerechnet an die
Scientology-nahe Firma ARC Music vergeben hat, sei beklagt; die
hat damit zweifellos einen der besten Titel in ihrem Katalog erworben
und, immerhin, die Dokumentation verbessert. Im Gegensatz zur vorigen
CD hören wir kein Ensemble mehrmals und unter den fast schon
historischen Aufnahmen findet sich eine Kaba für Violine mit
einem Ensemble der albanischen Armee. Der Höhepunkt aller
drei CDs ist ein Titel, den Cellier als „Ostinato“-Gesang
bezeichnet, quasi eine Passacaglia der faszinierenden Art. Schon
deswegen lohnt die Anschaffung der CD.