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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 37
52. Jahrgang | April
Jazz, Rock, Pop
Experimentierstube der Geschichte
Die legendäre Avantgarde-Rock-Band CAN kommt ins Museum
Seit Anfang der 70er-Jahre fügte die Kölner Gruppe CAN
der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts einen ganz besonderen
Baustein bei, den diese Szene so nur selten kennt: Eine Musik,
die auf den Grundlagen von Neuer Musik, Improvisierter Musik und
Free Jazz entstanden ist und sich dazu der Freude an den Rhythmen
des Rock erfreut: Rock-Avantgarde à la CAN! Die Gruppe ist
heute Geschichte, auch wenn der Kern der Gruppe, ihre wesentlichen
Musiker immer noch präsent sind in vielen anderen Projekten
mit der Ausnahme von Michael Karoli, der vor einiger Zeit gestorben
ist: Irmin Schmidt, Holger Czukay und Jaki Liebezeit.
Aufnahme im CAN Studio
Weilerswist mit Holger Czukay (li.) und Jaki
Liebezeit. Foto: Hans-Jürgen von Osterhausen
Versteht man Begriff und Aufgabe eines Museums richtig, nämlich
als Erhalten und Wieder-Zugänglich-Machen von besonderen Kulturgütern, überrascht
es eigentlich nicht, dass nun zwar nicht die Musiker selbst im
Stil von Madame Tussaut’s Wachsfiguren-Kabinett, sondern
ihr ebenso legendäres Studio aus Weilerswist, einem kleinen
Ort westlich von Köln, in das im Aufbau befindliche Rock’n’Popmuseum
in Gronau/Westfalen kommt.
Dieses Vorhaben wurde in einer Pressekonferenz im Studio in Anwesenheit
der Musiker, ihrer Managerin Hildegard Schmidt, des Studio-Inhabers
und Produzenten Rene Tinner und von Andreas Bomheuer, dem Geschäftsführer
des Museums der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit Geschichten
aus der Vergangenheit waren die Musiker höchst sparsam, verwiesen
lieber auf das CAN BOX BOOK von Hildegard Schmidt und Wolf Kampmann
(Münster 1998), in dem die Geschichte der Band und des Studios
im einzelnen festgehalten ist. Froh sind sie, dass es nicht wie üblich
in den vorhandenen schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ersatzlos
aufgegeben wird, sondern sachgerecht abgebaut wird, wie ein Fachwerkhaus
für ein Freilichtmuseum, und dann original 1:1 auch mit den
1.500 schallschutzdämmenden Matratzen und den kunstvollen
und farbenfrohen Wandbehängen in Gronau wieder aufgebaut wird.
1971 wurde es in einem ehemaligen Dorfkino errichtet, um danach
Schauplatz für die Entstehung der nicht alltäglichen
Musik der Band zu werden, wie auch einer für viele andere
Produktionen. Auf den ersten Blick fragt man sich natürlich,
wie ein Museum ein Studio dieser Art so in seinen Schaubetrieb
einbeziehen kann, dass es nicht eben doch nur noch ein beliebiges
Museumsstück wird.
Das Museum selbst, das im Herbst dieses Jahres eröffnet wird,
sieht als eine Art Experimentierstube der Geschichte nach dem Beispiel
der Industriemuseen, die gerade in Nordrhein-Westfalen vorbildlich
entstanden sind. Kein Wunder, dass auch dieses Museum von der NRW-Landesregierung
nicht nur begrüßt, sondern auch nachhaltig unterstützt
wird. So wird es nicht nur die Hüte des aus Gronau stammenden
und Museums-Mit-Erfinders Udo Lindenberg zeigen, sondern den Gast
mit vielen Mitmach- und Erlebnisschritten konfrontieren, die ihn
aktiv in die Welt der Pop Musik und deren kulturelle Bedeutung
hineinführen.
Das Studio wird einen Platz nicht unmittelbar im Museumsgebäude,
einer ehemaligen Fabrik, sondern in dessen Nähe erhalten.
Leer stehende Gebäude dieser Art gibt es in Gronau genug,
sie müssen nur die Dimensionen des Studios auch aufgreifen
können. Wissenschaftlich begleitet und genutzt wird das Museum
in Zusammenarbeit mit der Universität Münster von dem
bekannten Konservatorium der niederländischen Nachbarstadt
Enschede, das bereits über eine Abteilung für Populäre
Musik verfügt. Auch dies stellt sicher, dass das Studio nicht
nur abgestellt, sondern wieder zu neuem (altem) Leben erweckt wird.
Es ist ein idealer Platz für Workshops und vieles mehr. Noch
einmal leistet so die Band aus Köln der Musik und ihren Nutzern
einen großen Dienst.