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nmz-archiv
nmz 2003/04 | Seite 38
52. Jahrgang | April
Jazz, Rock, Pop
Hits & Clips
Christina Aguilera: Beautiful
Funktioniert es eigentlich, wenn Popstars plötzlich Balladen
singen, die sich sensibel für’s Menschliche zeigen?
Aguilera legt nun einen Versuch vor, die Individualität hoch
leben zu lassen – in Lebenshilfe-Manier. Im ersten Refrain „I
Am…“, dann „You Are…“ und schließlich „We
Are Beautiful“ und wir lassen uns nicht unterkriegen. Konventionelle
Rockballade nach Schema F: Einsteig mit Streichern und Gitarre,
schon mit der zweiten Strophe rückt ein Rumms-Beat alle Zartheiten
zurecht. Fragen wirft vor allem das Video auf: Was haben ein Grufti,
ein nettes Schwulenpaar und eine hübsche Schwarze denn neben
den anatomisch leicht Benachteiligten (die Dünne, der Hänfling
und das Mundklammer-Mädchen) zu suchen? Was setzt die Aufreihung
der Bedauernswerten, die sich am Selbstbewusstsein des eher dümmlich-attraktiven
Star aufrichten sollen, fort? Der PR-Berater? Dauerrivalin Britney
Spears? Homer Simpson?
Kelly Rowland: Stole
Als wesentlich komplexer und lebensnäher erweist sich interessanterweise
das tragische Geflecht, das Destiny’s Child-Star Kelly Rowland
in „Stole“ (immerhin auch der Opener ihres Soloalbums)
beschreibt: Es geht um den Selbstmord eines Mobbingfalls in der
Schule, aber eben auch um das Leid der Suizid-Zeugin. Der Text
umreißt in klaren Worten die Situationen, das Video bleibt
nahe an den Zeilen und musikalisch scheint der R&B- beziehungsweise
Soul-Kontext dem Thema wesentlich gerechter zu werden. Neben dem
unbestrittenen Gesangs-Flow und der überraschenden harmonischen
Wendung zum Refrain sorgt vor allem die reichhaltige Background-Atmo
(Flüsterstimmen, Scratchen, ein Sitarmotiv) für eine
irritierende Unruhe in der Ballade. So versuchen die Macher zumindest, über
den zweiten Klangraum zum Zuhören anzustiften.