Internationales Festival für Neue Musik „expozice
nové hudby“
Musik an ungewöhnlichen Orten. Mit diesem Konzept entstehen
hier zu Lande neue Impulse für das klassische Konzertgeschehen.
So vermutet der Besucher aus dem Westen bei der ersten Begegnung
mit dem Internationalen Festival für Neue Musik im tschechischen
Brno eine ähnliche Idee. Vom 14. bis 18. Mai 2003 fand die
„expozice nové hudby” im „Fléda”,
einem populären Club und Veranstaltungsort im südmährischen
Brünn, statt, der Stadt, die als Schaffensstätte Leoš
Janáceks bekannt ist.
Aber selbst in der Stadt Janáceks gäbe es keinen eigenen
Ort für die Neue Musik, erklärt Jaroslav Štástný,
der seit 1993 künstlerischer Leiter des Festivals ist. Nachdem
das Festival die Jahre zuvor in Kirchen oder auch in alten Fabrikhallen
zu Gast war, fand es in diesem Jahr im „Fléda“
statt. Ein Ort, den man in Deutschland als soziokulturelles Zentrum
beschreiben würde. Durch die Kneipe, in der sich junge Leute
tummeln und laute Rockmusik läuft, gelangt der Besucher in
die Konzerthalle.
An fünf Abenden war die „expozice nové hudby“
hier zu Gast. Zu hören waren herausragende junge Interpreten
zeitgenössischer Musik und aktuelle Kompositionen. Die Tradition
des Festivals, das in diesem Jahr zum sechzehnten Mal stattfand,
wird durch die Präsentation der tschechischen und slowakischen
Musikszene fortgesetzt. 1969 wurde das Festival von tschechischen
Komponisten um Josef Berg gegründet, um ein Forum für
die nationalen zeitgenössischen Musiker zu schaffen. Anfang
der siebziger Jahre fiel diese Initiative der repressiven Kulturpolitik
nach dem so genannten Prager Frühling zum Opfer und konnte
erst 1988 wieder ins Leben gerufen werden. Gegenwärtig finanzieren
die Stadt Brno und das Tschechische Kulturministerium das Konzertprogramm.
Seit einigen Jahren verändert sich das künstlerische
Konzept. Der Universitätsprofessor, Musikwissenschaft-ler und
Komponist Jaroslav Štástný setzt mit seiner Dramaturgie
neue musikalische Akzente. Neben aktuellen Ensemblestücken
von tschechischen und slowakischen Komponisten wie Alois Pinos,
Martin Marek, Dano Matej oder Peter Zager sowie Ensembles wie Opera
Aperta aus Bratislava oder den Prager Tuning Metronomes waren auch
in diesem Jahr zahlreiche Namen der internationalen Musikszene vertreten.
So lud Štástný Interpreten wie den Geiger Peter
Sheppard Skaerved, die Cellistin Catherine Marie Tunnell oder das
niederländische Blockflötenquartett Malle Symen ein. Komponisten
wie Horatiu Radulescu, ein führender Vertreter der französischen
Spektralmusik, der Brite David Matthews oder der Kieler Hauke Harder
waren mit ihren aktuellen Stücken zu Gast. Jaroslav Štastný
besucht regelmäßig die internationalen Festivals und
lädt so meist Interpreten und Komponisten ein, die er auf diesen
Reisen kennen gelernt hat. Nicht nur aus diesem Grund trägt
das Brno-Festival eine sehr persönliche Handschrift. Das Besondere
der einzelnen Konzertabende ist die fast schon kompositorische Zusammenstellung
der Werke. Diese sinnlich erfahrbare musikalische Dramaturgie gibt
dem Festival sein ganz eigenes Profil. Aber das Engagement internationaler
Künstler bedeutet auch einen finanziellen Kraftakt. Eine mäßige
Gagenforderung in Euro hat in tschechischen Kronen schnell den drei-
bis vierfachen Wert. Bleibt den Veranstaltern zu wünschen,
dass die finanzielle Unterstützung von Stadt und Ministerium
langfristig gesichert ist.
Denn nicht zuletzt fasziniert der gelungene Brückenschlag
zum Publikum. Es sind nicht die geschlossenen Zirkel, wie man sie
bei institutionalisierten Festivals wie Witten oder Donaueschingen
trifft, sondern Neugierige, die der zeitgenössischen Musik
offen begegnen. Die Neue Musik hat hier einen Platz in der Gesellschaft
gefunden. Ein Festival, das Akzente setzt und zum Nachdenken über
den westlichen institutionalisierten Kulturbetrieb einlädt.