Ein kleiner historischer Rückblick auf „Jugend musiziert“
· Von Eckart Rohlfs
Eigentlich begann es mit Elly Ney und Marguerite Long, Deutschlands
und Frankreichs grandes dames de piano, als sie sechs blutjunge
Klavierspieler in einer deutsch-französischen Partnerschaftsgala
präsentierten. Anlass war ein deutsch-französisches Arbeitstreffen
der Jeunesses Musicales beider Länder. Prominenter konnte man
für das Musizieren der Jugend nicht demonstrieren; denn dieser
11. Juni 1959 im Théatre municipal de Strasbourg stand zugleich
unter dem gemeinsamen Patronat des Europolitikers Robert Schumann,
Bundeskanzler Adenauer und Strasbourgs Bürgermeister Pierre
Pflimlin – also eine in jeder Hinsicht gelungene PR-Aktion
des damaligen Werbeberaters der Deutschen Klavierindustrie. Denn
die positive Resonanz im Blätterwald hatte gewichtige Folgen.
Dem Deutschen Tonkünstlerverband, der die jungen pianistischen
Hände einbrachte, gefiel auch das weitere Kooperationsangebot,
nämlich bundesweit einen Wettbewerb für junge Pianisten
auszurichten. Denn es galt, für den ersten Internationalen
Jugendklavierwettbewerb im Congrès mondiale der Jeunesses
Musicales in Berlins Kongresshalle im Sommer 1960 die deutschen
Kandidaten in einem extra Auswahlspiel zu ermitteln.
Nostalgischer Blick zurück:
Blöckflötenwertung bei „Jugend musiziert“
vor zwei Jahrzehnten. Alle Fotos dieser Seite: Böhner/nmz-Archiv
Daraus wurde dann der erste Streich in unserer Wettbewerbshistorie:
In die damals frisch installierte Beethovenhalle nach Bonn eingeladen
wurden Anfang 1960 die besten Klavierspieler aus rund zwei Dutzend
da und dort durchgeführten regionalen Klavierwettbewerben der
Tonkünstlerverbände und Klavierhäuser wie Grotrian-Steinweg,
Steinway, Ibach, Heinersdorf oder Lang-München. 25 Buben und
Mädchen präsentierten sich bei diesem ersten deutschen
Klavierspielwettbewerb in zwei Altersgruppen, bis 12 und bis 16
Jahren, und das war so erfolgreich in der Ausstrahlung, dass für
solche Wettbewerbe mit wachsendem Interesse zu rechnen war. Und
tatsächlich sollte der vom Tonkünstlerverband und von
den deutschen Jeunesses Musicales ausgerichtete, von der Klavierindustrie
teilfinanzierte bundesdeutsche Wettbewerb unter dem Motto „Ewig
junges Klavier“ mehrfach wiederholt werden, 1962, 1964 und
1966 in Stuttgart, München und Marl. An ihre damaligen aufregenden
Starts erinnern sich einige noch ganz genau: Volker Banfield, Konstanze
Eickhorst, Bernd Goetzke, Margarita Höhenrieder, Babette Hierholzer,
Gerhard Opitz und viele andere. Solistisches und vierhändiges
Klavierspiel fand erst 1970 Eingang in die „Jugend musiziert“-Ausschreibung,
auch sporadisch weiterhin von musikwirtschaftlicher Seite wohlwollend
begleitet.
Statistische Erhebungen
Im Mini-Büro des Deutschen Musikrates in Hamburg saß
inzwischen dessen erster Generalsekretär Herbert Sass an statistischen
Erhebungen zur Lage der Musikberufe und meditierte über die
katastrophale Nachwuchslage für die deutschen Kulturorchester.
Weder die Konservatorien und Musikhochschulen, noch die damals gerade
knapp 100 Musikschulen hatten günstige Prognosen für die
fehlenden Geiger, Bratscher, Cellisten und Bassisten. Die breite
und anregende Öffentlichkeitswirkung von „Ewig junges
Klavier“ verlockte: Mit der Wettbewerbsidee wollte man nun
auch für das Spiel von Streichinstrumenten werben.
Anstoß dazu gab bereits die sechste Generalversammlung des
Deutschen Musikrates im Jahre 1960 mit ihrer Empfehlung: „…zur
Verbesserung der musikalischen Vorausbildung vor der musikalischen
Berufsausbildung...“ in jährlichem Wechsel für die
Instrumentengattungen Jugendwettbewerbe örtlich, regional und
überregional durchzuführen und zwar gleichermaßen
zur Anregung für das eigene Musizieren der Jugend wie zur Förderung
des musikalischen Nachwuchses. Zugleich sollten diese Wettbewerbe
der Auslese musikalischer Frühbegabungen dienen. So verkündete
1962 damaliger Musikratspräsident Hans Mersmann: „Das
Klavier ist nur der Anfang einer größeren Auslese, welche
immer stärker auch die Melodieinstrumente (Streicher und Bläser)
einbezieht.“
Unter einem Lindenbaum im bayerischen Pfaffenwinkel im Monat Mai
1962 kam schließlich eine Arbeitsgruppe zum Brainstorming
zusammen und brütete die Details eines bundesdeutschen Jugendwettbewerbes
aus: Beteiligt hieran waren Fritz Büchtger, der sich zum Komponieren
dorthin in ein Bauernhaus zurückgezogen hatte, Präsident
der Jeunesses Musicales und zugleich zusammen mit dem Hannoveraner
Reimar Dahlgrün Sprecher des Tonkünstlerverbandes, Herbert
Sass, der den Deutschen Musikrat und auch die Schulmusik vertrat,
Herbert Schermall, damals Tonkünstler-Geschäftsführer
in Berlin, und schließlich der Schreiber dieser Zeilen, gerade
im dritten Jahr Generalsekretär der Jeunesses Musicales. Er
sollte seine ersten jungen Erfahrungen aus der Organisation der
Klavierwettbewerbe einbringen.
Eigentlich sollten die Streicher schon 1962/63 zum Wettbewerb geladen
werden, und das eilig fabrizierte Werbeplakat konnte nicht zum Einsatz
kommen. Es bedurfte eines weiteren Jahres Aufschub, um die Finanzierung
sicherzustellen, aber auch um ein bundesweites Netz von Mitstreitern
zu installieren, die an möglichst vielen Orten die potenziellen
Begabungen ausfindig machen und zur Teilnahme ermuntern sollten,
erst die Streicher, ein Jahr später die Bläser. Herbert
Sass zog alle Register, um das geplante Konzept eines dreistufigen
Wettbewerbes zu realisieren, nämlich ein dichtes organisatorisches
Regionalnetz zu schaffen. Neben den Tonkünstler-Orts- und Landesverbänden
galt es, auch die wenigen damals schon bestehenden Musikschulen
zum Mitmachen und zur Übernahme von Mitverantwortung zu motivieren.
Jedoch waren sie noch allzu sehr auf Elementares und nicht auf leistungsorientiertes
Musizieren eingestellt. Modell für „Jugend musiziert“
waren die vor allem an Schulen praktizierten Bundesjugendspiele
des Sports. Mit dieser Argumentation konnten zunächst vor allem
Schulmusikerzieher gewonnen werden, regionale Vorspiele für
Streicher, dann für Bläser auszurichten.
Ein gemeinsamer Aufruf zu „Jugend musiziert“ signalisierte
die gemeinsame Verantwortung und Beteiligung an diesem Nachwuchsunternehmen.
Tatsächlich gewann der Deutsche Musikrat unter seiner Obhut
die maßgeblichen Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunal-Ebene
ebenso wie die vier musikerzieherisch orientierten Bundesverbände
der Tonkünstler, Musikschulen, Schulmusikerzieher und Jeunesses
Musicales. Dazu bekannte sich auch die im Oktober 1962 begründete
Deutsche Stiftung Musikleben. Schließlich gelang es, unter
dem damaligen Bundesjugendminister Bruno Heck das Projekt „Jugend
musiziert“ im sogenannten Programm „Musische Bildung“
im Bundesjugendplan der Bundesregierung zu verankern, womit auch
die Bundesförderung – zumindest für die bundesweite
Ausrichtung dauerhaft als gesichert galt. Da zogen dann auch die
Landesregierungen und gastgebende Städte finanziell nach, um
die Landes- und Regionalwettbewerbe zu ermöglichen. Zur Deutschen
Stiftung Musikleben gesellten sich als Förderer nach und nach
weitere regionale Stiftungen und andere Spender, die dann später
Sponsoren hießen. Zu den ersten gehörte die Lufthansa,
die bis heute Passagen für Preisträger stiftet, und mittlerweile
ist die Sparkassen-Finanzgruppe auf allen Ebenen mitverantwortlich
präsent. Seit dem dritten Wettbewerbsjahr steht der Bundespräsident
als Schirmherr über „Jugend musiziert“ und fast
alle Amtsinhaber würdigten mit ihrer Präsenz beim Bundeswettbewerb
oder auch durch Konzerteinladung an den Amtssitz des Bundespräsidenten
die Leistungsbereitschaft, das Leistungsvermögen und das Leistungsbeispiel
von Bundespreisträgern. Nach „Jugend trainiert für
Olympia“ entwickelte sich „Jugend musiziert“ zu
den Schülerwettbewerben mit der stärksten Teilnehmerfrequenz
und – einer Umfrage zufolge – erfreut sich „Jugend
musiziert“ in der Öffentlichkeit inzwischen eines außergewöhnlich
hohen Bekanntheitsgrades.
In dieser Genesis begründet ist die Zusammensetzung des Hauptausschusses,
der im Auftrage des Deutschen Musikrates als Träger die inhaltliche
Ausrichtung verantwortet. Analog besetzt sind die für die Landesebene
zuständigen Landesausschüsse. Hier wirken die an der Ausrichtung
hauptsächlich beteiligten Verbände und Institutionen zusammen.
Inzwischen erweitert um den Kooperationspartner Rundfunk und nach
Bedarf weitere Fachverbände für spezielle Kategorien konsultierend
und einbeziehend.
Folgen und Wechselwirkungen
Versucht man eine Bilanz, was vierzig Jahre „Jugend musiziert“
bedeuten, so darf man dies nicht alleine an alljährlich immer
noch zunehmenden Teilnehmerzahlen festmachen. Sie stiegen von den
ersten beiden Jahren 1964 und 1965, die den Streichern und Bläsern
gewidmet waren, von 2.500 und 3.500 Teilnehmern auf immerhin nahezu
20.000. Erklärbar auch dadurch, dass sich „Jugend musiziert“
in seinem Wettbewerbsangebot mittlerweile nahezu die gesamte Partitur
denkbarer Instrumente, Stimmen und Besetzungen in sechs Altersstufen
zwischen unter 8 bis zu 27 Jahren zu eigen gemacht hat.
Zur einzigartigen Erfolgsgeschichte in der jugendkulturellen Arbeit
wurde „Jugend musiziert“ vor allem wegen seiner vielseitigen
Wirkungen und Wechselwirkungen, die die musikerzieherische und musikpolitische
Landschaft in unserem Lande maßgeblich beeinflusst und verändernd
geprägt haben. Also nicht nur an dem Mehr an musizierenden
jungen Menschen, musizierenden Familien, zum Teil schon in der dritten
Generation, als Professionals oder als Amateure ist der Verdienst
von „Jugend musiziert“ zu messen, sondern vor allem
an einer Vielzahl kulturpolitischer, fachlicher, musikalisch-künstlerischer,
sozialer und auch internationaler Auswirkungen.
Kooperation
„Jugend musiziert“ lebt vor allem von einer einzigartigen
und großartigen Kooperationsbereitschaft aller, die sich für
musikalische Begabungen und deren Ausbildung verantwortlich fühlen,
im schulischen wie vor allem im außerschulischen Bereich und
auch im Übergang zur beruflichen Ausbildung. Man deckte in
und durch den Aufruf zu „Jugend musiziert“ viele grundsätzliche
gemeinsame Aufgaben, Probleme und Lösungsmöglichkeiten
auf, die einen Dialog, ein Zusammenwirken der zahlreichen Fachverbände
und institutionellen Einrichtungen der Laien- wie Berufsmusik wünschenswert
und notwendig machten. In gleicher Weise verdichtete sich um der
Sache willen die Kooperation in horizontaler wie vertikaler Ebene
zwischen privaten und öffentlichen Förderern.
Ehrenamt und Subvention
„Jugend musiziert“ hat auf allen Ebenen ein nicht
messbares Potential ehrenamtlicher Mitarbeiter ausgelöst. Nahezu
3.000, die jedes Jahr für Vorbereitung, Organisation und Leitung
der Wettbewerbe sorgen. Rund 9.000 die in Jurygremien der drei Wettbewerbsphasen
ohne nennenswertes Ent-gelt mitwirken. Dieser Geldwert freiwilligen
Einsatzes im Umfeld von „Jugend musiziert“ entspricht
zweifellos etwa der Höhe, was von öffentlicher Seite an
Steuergroschen in das Projekt „Jugend musiziert“ investiert
wird. Weder der öffentliche noch der private und ehrenamtliche
Einsatz sind verzichtbar. Gerade das freiwillige Engagement bestimmt
in hohem Maße die Atmosphäre der Wettbewerbe „Jugend
musiziert“. Andrerseits darf nicht übersehen werden,
dass gerade durch das Projekt „Jugend musiziert“ im
Laufe der Jahrzehnte viele Millionenbeträge aus öffentlichen,
aber auch aus privaten Kassen mittelbar und unmittelbar für
Aufgaben der Musikerziehung, Musikausbildung und jugendkultureller
Förderung zusätzlich zugeflossen sind. Sie ermöglichten
kulturelle Innovationen und Beseitigung von fachlichen Defiziten.
Dazu zählen zum Beispiel auch Initiativen wie die Schaffung
der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen,
die verschiedenen Landesakademien, die Institutionalisierung des
Bundesjugendorchesters, des BuJazzOs und der vielen Landesensembles
und was sonst alles zur mittlerweile enorm bunten Vielfalt des Musizierens
in unserem Lande beigetragen hat.
Qualitätsanspruch
Durch „Jugend musiziert“ entstand für Musikausbildung
wie Musikpraxis ein neuer Qualitätsanspruch. In dessen Folge
erreichte das Musizieren junger Menschen in allen Erscheinungsformen,
vom Solistischen über das Zusammenspiel in kleinen Ensembles
bis zum sinfonischen Jugendorchester oder der Brass Band nicht nur
quantitativ, sondern vor allem in der Qualität und Vielfalt
ein Level, wie er vor 30, 40 oder 50 Jahren unvorstellbar war.
Musik unserer Zeit
Die Ansprüche und Anforderungen, die „Jugend musiziert“
an die Spielliteratur stellte, brachte eine Bereicherung des Repertoires
vor allem in der zeitgenössischen Musik, mit der Folge, dass
sich jeder Teilnehmer ebenso wie vorher sein Musiklehrer intensiv
gerade auch mit der Musik unserer Zeit auseinander zu setzen hat.
Umgekehrt haben viele Komponisten geeignete neue Werke geschaffen
und auch Musikverlage reagierten entsprechend in ihrer Produktionspalette.
Innovation & Verschmelzung
In der DDR war der „Wettbewerb mit angemessenen Programmbedingungen
von großem Nutzen“, waren die seit 1969 durchgeführten
Zentralen Treffen der Instrumental- und Vokalsolisten als Leistungsnachweis,
Leistungsvergleich und Bewährung der Musikschüler als
„Produkt musikerzieherischer Tätigkeit... von erstrangiger
Bedeutung“, ergänzt durch Kammermusiktreffen und Orchesterwettbewerbe
der Musikschulen. Daneben hatte unter anderem der J.-S.-Bach-Wettbewerb
für Schüler und Jugendliche in Leipzig, speziell für
Schüler der Spezialschulen für Musik gedacht, ein noch
anspruchvolleres Profil. Die Vereinigung der ostdeutschen Länder
mit der Bundesrepublik brachte ein organisatorisches Zusammenführen
dieser Wettbewerbe in zwei Schritten: 1991 waren die Preisträger
der XI. Zentralen Treffen und des Leistungsvergleiches der Spezialmusikschulen
beim 28. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in Kiel
als gleichberechtigte Teilnehmer einbezogen.
Danach integrierten sich die fünf neuen Bundesländer voll
in die Wettbewerbe „Jugend musiziert“, so dass der 29.
Bundeswettbewerb 1992 in Erlangen, Fürth und Nürnberg
als erster gesamtdeutscher Wettbewerb gefeiert wurde.
Noch entscheidender war aber, was sich an fachpädagogischen,
musikalischen und organisatorischen Erfahrungen und Erkenntnissen
aus den verschiedenen DDR-Wettbewerben im weiteren Konzept von „Jugend
musiziert“ nach und nach niederschlug: so die Einführung
der Vokalkategorien (erstmals 1993 in Cottbus), Modifizierungen
im Bewertungs- und Auszeichnungssystem, Auseinandersetzung mit systembedingten
Varianten von Ausbildungszielen, -praktiken und -ergebnissen oder
das Kennenlernen eines erweiterten kompositorischen Schaffens als
Bereicherung des Spielrepertoires.
Schließlich regte – fast zeitgleich – auch die
1995 von einem unabhängigen Forschungsteam vorgelegte Wirkungsanalyse
für die „Jugend musiziert“-Jahre 1984-1993 immer
wieder zur selbstkritischen Auseinandersetzung des gesamten Förderungsprojektes
„Jugend musiziert“ an, das heißt Überprüfung
und Infragestellung von Weg- und Zielvorgaben, Weiterentwicklung
und Impulsgebung in Koordination mit sich verändernden jugendkulturellen
und musikpolitischen Interessen, Bedürfnissen und Anforderungen
als permanente Aufgabe.
Anschlussförderung
„Jugend musiziert“ ist längst nicht nur ein Wettbewerb.
Das umfangreiche anschließende Programm von Ensemblearbeit,
Beispielveranstaltungen, Konzerten und Tourneen mit Preisträgern
und die Weiterentsendung zu internationalen Wettbewerben machen
den Wettbewerb zum eigentlichen Ausgangspunkt für die Weiterförderung
hoch talentierter junger Musiker. Sie erfahren hierdurch zugleich
praktische Studien- und Berufsorientierung. Ein eigens entwickeltes
Modellprojekt „Ohren auf“ sollte zusätzlich dazu
dienen, dass gerade „Jugend musiziert“-Preisträger
mit ihrem persönlichen Einsatz ein junges Publikum ansprechen
und es musikalisch motivieren.
Internationale Plattform
„Jugend musiziert“ hat in der Aufbauphase viel von
ähnlichen Jugend-Wettbewerben in anderen Ländern, der
DDR und vor allem in Osteuropa gelernt, Erfahrungen gesammelt und
ausgewertet. Aber auch umgekehrt. „Jugend musiziert“
war zum Modell für ähnliche Wettbewerbe geworden, zum
Beispiel in Österreich und in der Schweiz. Als Gründungsmitglied
der „Europäische Union der Musikwettbewerbe für
die Jugend“ war „Jugend musiziert“ von Anfang
an am Aufbau eines Netzwerkes für die Internationale Zusammenarbeit
entscheidend beteiligt und profitierte davon. „Jugend musiziert“-Preisträger
holten sich wiederholt Preise bei internationalen Wettbewerben,
erhielten und erhalten Einladungen für internationale Präsentation
im Ausland. Und auch für die Deutschen Schulen im Ausland ist
inzwischen die Teilnahme an „Jugend musiziert“ zu einem
belebenden Element geworden.
Ausbildung, Arbeitsmarkt
„Jugend musiziert“ und Musikausbildung stehen in ständiger
Wechselwirkung: Nicht nur die Zahl der Musikschulen in Deutschland
verzehnfachte sich zwischen 1960 und 2000. Vor allem deren Konzepte
und Strukturen erweiterten sich in verschiedene Richtungen, zu immer
früherem Beginn der Instrumentalausbildung, zu mehr Ensemblearbeit
und zu zunehmender Leistungsorientierung. Rund die Hälfte aller
Wettbewerbsteilnehmer kommt inzwischen aus der Unterrichtspraxis
einer Musikschule. Auch die beruflichen Ausbildungsstätten
haben sich auf einen stetig ansteigenden musikalischen Ausbildungs-Level
eingestellt. Dies schon mit Rücksicht auf die zunehmende Konkurrenz
im erweiterten Europa, in dem sich öffnenden Arbeitsmarkt,
und das macht deutlich – was inzwischen zur Kehrseite aller
Förderprojekte für musikalische Talentierte geworden ist
–, dass man nur mit künstlerischer Höchstleistung
die Chance haben wird, sich als Künstler oder Pädagoge
durchzusetzen.
Diese Wechselbeziehungen sind genauso evident zwischen „Jugend
musiziert“ und beruflichem und wirtschaftlichem Auskommen.
Für alle Musikerzieher, ob an Musikschule, ob in Laienmusikverbänden
oder in Privatmusiklehrerpraxis, entwickelte sich durch „Jugend
musiziert“ ein erweitertes und anspruchsvolleres berufliches
Aufgabenfeld, was zugleich auch das Sozialprestige des erfolgreichen
und in mehrere Richtungen sich engagierenden Musikerziehers in ein
neues Licht stellte. Die wirtschaftliche Belebung des musikberuflichen
Sektors in diesen vier Jahrzehnten fand Entsprechungen in der gesamten
Musikbranche, ob Verlage, Musikalienmarkt, ob Instrumentenhersteller
und -händler. Sicher auch im gestiegenen Tantiemen-Aufkommen
bei den Autorengesellschaften zu Gunsten der schöpferisch Tätigen.
All dies macht deutlich, wie existenziell alle von einander abhängig,
verklammert und auf einander angewiesen sind, ob Komponist, Interpret,
Konzertbesucher, ob Musikpädagogik, Laien- oder Berufsmusik,
die vielen kommerziellen Sparten der Medien und all derjenigen,
die Musikware produzieren, vermarkten oder vertreiben. Dem Träger
von „Jugend musiziert“ (und weiterer Förderprojekte
des Musiklebens), dem Deutschen Musikrat als Dachgremium dieses
breiten Netzwerkes oblag und obliegt die große Verantwortung,
aber auch die reelle Chance, im Bewusstsein des Aufeinander-angewiesen-Seins
zu agieren und seine Schlüsselposition auszufüllen.
Eckart Rohlfs
Der
Text stammt aus dem Programmheft des Bundeswettbewerbs „Jugend
musiziert“, der 2003 in Weimar, Erfurt und Jena stattfand.
Der Autor, Eckart Rohlfs, war 1959 bis 1974 Generalsekretär
der Musikalischen Jugend Deutschlands und im Auftrage des Deutschen
Musikrats von 1963 bis 1996 Geschäftsführer und Projektleiter
der Wettbewerbe „Jugend musiziert“, 1964 bis 1977
auch ehrenamtlicher Geschäftsführer des Deutschen Tonkünstlerverbandes,
damals Verbandes Deutscher Musikerzieher und konzertierender Künstler
(VDMK) genannt. Jetzt ist er Generalsekretär der Europäischen
Union der Musikwettbewerbe für die Jugend (EMCY), gegründet
1970 in Brüssel von den drei nationalen Musikwettbewerben
Belgiens, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland.