Der Unterschied liegt im Detail: Bundesbegegnung „Jugend
jazzt“ und Wettbewerb „Jugend musiziert“
Landeswettbewerbe „Jugend jazzt” existieren heute teilweise
bereits seit drei Jahrzehnten und es gibt unter den jüngeren
professionellen Jazzmusikern nur noch vereinzelt welche, die diesen
Wettbewerb nicht durchlaufen haben. Eine erfolgreiche Sache also
und so lag die Idee nahe, darauf eine bundesweite Veranstaltung
aufzubauen, analog zum Bundeswettbewerb „Jugend musiziert”.
Seit 1997 gibt es unter dem Dach des Deutschen Musikrats die Bundesbegegnung
„Jugend jazzt“, die in zweijährigem Turnus die
besten Jazz-Nachwuchsensembles aus den Bundesländern präsentiert.
Die Teilnehmer dürfen weder Musikstudenten, noch Profis sein
und sind in der Regel im Schüleralter bis etwa 21 Jahre.
Die Bundesbegegnung trägt nicht umsonst das Wort Begegnung
im Namen und nicht Wettbewerb. Sie besteht aus drei Teilen, die
an drei Tagen absolviert werden. Der erste Tag beginnt mit dem Workshop,
bei dem erfahrene Dozenten mit den Bands gemeinsam an deren Konzept
arbeiten und Möglichkeiten zur Fortbildung aufzeigen.
Der zweite Tag ist der eigentliche Wettbewerbstag. Aber bei der
Bundesbegegnung gibt es keinen ersten, zweiten oder dritten Sieger,
sondern Fördermaßnahmen als „Preise”.
Dazu zählen Stipendien oder Konzerte, die etwa durchs Goethe
Institut gefördert werden. Auch die Veranstaltungsvermittlung
spielt eine immer größere Rolle: Die Initiatoren der
Bundesbegegnung organisieren Acts als Vorgruppen auf Festivals.
Kooperationen bestehen mit Jazz Baltica, Jazz Ostwest Nürnberg,
Jazzmeile Thüringen oder dem Deutschlandradio in Bonn. Am dritten
und letzten Tag der Bundesbegegnung Jazz steht die Berufskunde.
Hier beraten wiederum Profis die nachwachsenden Jazzer und versuchen,
ihnen Mechanismen und Anforderungen des Musikmarktes aufzuzeigen.
Im Zusammenhang mit der Thematik des Weimarer Gesprächs, das
auf den Seiten 50 bis 53 dieses Dossiers abgedruckt ist, unterhielt
sich Andreas Kolb, Redaktionsleiter der neuen musikzeitung, mit
Peter Ortmann vom Deutschen Musikrat, der als Projektleiter sowohl
für den Bandwettbewerb „Bundesbegegnung Jazz” als
auch das Bundesjugendjazzorchester zuständig ist.
nmz: Was ist die Idee der Bundesbegegnung?
Peter Ortmann: Es ist ein Bandwettbewerb, und
es gibt keine Epochen, die etwa wie bei „Jugend musiziert“
abgedeckt werden müssen. Die Bands können spielen, was
sie wollen. Und das Ziel sind so viel Anschlusskonzerte wie möglich.
nmz: Ab welchem Alter nehmen die Musiker teil?
Ortmann: Das Alter wird immer jünger, da
die musikalische Früherziehung an den Musikschulen, überhaupt
die Ausbildung an den Musikschulen, immer häufiger auch die
Formen des Jazz enthält und lehrt.
nmz: Vergleichen Sie die Bundesbegegnung von
der Größe her mit „Jugend musiziert”…
Ortmann: Wir haben je eine Band aus jedem Bundesland
und kommen etwa auf eine Größenordnung von 150 Personen.
Verglichen mit “Jugend musiziert” eine kleine Gruppe.
Das hat aber Vorteile: Wir sind während der drei Tage alle
unter einem Dach, Musiker und Dozenten. Dadurch wird sehr intensiv
gearbeitet.
nmz: Wie ist der „Wettbewerbsablauf”
im Vergleich zu „Jugend musiziert“?
Ortmann: Im Gegensatz zu den Klassikern gibt es
bei uns keine Patchwork-Programme und keine Einzelauftritte. Die
Bands können ihre musikalischen Konzepte präsentieren
und müssen nicht in Epochen und in den Kategorien von Repertoire
denken.
nmz: Was halten Sie von einer Integration des
Jazz, also auch der Bundesbegegnung, in den Wettbewerb „Jugend
musiziert”?
Ortmann: Für zwingend nötig halte ich
das nicht. Zum Beispiel laufen aber aus finanziellen Gründen
„Jugend musiziert” und „Jugend jazzt” in
Ostdeutschland schon eine Zeit lang gemeinsam. Hier hat man aus
der Not eine Tugend gemacht.
Prinzipiell würde ich mich einer Integration nicht widersetzen,
denn man würde doch aus inhaltlichen Gründen ein eigenständiges
Element bleiben. Die Vorteile für uns könnten in einer
besseren finanziellen Ausstattung liegen. Eine absolut positive
Auswirkung einer Integration wäre eine stärkere Begegnung
der Musikstile. Vor allem vor dem Hintergrund der Studie von Ekkehard
Jost, die zu dem Ergebnis kam, dass die Jazzer in der Regel eine
größere Kenntnis von Musizierpraktiken klassischer Musiker
haben als umgekehrt. Wir könnten uns da gegenseitig befruchten.
nmz: Also sehen Sie eine Integration der Bundesbegegnung
Jazz in den großen Bruder „Jugend musiziert” vor
allem positiv?
Ortmann: Es gibt auch negative Seiten: Wie beim
Pop ist auch beim Jazz das Musizieren eine Frage des Ambientes.
Beim Pop sehe ich sogar noch mehr Fragezeichen. Das Pop-Ambiente
ist bei „Jugend musiziert”, so wie es jetzt funktioniert,
nicht gegeben. Pop und Rock sind einfach lauter, neben der Musik
spielen Faktoren wie Licht, Sound, Auftritt und Show eine Rolle.
Nicht zu vergessen: eine bestimmte Form der Authentizität,
das muss aus einer Szene wachsen, da kann man nicht nur Repertoire
abfragen. Dennoch: Es wäre ein Experiment wert.
Preise bei „Jugend jazzt“ Ganz oben im Preiskatalog standen Studio-Aufnahmen im Deutschlandfunk.
Die Gewinner dieses Preises sind „Jazzattack“ aus Baden-Württemberg,
„Latin Sampling“ aus Barranquilla in Kolumbien sowie
„Frankzone“ aus Bayern und „Die Jazzuiten“
aus Berlin. Alle vier Bands brachten das Bonner Kulturzentrum Brotfabrik,
Austragungsort des Wettbewerbs, zum Kochen und überzeugten
die 15-köpfige Jury schon nach wenigen Minuten. Immerhin urteilten
so namhafte Jazzprofis und Jazzprofessoren wie Peter Weniger, Emil
Mangelsdorff, Wolfgang Schlüter, Frank Haunschild, Celine Rudolph,
Gunnar Plümer und andere über die beachtenswerten musikalischen
Ergebnisse. Das Niveau der jungen Jazz-Talente in Deutschland ist
gestiegen. Das attestieren die Juroren der 4. Bundesbegegnung „Jugend
jazzt“ den über 80 Teilnehmern in 17 Jazz-Bands im Alter
zwischen 13 und 21 Jahren. Die Bands wurden aus allen Bundesländern
sowie von zwei deutschen Schulen im Ausland für vier Tage nach
Bonn entsandt. Weiter wurden Stipendien zur Mitwirkung im Bundesjazzorchester,
Mentorenpreise, Förderpreise für Instrumentalunterricht
und Solistenpreise vergeben. Auffallend hier besonders der erst
15 Jahre alte Julian Wasserfuhr (siehe auch Jazzzeitung Oktober
2002) aus Hückeswagen in Nordrhein-Westfalen, der bereits seit
einigen Jahren Unterricht beim Lead-Trompeter der WDR-Bigband erhält.