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nmz-archiv
nmz 2003/7-8 | Seite 22
52. Jahrgang | Jul./Aug.
Forum Musikpädagogik
Wie die Zwerge mit den Riesen spielen
Zukunftsweisender Kontrabass-Workshop der Rekorde in der Landesakademie
in Ochsenhausen
„Wir sind nicht allein“ – das war die eine Grunderfahrung
bei einem Workshop für Kontrabassisten in der Landesakademie
für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg in Ochsenhausen.
Der Andrang war enorm, die Auswahl der Dozenten hochrangig. Professor
Günter Klaus von der Musikhochschule Frankfurt/Main lobte die
Initiative der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft Kontrabass
in Baden-Württemberg (PAK-BW) im Anschluss: „Das ist
Schule machend“.
Kontrabass spielen ab dem
siebten Lebensjahr: Szene während einer Probe. Foto:
Roland Rasemann
Nach drei Tagen und Nächten mit Zupfen, Streichen, freiem
Spiel und Einzelproben kam es zum Showdown: Professor Klaus und
die siebenjährige Pauline, Jugendliche und Musikschullehrer,
über 50 Kontrabässe insgesamt, tobten sich beim Abschlusskonzert
an der „Prager-Polka“ aus. Ein Lächeln ging durch
den Saal – „Bravo“-Rufe. Der Plan der PAK-BW ging
auf. „Das macht Laune“, bestätigt ein vergnügter
Klaus. „Das muss man gesehen haben“, sagt Akademiedirektor
Dr. Klaus Weigele.
Der PAK-BW geht es um nicht weniger als die Zukunft der Kontrabass-Ausbildung.
Seit knapp einem Jahr setzen sich die Mitglieder mit Nachwuchsförderung,
mit dem Instrumentenbau für Kinder, mit musikphysiologischen
Fragen auseinander. Die Ziele: Masse ist das Eine.
Bassisten werden gebraucht. Klasse ist das Andere. Der Kontrabass
ist ein vollwertiges Instrument, das fachgerechte Ausbildung durch
qualifizierte Dozenten verlangt. Nachwuchsförderung auf neuem
Niveau ist deshalb der angestrebte Weg. Dazu gehört, dass bereits
Kinder ab sechs Jahren an das Instrument herangeführt werden.
„Die Zeiten sind vorbei, in denen Lehrer jugendliche Interessenten
neben das große Instrument gestellt haben und geschaut haben:
Reicht er schon hin?“, erklärt Nikolaus Hersini, Kontrabass-Dozent
an den Musikschulen Stuttgart und Sindelfingen. Die Kinder spielen
auf Zehntel-Bässen. In Ochsenhausen stellte die kleine Anna
beim Konzert gar einen Sechszehntel-Bass vor. „Das weltweit
kleinste Instrument“, kündigte Song Choi, Dozent an der
Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu an. Und es
kommt Musik heraus.
Choi, ein „begeisterter Lehrer, wie es sie selten gibt“
(Professor Klaus), ist einer der Initiatoren der PAK-BW. Bei dem
Workshop im Januar ging es ihm darum, „zu zeigen, was möglich
ist“. Den Schülern, die renommierten Profis begegnen.
Den Dozenten, die neue Erfahrungen austauschen im Bereich der Frühförderung.
Und den Hochschulen, die sich „bislang zu wenig um den Nachwuchs
kümmern“, wie Professor Klaus zugibt. Der hatte aus Frankfurt
auch Ewa Warykiewicz mitgebracht, als Korrepetitorin. Die Polin,
die seit zwei Jahren in Deutschland lebt, berichtet von anderen
Erfahrungen aus ihrer Heimat. Dort arbeiten Hochschulen intensiv
mit Musikschulen zusammen, organisiert vom Kulturministerium. Die
Art des Workshops ist ihr vertraut, sagt Ewa Warykiewicz, „allerdings
nicht mit Kontrabässen. So etwas habe ich noch nie gesehen.
Unglaublich!“
Der Osten als Vorbild. Das ist auch für Klaus Ansporn gewesen,
nach Ochsenhausen zu kommen. „Wir brauchen so etwas in Deutschland,
sonst sind die Hochschulen nur noch auf den Nachwuchs aus Osteuropa
angewiesen“, sagt der gebürtige Dresdner. Die Musikausbildung
der DDR – die Klaus kennt – lasse sich auf die heutige
Zeit nicht einfach übertragen. „Die Ausbildung von Kindern
ist Knochenarbeit. Dieses Feld professionell zu beackern, das macht
die PAK-BW vorbildlich und einmalig“, so seine Einschätzung.
„Ich freue mich wahnsinnig über dieses Engagement.“
Einfach ist es nicht. Den Workshop auf die Beine zu stellen, war
ein Kraftakt. Möglich nur durch die Förderung durch die
gastgebende Landesakademie, durch das Landesjugendorchester Baden-Württemberg,
durch den Landesverband der Musikschulen, durch Sponsorengelder
von Pirastro. Und dann verzichteten die zehn Dozenten noch aufs
Honorar und gaben sich mit der Erstattung des Benzingelds zufrieden.
Warum? „Zugunsten der Sache“, sagt Klaus. „Wir
sind eine Armee von Freiwilligen“, ergänzt Nikolaus Hersini.
Damit meint er die kleinen Schülerinnen und Schüler, die
ja auf das Instrument nicht abgeschoben werden, sondern sich aus
Lust dazu entschließen. Das trifft auch für die Dozenten
zu, die hier „die Zukunft erleben“. Allerdings nur,
wenn auf Dauer „jemand in die Tasche greift“. Der Ochsenhausener
Workshop soll nach dem Willen der PAK-BW nur der Anfang gewesen
sein. Jetzt geht man auf Sponsorensuche, damit die Arbeit auf hohem
Niveau fortgesetzt werden kann.
Im Mai kommt Catherine Elliott aus Großbritannien zu einer
Veranstaltung der PAK-BW nach Stuttgart und stellt „The essential
string method“ vor.