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nmz-archiv
nmz 2003/7-8 | Seite 48
52. Jahrgang | Jul./Aug.
Nachschlag
Kundenschutz
Auf dem besten Weg sich vor Kunden zu schützen, sind einige
Plattenlabels. Neuerdings hält auch im Jazz- und sogenannten
E-Musik-Sektor ein technisches Verfahren Einzug, welches das Kopieren
von CDs unmöglich machen möchte. Gute Idee, denken wohl
die Verbreiter solcher CDs.
Weil, nämlich, kopieren ist ja sowieso nicht erlaubt, naja,
fast nicht, eben: zum privaten Gebrauch ist es gerade noch zulässig.
Aber wo kämen wir denn auch hin, wenn jemand eine Musik-CD
privat brauchen wollte. Privat ist immer schon gefährlich gewesen,
was da hinter Tür und Schloss beim Einzelnen sich abspielt
ist pars pro toto immer problematisch, sonst könnte man es
ja auch in der Öffentlichkeit machen. Wer privat ist, hat etwas
zu verbergen, nicht wahr. Musikalische Molotov-Cocktails werden
da zusammengestellt und das kostet unter Umständen einer ganzen
Branche das Leben – da heule ich doch gleich mit. Nicht wenige
Kunden sind über solches Verhalten wenig amüsiert und
weigern sich in Zukunft derartige CDs zu kaufen. Auch in der neuen
musikzeitung werden demnächst derartige sogenannte kopiergeschützte
CDs als solche gekennzeichnet.
Nebenbei: Wie gut sind denn diese CDs wirklich gegen Kopien geschützt?
Ehrlich gesagt, sie sind es nicht einmal. Mit allen drei Versuchs-CDs
gelang die digitale Kopie von einem handelsüblichen CD-Player
auf Mini-Disc oder Digital-Audio-Tape. Und ebenso einfach war eine
Überspielung auf den guten alten Kassettenrekorder. Allein
aus dem Computerlaufwerk heraus, da will weder die digitale noch
die analoge Kopie so recht funktionieren. Der Schutz derartiger
CDs zielt eindeutig und momentan noch allein auf Computerlaufwerke
– und es ist ja bekannt, dass E-Musik-Hörer am liebsten
ihre Musik-CDs am Computer hören möchten.
Der sogenannte Kopierschutz verhindert also nicht einmal das Kopieren,
aber er macht es schwieriger, wenn sich jemand mal schnell so eine
CD für Auto-CD-Player umkopieren möchte. Das ist nicht
unmöglich, aber umständlicher geworden. Was soll also
ein Generalverdacht gegen die Kunden bringen?
Die professionelle Raubkopierer scheren sich ohnehin einen Dreck
um solche Kopierschutzmechanismen, die bekommt man so auch nicht
dran. Aber dem Ganzen wird eine Krone durch die Novelle des Urheberrechtsgesetz
aufgesetzt, das einige höchst pikante Passagen hat. Wer einen
Kopierschutz umgeht, kann „mit Freiheitsstrafe bis zu einem
Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“ werden, „wenn die
Tat nicht ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch des
Täters oder mit dem Täter persönlich verbundener
Personen erfolgt oder sich auf einen derartigen Gebrauch bezieht“.
Ja nun, da staunt man nicht schlecht. Wie denn nun, ist das Umgehen
des Kopierschutzes zum ausschließlich eigenen, privaten Gebrauch
„des Täters“ doch straffrei? So siehts aus. Der
Kunde wird zwar zum Täter, aber zu einem, der nicht strafrechtlich
belangt werden kann. Wenn man zu der Meinung kommen konnte, dass
das dialektische Denken in der letzten Zeit aus der Mode gekommen
sei, so findet man es in diesem Gesetz § 108b (Unerlaubte Eingriffe
in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderliche
Informationen) in seiner schönsten Form erneut wieder. Dialektik
scheint aber nicht die Stärke der zum Kopierschutz greifenden
Plattenfirmen zu sein, sondern eher das Denken in Kurzschlüssen,
welches immer dann besonders Konjunktur hat, wenn einem das Wasser
bis zum Halse steht.