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nmz-archiv
nmz 2003/09 | Seite 38
52. Jahrgang | September
Oper & Konzert
Völlig losgelöst vom Mainstream
Das Bebersee Festival 2003 – Ein großer Erfolg und künstlerischer
Glanzpunkt!
Wie schon in den vergangen Jahren öffnete auch dieser Tage vom 26.
Juli bis zum 3. August der ehemalige Militärflughafen Groß Dölln
in der landschaftlich reizvollen Schorfheide seine Tore der klassischen Musik.
Ein Flugzeughangar, in dem während des Kalten Krieges eine MIG startbereit
stand, um innerhalb von wenigen Minuten über Berlin zu sein, wandelte
sich in einen – durch das Grasdach perfekt klimatisierten – Konzertsaal.
Auf dem Weg zu Startbahn und Hangar fährt man lange an verrottenden Soldatenunterkünften
und an den Bunkern vorbei, die einst SS 20-Raketen beherbergten. Das Ambiente
ist ein wenig beklemmend, mit dieser so sensibilisierten Stimmung des äußerst
zahlreich erschienen Auditoriums fanden insgesamt sechs großartige kammermusikalische
Konzerte statt, deren künstlerische Qualität in der Festivallandschaft
Brandenburgs einzigartig sein dürften.
Klassische
Musik in ehemaligem Flugzeughangar. Foto: Beberseefestival
Die Leitung des Festivals obliegt dem aus der Nähe von Stuttgart stammenden,
in Berlin an der HdK ausgebildeten und international sehr erfolgreichen Pianisten
Markus Groh sowie Monika Treutwein und Hans-Christoph Mauruschat. Zu den Solisten
zählten so prominente – einerseits international erfahrene, andererseits
dem höchst vielversprechenden Nachwuchs zuzurechnende – Künstler
wie Tanja Becker-Bender, Adrian Brendel, Aline Champion, Florian Donderer,
Mojca Erdmann, Håvard Gimse, Viviane Hagner, Stefan de Leval Jezierski,
Aleksandar Madzar, Michael Nündel, Paul Rivinius, Wolfgang E. Schmidt,
Arabella Steinbacher, Wilfried Strehle, Tanja Tetzlaff und Knut Weber.
Das Eröffnungskonzert am 26. Juli stand unter dem Titel „Französische
Impressionen“, gespielt wurden Werke von Ravel, Debussy und César
Franck. Das dritte Konzert unter dem Titel „Very british“ gab
Einblicke in seltener zu hörende Werke von Roger Quilter, Elgar, Britten
sowie Birtwistle und wurde von DeutschlandRadio aufgezeichnet. Im Programm
„deutsche Romantik“ am 31. Juli waren es Aline Champion, Adrian
Brendel und Aleksandar Madzar, die mit ihrer überaus feinsinnigen Interpretation
von Mendelssohns zweitem Klaviertrio opus 66 zum Höhepunkt des Abends
wurden.
Vor dem letzten Konzert, das in dessen 175. Todesjahr allein Werken Schuberts
gewidmet war, bescherten in dem wiederum sehr reizvollen ungarischen Programm
„Liszt plus ...“ die kurzfristig eingesprungene Arabella
Steinbacher und Wolgang E. Schmidt mit ihrem perfekten, geradezu symbiotischen
Zusammenspiel bei Kodálys Duo für Violine und Violoncello op. 7
dem Auditorium eine musikalische Sternstunde. Im Anschluss an dieses akustische
Feuerwerk gelang es Adrian Brendel vier überwiegend auf einfachstem Material
beruhende Stücke aus Kurtágs Work in progress „Signs, Games
and Messages“ mit ausdrucksstarkem Gestus in einer überaus konzentrierten
Interpretation den gespannt lauschenden Zuhörern näher zu bringen.
Der große Erfolg dieses Festivals liegt in seiner Konzeption. Ein
vom Mainstream erfreulich unabhängiges Programm wird von hervorragenden,
vorwiegend jungen Künstlern gespielt, die – zusammen mit der Leitung
des Festivals im nahe gelegenen Hotel Döllnsee untergebracht –
mit bester Spiellaune und in der Spannung zwischen Relikten des Kalten Krieges
und idyllischer Natur der Schorfheide Kammermusik mit viel Freude zelebrieren.