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nmz-archiv
nmz 2003/09 | Seite 50
52. Jahrgang | September
Dossier: Der differenzierte Musikurheber
Rekordverdächtig, aber was?
Zur Bilanz der GEMA im Jahr 2002
Wie jedes Jahr wird zur Jahresversammlung der GEMA ein Geschäftsbericht
für das vergangene Jahr vorgelegt. Für Reinhold Kreile, den Vorstandsvorsitzenden
der GEMA, jedes Jahr bisher ein Grund zur Freude, denn die Erträge konnten
Jahr für Jahr gesteigert werden. Seit 1993 von 608,8 Millionen Euro auf
mittlerweile 812,5 Millionen Euro, eine erstaunliche Steigerung um rund 33
Prozent in zehn Jahren. Um über diese Größenordnung die Relation
zu finden: 3,9 Milliarden US-Dollar Umsatz macht weltweit der Online-Medienhändler
Amazon.com, rund eine Milliarde Umsatz der Südwestrundfunk. Der Musiksender
und Medienkonzern VIVA liegt bei 100 Millionen Euro. Die gleiche Zahl erreicht
beispielsweise auch die DEAG (Deutsche Entertainment AG), der führende
Live-Entertainment-Anbieter Europas. Die Plattenfirma BMG kam auf 2,7 Milliarden
Euro und Time Warner auf 3,66 Milliarden Euro. Die Ausgaben (Grundmittel)
der öffentlichen Haushalte für Kunst und Kulturpflege für das
Jahr 2000 betrugen 7.177 Millionen Euro, also etwa das Neunfache der GEMA-Erträge.
Was bekommen die GEMA-Mitglieder raus?
Um die Zahlen richtig zu würdigen, muss auf die Ertragszahl aus 2001
zurückgegriffen werden, da nur für dieses Jahr auch Werte für
die Beteiligung der GEMA-Mitglieder vorliegen. 812,5 Millionen, das ist viel
und das ist wenig. Denn, was bleibt davon übrig für die bei der
GEMA vertretenen Mitglieder für das Jahr 2001: 311,9 Millionen Euro,
nur etwa 39 Prozent der Erträge erreichen die in Deutschland vetretenen
Mitglieder. Die anderen 61 Prozent (500,6 Millionen Euro) wandern an andere
Orte: 117,9 Millionen Euro (14,5 Prozent) sind Aufwendungen (also die Selbstverwaltungskosten),
Ausschüttungen an Schwestergesellschaften und Ausschüttungen auf
Subverlagssonderkonten stehen mit 223,7 Millionen Euro (27,6 Prozent) in den
Büchern, weitere Einzelposten kommen dazu. Bemerkenswert hoch ist die
Differenz zwischen den Ausschüttungen an Schwestergesellschaften und
den Erträgen, die von diesen an die GEMA zurückfließen: die
betragen gerade mal nur 56,4 Millionen Euro, die im Wesentlichen aus Österreich
und der Schweiz stammen. Sicher ein Grund, verstärkt deutsche Musik im
Ausland zu fördern. Die Beteiligung der GEMA-Mitglieder 2002 am Ergebnis
2001 beträgt 311,9 Millionen Euro (Vergleich: AKM Österreich: 68,5
Millionen Euro; Suisa Schweiz: 74,5 Millionen Euro). Diese müssen an
58.870 Mitglieder verteilt werden, das entspricht einem Durchschittswert von
5.298 Euro per Anno. Natürlich ist dieser Durchnittswert nicht aussagekräftig:
Dieter Bohlen, ein Verlag wie Bärenreiter oder auch ein Telefonanlagenkomponist
verbergen sich hinter den Einzelschicksalen.
Im Geschäftsbericht sind daher die Auszahlungen auch differenziert nach
den Mitgliedsgruppen. Aufs Jahr heruntergerechnet erhält durchschnittlich
jedes(r):
• ordentliche Mitglied: 65.538 Euro,
• außerordentliche Mitglied: 4.233 Euro,
• angeschlossene Mitglied: 1.589 Euro,
• Rechtsnachfolger: 7.735 Euro (wobei hierbei der Geschäftsbericht
nicht ganz klar ist, weil auch Rechtsnachfolger ordentliche, außerordentliche
oder angeschlossene Mitglieder sein können). Die Mehrzahl der GEMA-Mitglieder,
nämlich 50.065, sind jene angeschlossenen Mitglieder. Der Bericht weist
aus, dass an die ordentlichen Mitglieder rund 58 Prozent des Kuchens gehen,
wobei sich hinter dem Durchschnittswert auch ein großer Musikverlag
verbergen kann. Es gibt bei der GEMA einige wenige, die von den Ausschüttungen
also durchaus leben könnten: mindestens jene 2.779 ordentlichen Mitglieder
2001.
Zur Einnahmensituation
Im Einnahmenbereich waren die beiden größten Posten „Rundfunk
und Fernsehen“ mit 203,4 Millionen Euro und „Tonträger- und
Bildtonträgervervielfältigung“ mit 279,7 Millionen Euro. „Lebende
Musik“ kommt immerhin noch auf 66,4 Millionen Euro. Die Vergütungsansprüche
aus § 54 Urheberrechtsgesetz (also Abgaben für Vervielfältigungsgeräte
wie Brenner und CDs) lagen gerade einmal bei 15,3 Millionen Euro, konnten
aber im Jahr 2002 um etwa ein Drittel auf 20,1 Millionen Euro gesteigert werden.
Dieser Zuwachs kompensiert zu weniger als der Hälfte den Rückgang
bei der Tonträger- und Bildtonträgervervielfältigung im Jahr
2002 (ein Minus von 13 Millionen Euro). Allerdings, selbst wenn man einen
Zusammenhang zwischen Raubkopien unterstellt, verwundert die Bedeutung, die
in diesem Rahmen die Diskussion um Musikpiraterie in der Öffentlichkeit
einnimmt. Es handelt sich dabei gerade mal um acht Millionen Euro, also ein
Prozent der gesamten Erträge. Gewiss, auch Kleinvieh macht Mist, aber
dieses Kleinvieh spielt die GEMA locker über mechanische Musik (Musik
aus Wiedergabegeräten, Radios in Kneipen ...) ein (2000: 89 Millionen
Euro; 2001: 96,7 Millionen Euro; 2002: 101,8 Millionen Euro). Minimal sind
die Einnahmen aus Lizensierung von Musik im Online-Bereich. Der Geschäftsbericht
schreibt dazu: „Die Höhe der Erträge aus Internet-Lizenzen
ist auf Grund der sich entwickelnden Rechtslage und der Unübersichtlichkeit
der nationalen wie internationalen Rechtedurchsetzung auf diesem Gebiet nach
wie vor nicht einzuschätzen.“ (Seite 26) Auf Nachfrage bei der
Pressestelle der GEMA soll es sich um einen Betrag von etwa 100.000 Euro für
das letzte Jahr handeln. Angesichts der Tatsache, wie viel Musik im Internet
bereitgestellt wird, sei es für ein so genanntes „Vorhören“
wie bei den Online-Medienhändlern Amazon oder JPC, aber auch von Seiten
einiger Plattenfirmen oder auf andem Gebiet (einen Einblick liefert www.tonspion.de)
erscheint dieser Betrag sehr klein, entweder weil er wirklich nicht so einfach
zu berechnen ist oder weil viele Musikangebote nicht lizensiert sind. Als
neuer Markt scheint sich dagegen die Lizensierung von Ruftonmelodien (Handy-Klingeltöne)
zu erweisen. Hier ist der Ertrag mehr als zehnmal so hoch wie bei der Online-Lizensierung:
1,365 Millionen Euro.