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nmz-archiv
nmz 2003/09 | Seite 26
52. Jahrgang | September
Jeunesses Musicales Deutschland
Förderer des europäischen Sängernachwuchses
48. Internationaler Opernkurs der Jeunesses Musicales Deutschland in Weikersheim
beendet
In dem kleinen Städtchen zwischen den Hügeln, die sich sanft entlang
der Tauber erheben, ist es wieder ruhig geworden. In Weikersheim, mit seinem
verträumten Schlösschen und barockem Gartenidyll, in dem Hahn und
Pfau einvernehmlich durch Trauben sportiver Taubertouristen flanieren, geht
es zumeist recht beschaulich zu. Das ändert sich alle zwei Jahre bei
den Internationalen Opernkursen Schloss Weikersheim, wenn die Jeunesses Musicales
Deutschland die internationale Nachwuchsspitze des europäischen Musiktheaters
zu Gast hat. Einen kompletten Theaterbetrieb gilt es dann in sechs Wochen
aus dem infrastrukturellen Nichts zu heben.
Inés
Moraleda (Carmen), Jae-Seop Kim (Escamillo). Foto: JMD
Über 250 Beteiligte zählte das Team der diesjährigen Carmen-Produktion,
die unter der musikalischen Leitung von Yakov Kreizberg und Amy Andersson
sowie der Regie von Carolyn Sittig stand und nun zu Ende gegangen ist. Während
die Waschmaschine träge ihre Runden dreht und hartnäckige Überreste
sechswöchigen Container-Darseins à la „Big Brother“
im Jugendherbergsheim raustrommelt, überfällt einen plötzlich
die Sehnsucht. Und – als hätte man es noch nicht zur Genüge
intus – liegt „Carmen“ wieder „ratz fatz“ auf
dem Plattenteller, beglückt, begeistert aufs Neue; erinnert an feurige
Opernabende und laue Sommernachtsträume, an harten Theateralltag und
eine Atmosphäre, die selbst mäkeligen Feuilletonisten ein Glänzen
in die Augen treibt.
Wer nach Weikersheim kommt und hier seine Arbeitskraft investiert, weiß,
worauf er sich einlässt und schätzt die herausfordernde Loslösung
vom festen, eingefahrenen Theaterbetrieb: Bühnen- und Köstümbildnerinnen,
Techniker oder Beleuchter, sie stehen in Weikersheim besonders vor organisatorischen
Kniffligkeiten, die viel Eigenengagement und Improvisationsgeschick abverlangen.
Ob Nähmaschine, Bolero oder Stierattrappe – rekrutiert aus der
ganzen Republik oder eigens in Handarbeit angefertigt – alles muss seinen
Gang nach Weikersheim finden. Und es ist gerade das unprätentiöse,
unverkrampfte Zusammenspiel vom Hausmeister bis zur Primadonna, das die effektive
und angenehme Arbeitsatmosphäre schafft, die so bezeichnend für
die Weikersheimer Opernkurse ist.
Natürlich – wer nach Weikersheim kommt und Bayreuth erwartet,
wird nur bedingt Erfüllung widerfahren, hat aber auch nicht verstanden,
worum es der Jeunesses Muicales im Grunde geht. Die neun Freilichtaufführungen
im Schlosshof Weikersheim sind qualitativ hochgeschätztes Ergebnis eines
langen arbeits- und lernintensiven Kurses, der über mehrere Arbeitsphasen
auf die Aufführungen hin arbeitet. Hier finden die aus Hunderten von
Bewerbern ausgewählten Sängerinnen und Sänger das, was von
ihnen an jedem Theater erwartet, aber nicht geboten wird: Bühnenerfahrung.
Für die meisten der sehr begabten, jungen Stimmen ist es das erste Mal,
dass sie sich auf der Bühne in einer großen Partie präsentieren.
Dazu kommt die fordernde Arbeit mit Dirigenten, Orchester und Regisseuren.
Kein Leichtes, das alles unter einen Hut zu bringen, zumal auch ganz alltägliche
Lernerfahrungen wie angemessenes Umgehen mit Kraftreserven von Stimme und
Körper, richtiges Markieren oder bühnentauglicher Bewegungsausdruck
hinzu treten. Doch die Sängerinnen und Sänger sind ungemein lernbereit,
gehen mit einer ungebremsten Offenheit und Spielfreude ans Werk, das schafft
einen ergiebigen Fundus für eine erfahrene Regie, die daraus zu schöpfen
weiß.
Dass diese in der Kulturlandschaft viel zu rar gestreute Verbindung von
Opernkurs und professionellen Aufführungen Erfolg hat, zeigten nicht
nur die über 12.000 Besucher der diesjährigen „Carmen“,
sondern auch das große überregionale Medieninteresse an dem Internationalen
Opernkurs Schloss Weikersheim. So wird sich die Jeunesses Musicales Deutschland
auch in der Zukunft weiter als unabdingbarer Förderer des europäischen
Musiktheaters für den begabten Sängernachwuchs sehen und sich für
ihn einsetzen.