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nmz-archiv
nmz 2003/09 | Seite 11
52. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Mentoren als Anstifter zum Musizieren
Zur Fachtagung „Musik, Rhythmik und Sprache in der Entwicklung von
Kindern“ in Ochsenhausen
Die Einsicht, dass jedwede musikalische Erziehung so früh wie nur möglich
beginnen sollte, ist durch eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien und
Publikationen hinreichend und überzeugend dargestellt worden. Unbedingt
hinzufügen möchte man: Nicht nur so früh, sondern auch so kompetent
wie möglich. Doch eben daran hapert es in der gesellschaftlichen Wirklichkeit
der BRD entschieden. Bereits um das Singen ist es in vielen Kindertagesstätten
schlecht bestellt und was die musikalische Grundausbildung von Erzieherinnen
anbetrifft, so bleibt diese in Anforderungen und Qualität weit hinter
dem zurück, was etwa in Österreich oder der Schweiz an dieser Stelle
eingefordert wird. Musikalische Ausbildung im Vorschulalter ist mithin hierzulande,
allen Erkenntnissen über ihre positiven Auswirkungen zum Trotz, nichts
Geringeres als ein ebenso bedauerliches wie exemplarisches Beispiel verpasster
Chancen.
Die rund vierzig Teilnehmer, die sich zu einer Fachtagung „Musik, Rhythmik
und Sprache in der Entwicklung von Kindern“ im baden-württembergischen
Kloster Ochsenhausen zusammengefunden hatte, waren denn auch nicht in der
Absicht gekommen, die Segnungen vorschulischer Musikerziehung ein weiteres
Mal herauszustreichen. Vielmehr ging es unter der Federführung des Verbandes
Deutscher Schulmusiker (VDS) insbesondere darum, konkrete Umsetzungsmöglichkeiten
einer verbesserten Musikausbildung in den Blick zu nehmen.
Aus der (leidvollen) Erfahrung heraus, dass Musikverbände im Alleingang
mitunter doch wenig vermögen, hatte man die Baden-Württembergische
Elternakademie (BWEA) samt ihrer engagierten Leiterin Renate Heinisch als
Mitveranstalterin gewonnen. Zugleich ließ Klaus Weigele, der neue Leiter
der Landesakademie Ochsenhausen während der gesamten Tagung durch persönliche
und organisatorische Unterstützung keinen Zweifel daran, welche Bedeutung
die Landesakademie der aufgeworfenen Problematik in ihrer langfristigen perspektivischen
Arbeit zumisst.
Die Entschließungen dieser Fachtagung, welche die Fachschule für
Sozialpädagogik betrafen, mögen auch von bundesweiter Relevanz sein
(nicht zufällig wurde auch diese Arbeitsgruppe von Werner Buxot, dem
Bundesbeauftragten des VDS für Fachhochschulen geleitet) – sie
betreffen beispielsweise die Nachqualifizierung von Diplom-Rhythmikern beziehungsweise
Musikerziehern (EMP), die als Seiteneinsteiger an diesen Fachschulen unterrichten,
oder aber eine kontinuierliche instrumentale Unterweisung der Studierenden
anstelle des so häufig zu verzeichnenden Blockunterrichts. Geht es jedoch
um die Kindertagesstätte selbst, so werden rasch Spezifika Baden-Württembergs
deutlich, wie sie etwa durch Walter Pfohl, dem Musikreferenten im Kultusministerium,
in vorbildlicher Weise initiiert wurden.
Genannt seien in diesem Zusammenhang musikalisch ausgebildete Eltern- und
Schülermentoren (alle Schüler der 38 Musikgymnasien Baden-Württembergs
müssen zünftig eine solche Mentorenausbildung absolvieren), die
in Kindergärten eingesetzt werden sollen, gleichsam als „Anstifter“
zum Singen und Musizieren. Bereits jetzt engagieren sich die Laienmusikerverbände
des Landes in vorbildlicher Weise bei der Ausbildung solcher Mentoren.
Wenn man mithin ein Fazit dieser Fachtagung zieht, dann kann es in Zukunft
eher weniger um wortgewaltige Resolutionen an die Ministerien gehen –
wie viele Papierkorbadepten wurden nicht bereits produziert! Wichtig und vordringlich
ist vielmehr eine Vernetzung aller beteiligten Kräfte (Ministerien, Schulmusikverbände,
Laienmusik, Eltern und Schüler), daraus resultierend eine geduldige und
systematische Musikalisierung vor Ort, in jeder Kindertagesstätte selbst.
Es wird noch ein langer Atem nötig sein.
Hermann Wilske
Die vollständigen Tagungsergebnisse können bei der Baden-Württembergischen
Elternakademie, Rathausgasse 14, 97944 Boxberg, angefordert werden, E-Mail:
info@elternverein-bw.de).