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nmz-archiv
nmz 2003/09 | Seite 32
52. Jahrgang | September
Landesmusikräte
Lernen mit Sinn(en) und Verstand
Tagung des Landesmusikrates NRW zur musikalischen Bildung im Kindesalter
Wie bereits in der letzten Ausgabe angekündigt, veranstaltet der Landesmusikrat
NRW am 18./19. September in Düsseldorf eine Tagung zur musikalischen
Bildung im Kindesalter. In den Gesprächsrunden zu „Feldern der
Hörerfahrung“ wird Prof. Dr. Michael Dartsch zu sondieren versuchen,
worum es in der anschließenden Podiumsdiskussion gehen soll: Wie kann
man „Allianzen für eine Musikalisierung im frühen Kindesalter“
schaffen? Da der Einfluss von Bildungsinstitutionen auf Kinder in den ersten
drei Lebensjahren noch nicht so groß ist, werden Instanzen in den Blick
genommen, die für Eltern in dieser Zeit von großer Bedeutung sind:
Kinderärzte, Medien, Elterninitiativen, die Arbeit von Familienbildungsstätten,
aber auch institutionalisierte Angebote von Musikschulen wie zum Beispiel
die „Musikwichtel“ an der Musikschule Bochum für Kinder ab
18 Monaten oder die Initiative „Liedergarten“ des Sängerbunds.
Wenn man in der Breite etwas bewirken will, sind gerade solche Angebote gefragt,
die viele erreichen. Daher werden neben der „Sendung mit der Maus“
auch die Zeitschrift „Eltern“ und der Kinderliedermacher Detlev
Jöcker vertreten sein. Möglichkeiten und Probleme sollen benannt
werden, Eltern und Kinder an praktische Erfahrungen mit Musik heranzuführen.
Denn jeder, der Musik macht, weiß, dass Musik über angelesenes
Wissen und bloßes Hören nicht vermittelt werden kann. Wie lassen
sich aber niederschwellige Angebote für Eltern schaffen, die keinen Zugang
zum eigenen Musizieren, auch nicht zum Singen mit ihren Kindern mehr haben?
Grundlegend ist dabei zunächst das Bewusstsein, dass Kinder durch den
Kontakt mit Musik, das aufmerksame Hören, das Sich-Bewegen zu Musik profitieren.
Prof. Dr. Gerd E. Schäfer wird in seinem Vortrag über „Ästhetische
Erfahrung als Basis frühkindlicher Bildung“ einige Hinweise hierzu
geben können.
Leider ist zu bemerken, dass die verengende Sicht, die durch die Diskussion
um die Ergebnisse der PISA-Studie entstanden ist, den ästhetischen Bereich
ausklammert und nur die so genannten Hauptfächer in den Blick nimmt.
Dass der Verstand aber nicht im luftleeren Raum arbeitet, sondern an sinnliche
Erfahrungen gebunden ist, wird dabei häufig vergessen. Ästhetische
Erfahrungen öffnen Kanäle, um das Leben zu erkunden und zu begreifen,
sie geben einen Anreiz, um aufmerksam zu sein, um zu handeln, um sich anzustrengen
und um Verbindungen und Sinn herzustellen – also nicht zuletzt, um den
Verstand zu gebrauchen. Die Komplexität dieser Zusammenhänge lässt
vor allem im frühen Kindesalter noch keine Trennung zwischen Lernen,
Spielen und „nutzlosem Tun“ oder „Freude am Schönen“
zu.
Je älter Kinder werden, desto bessere Möglichkeiten gibt es, über
Tageseinrichtungen für Kinder und über Schulen Angebote für
musikalische Erfahrungen zu machen und damit schließlich alle Kinder
– auch solche aus in dieser Hinsicht nicht privilegierten Elternhäusern
– zu erreichen. In der Realität sieht es aber so aus, dass immer
weniger Erzieherinnen einen praktischen Zugang zur Musik haben und selbst
das Singen mit den Kindern schwer fällt. In den Schulen fehlen Fachlehrer
für Musik, sodass Lehrer mit Musikkenntnissen „fachfremd“
unterrichten oder der Musikunterricht gar nicht stattfindet. Dieses Problem
ist sicher nicht durch Kooperationen allein zu lösen, aber immerhin ergeben
sich hierdurch Möglichkeiten, die manchen Kindern zugute kommen können,
vor allem da in Nordrhein-Westfalen durch den Ausbau von offenen Ganztagsgrundschulen
in Zukunft verstärkt außerunterrichtliche Musikangebote vorgesehen
sind. Noch gibt es nur einzelne Beispiele, von denen einige im zweiten Tagungsteil,
der nach dem „Mehrwert durch Kooperationen“ fragt, vorgestellt
werden. Diskutiert werden soll hierbei auch, inwieweit sich die Laienmusik
mit ihren Musikvereinen vor Ort (wo es vielleicht keine Musikschulen gibt)
in diesem Bereich stärker engagieren könnte.
In der abschließenden Podiumsdiskussion werden die vorhandenen Möglichkeiten,
Kindern in NRW einen besseren Zugang zu Musik und praktischem Musizieren zu
verschaffen im Gespräch mit Vertretern des Schulministeriums, des Städtetags
und des Deutschen Kulturrats noch einmal auf den Prüfstand gestellt.
Dabei geht es um Fragen von Qualität und Finanzierbarkeit, um Formen
der Zusammenarbeit und Hemmnisse bei der praktischen Umsetzung. Ist ein „Bündnis
für Musikerziehung“ in NRW leistbar, das Kinder nicht nur zu unwissenden
Konsumenten von Musik macht, sondern zu „Musik-Machern“ und „Musik-Verstehern“?
Aufgrund der begrenzten Platzzahl in den Räumlichkeiten der Villa Horion
(Horionplatz 1, gegenüber dem Düsseldorfer Landtag) ist eine Anfrage
bei der Geschäftsstelle des Landesmusikrates NRW, ob eine Teilnahme an
der Tagung noch möglich ist, dringend erforderlich (Tel. 0211/86 20 64-19).
Heike Stumpf
Programm
Donnerstag, 18. September 2003
Handlungsfelder zur Förderung von Hörerfahrungen im frühkindlichen
Bereich. Babys wunderbare Klangwelt: Musik in offene Ohren
14.00-15.00: Impulsreferat Ästhetische Erfahrung als Basis frühkindlicher
Bildung
Gerd E. Schäfer, Universität zu Köln; anschl. Fragerunde
(Moderation: Dartsch)
15.00-16.30: Felder der Hör-Erfahrung
Michael Dartsch im Gespräch mit Vertretern aus der Praxis
a) Familie – Hermann Josef Krahl, Erika Reinhard, Sabine Hellmig
b) Medien – Hilla Stadtbäumer/Manuela Lumb, Detlev Jöcker,
Petra Schrand
c) Institutionen – Gisela Eibeck, Michael Schmoll, Barbara Kohls,
ggf. Vertreter/-in Diakonisches Werk Westfalen, Münster
16.30-17.00 Kaffeepause
17.00-18.30 Podiumsdiskussion zum Thema „Allianzen für eine Musikalisierung
im frühen Kindesalter“ – Birgit Fischer (angefragt), Karl
Karst, (angefragt), Josef Kahl, Manfred Grunenberg; Moderation: Werner Rizzi
Freitag, 19. September 2003 Förderung von praktischem Musizieren in Kindergarten/KiTa
und Grundschule. „Wachstumsfaktor“ Musik – Mehrwert durch
Kooperationen?
9.30 Uhr: Eröffnung – Werner Lohmann
9.45-12.00: Beispiele bestehender Kooperationen – mus-e Schulprojekt
der Yehudi Menuhin Stiftung (Winfried Kneip, Düsseldorf) – Folkloremusizieren
in der Grundschule/LAG Musik (Michael Brüning/Ellen Fromme, Remscheid)
– Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf/GGS Richardstr. (Kooperation
LVdM/VDS NRW, Rolf Keßler) – Musikschule Mönchengladbach/
Kindertageseinrichtungen (Frank Füser) – Musikkapelle Herdringen
e.V. /Grundschule (Ernst-Willi Schulte) – aner-kannter Bewegungskindergarten
Bad Hon-nef/LSB NRW (Margaret Schuch-Staszko/Neuhoff) – Medienpaket
„Olli Ohrwurm“ (Schule des Hörens e.V., Helga Kleinen,Köln)
mit Diskussion
12.00–13.00: Hearing – Kooperationen im Profil: Wer mit wem?
Und wie? – Wie müssten Kooperationen aussehen, die eine breite
Beteiligung von Partnern aus dem Musikleben zulassen? (Statements von Vertreter
der Musikverbände und -vereine)
13.00–14.30: Mittagspause
14.30–15.00: Alles im Rahmen: Richtlinien und Vereinbarungen Ministeriumsvertreter
stellen neue Richtlinien für Kindertagesstätten sowie für
die Offene Ganztagsgrundschulen (OGTGS) vor; Vorstellung der Rahmenkooperationsvereinbarung
der Ministerien für Schule und Kultur mit dem Landesmusikrat und dem
Landesverband der Musikschulen NRW für die OGTGS
15.00–15.30: Musikbeispiel: Monteverdi-Junior-Chor, Dortmund
15.30–16.00: Kaffeepause
16.00–18.00: Podiumsdiskussion
Allen Kindern eine Stimme geben – Musikangebote für Kinder zwischen
Wunsch und Wirklichkeit – Klaus Schäfer, Bernd Meyer, Olaf Zimmermann,
Walter Lindenbaum, Reinhard Knoll; Moderation Thomas Rietschel
18.30–19.30: Pressekonferenz mit Vorstellung „Kulturen inTakt
und Bewegung: Sport-Musik-Mobil“ (LMR/LSB)
20.00: Abendveranstaltung im Ständehaus (gesonderte Einladung), Vorstellung
des Positionspapiers zu einem Bündnis für Musikerziehung „Zum
Wohle unserer Kinder“