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Ausgabe 2003/06
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Konzerte für KinderKonzerte für Kinder

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nmz 2003/09 | Seite 14
52. Jahrgang | September
Musikvermittlung

Bumm taki taki und der Besuch einer alten Dame

Erstes Kindermusikfest im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals · Von Irena Müller-Brosovic

Familien mit Picknickkörben – manche sogar mit vollbeladenen Leiterwagen – fanden sich am ersten wunderschönen August-Wochenende im Kulturzentrum Salzau in Schleswig-Holstein ein, um zusammen das 1. Kindermusikfest des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) zu feiern.

Zu verdanken war diese Idee, mit der sich das inzwischen ehrwürdige Festival für einen ganzen Tag den Kindern öffnete, den drei langjährigen Leiterinnen der Festival-Kindermusikwerkstatt Christiane Jasper, Barbara Stiller und Julia Wetzel. Durchgeführt wurde der Tag von 30 Studierenden des Detmolder Pilotstudienganges „Musikvermittlung/Konzertpädagogik” unter der Leitung der drei genannten Hamburger Pädagoginnen und der vier Detmolder Hochschullehrern Joachim Harder (Ensembleleitung), Ulrich Holle (Regie), Ernst Klaus Schneider (Musikvermittlung) und Joachim Thalmann (Moderation/Konzeption).

Um es vorwegzunehmen: Das Interesse des Zielpublikums war geradezu überwältigend – die 800 Eintrittskarten waren bereits im Vorverkauf in kürzester Zeit vergriffen.

Musikalischer Familientag

Fand bisher die Kindermusikwerkstatt parallel zu den Konzerten der Musikfeste auf dem Lande für Erwachsene statt, so konnten in diesem Jahr die Familien gemeinsam an allen Anlässen teilnehmen.

Im Bann des Klangzaubers: Enger Kontakt zwischen Publikum und Bühne bei „Trommelwirbel und
Schlagzeuggeflüster“. Foto: Reinke Eisenberg

Diese Idee der Durchdringung ließ die Familien den ganzen Tag über zusammen bleiben – ein Effekt, der einerseits die Angebote für Kinder deutlich aus der Zweitrangigkeit bloßer Betreuung (während die Eltern ein „richtigeres” Konzert hören) herauszuheben imstande war und andererseits eben diese Konzerte durch die wesentliche Präsenz von Kindern zu lebendigen, fröhlichen, ja geradezu erstaunlichen Veranstaltungen für die ganze Familie machte. Und überhaupt sprechen gut gestaltete Kinderkonzerte immer auch zugleich die Erwachsenen an. Überdies trug natürlich das Ambiente von Schloss Salzau, der Konzertscheune, der Ökonomiegebäude und des wundervollen Gartens mit Teich und lauschigen Plätzchen das Seine zur ausgelassenen Gesamtstimmung bei.

Auch für das kulinarische Wohl war gesorgt: Beim Picknick (die wohl familienfreundlichste Art zu speisen) spielte man miteinander und schloss Freundschaften oder freute sich über kleine Geschenke – wie etwa die einfallsreichen Selbstbau-Instrumente, die alle Kinder als Erinnerung mit nach Hause nehmen konnten.

Drei Familienkonzerte wurden geboten, und während der eineinhalbstündigen Pausen fand ein reichhaltiges musikalisches Aktionsprogramm statt, das die oben erwähnten Hochschullehrer und die Studierenden in ungezählten Stunden in Detmold sowie in einer mehrtägigen Sommerakademie in Bad Segeberg vorbereitet hatten.

„Behütete“ Klanggewänder

Eröffnet wurde das Fest mit Benjamin Brittens „Young Person’s Guide to the Orchestra“. Das optisch und akustisch eindrucksvolle große Festival Orchester sorgte unter Brian Barker für einen glanzvollen Auftakt. Der Moderator Martin Sieveking ließ das Publikum gar nicht erst in Passivität zurückfallen, sondern studierte gleich zu Beginn mit den Zuhörern eine Body-Percussion zum eben gehörten musikalischen Thema ein. Diese zusätzliche „Instrumentengruppe“ spielte anschließend mit dem Orchester zusammen. Das Eintauchen in den Orchesterklang ließ das Thema verinnerlichen – selbst am Ende des Tages sah man Kinder auf den Rücksitzen der davonfahrenden Autos die Choreographie des „Bumm taki taki tam tam” ausführen...

Auch visuell wurde die Klangwelt Brittens in die Kindersprache übersetzt: In einer von den Musikvermittlern entwickelten und ausgeführten „Hutparade” wurde jede in den Variationen vorgestellte Instrumentengruppe mit einer Figur vorgestellt, die allein durch ihren Hut passende Assoziationen auslösen konnte. Die Oboe mutierte in einen Sommerhut Marke „Besuch der alten Dame” und durch die Kontrabässe sprang ein Kobold mit roter Perücke.

Da jede Form von Verkleidung und Rollenspiel eng verbunden ist mit der kindlichen Erlebniswelt, strahlten die Hutszenen eine Faszination aus, die als Erinnerungshilfe im Dschungel der Instrumentalfarben nutzbar gemacht werden konnte. Selbst die Gliederung der Komposition ließ sich auf diese Weise optisch zeigen: Nachdem jedes Instrument/jeder Hut sich einzeln vorgestellt hatte, traten die Hüte am Schluss der Komposition entsprechend der Fugeneinsätze gestaffelt auf und wiesen auf den Standort „ihres“ Instrumentes im Orchester hin. Der choralartige Schluss wurde zum feierlichen Auszug der Hüte aus der Konzertscheune.

Kreatives Tun in den „Pausen“

Nach dem ersten Konzert strömten die Kinder mit Fragebögen in den Schlosspark, die sie an den Eingängen zum Gelände erhalten hatten – eine Musik-Rallye, die ihnen helfen sollte, das Gelände und die Räumlichkeiten kennen zu lernen, mit Musikern Kontakt aufzunehmen und weitere Angebote des Kindermusikfestes wahrzunehmen. Das Ergebnis der altersspezifisch entwickelten Fragebögen: Begeistert rannten unzählige Kinder von Veranstaltung zu Veranstaltung, und Familienväter versuchten, ihre Sprösslinge mit musikalischem Fachwissen zu beeindrucken.

Die übrigen Pausenangebote waren vielfältig und boten für jeden Geschmack etwas Faszinierendes rund um das Thema Musik. So konnte zum Beispiel der Inhalt des gerade gehörten Konzertes vertieft werden: In kleinerem, persönlichem Rahmen stellten die Musikvermitttler in einer gewitzten Konzertpantomime musizierend verschiedene Instrumente und deren Eigenschaften vor. Eine Flötistin und ein Fagottist unterhielten sich auf ihren Mundstücken, entdeckten dabei voller Verwunderung denselben Ton und wollten sich mit großem Spieleifer gegenseitig übertrumpfen. Nach und nach wurden die Blasinstrumente zusammengesetzt, die Flöte ging als Siegerin der hohen Töne hervor, und das Fagott beeindruckte mit seinen tiefen Tönen. Der musikalischen Spielerei schlossen sich die Violine, das Klavier und die Schlaginstrumente an. Die Geschichte endete darin, dass die Kinder die Instrumente selber ausprobieren konnten. Bewegungsfreudige tanzten und sangen zusammen auf der Schlosswiese. Spätestens jetzt fühlten sich alle als Gemeinschaft; Familien und Musiker kamen miteinander ins Gespräch.

Im Schloss bereiteten ältere Kinder mit dem Moderator E. K. Schneider eine Klangperformance für das zweite Familienkonzert vor, die als Einstimmung in ein experimentelles Schlagzeugstück münden sollte. Die Jugendlichen übernahmen dabei einen eigenverantwortlichen Part und wurden so selber zu Musikvermittlern für Neue Musik. In einem anderen Salon trafen sich Eltern von Babys und Kleinkindern, um sich von einer Federgeschichte verzaubern zu lassen. Die Musik nahm Kinder und Eltern mit in eine Welt, in der zusammen gesungen, getanzt und improvisiert wurde.

Geschnitten, geklebt und gehämmert wurde in der Instrumentenbauwerkstatt. Um Anregungen für das Spielen zu geben und die Arbeit zu würdigen, wurde mit den selbst gebauten Instrumenten dann auch zusammen musiziert.

Im benachbarten Gebäude konnte man die Geschicklichkeit der professionellen Instrumentenbauer bestaunen. Und wer nochmals alle Instrumente eines Sinfonieorchesters sehen wollte, durfte sich ein witziges Elch-Orchester auf Pappe drucken.

Vibrierende Schlagkunst

Ähnlich wie einst der Rattenfänger von Hameln lockten die Schlagzeuger der Klasse Peter Prommel von der Hochschule für Musik Detmold die Kinder mit ihren mitreißenden Samba-Rhythmen in die Konzertscheune. Die Kinder spielten beim Einzug auf ihren selbst gebauten Schellenstäben mit und demonstrierten dem Publikum deren Lautstärke. Die Selbstbauinstrumente wurden am Ende des Konzertes nochmals eingesetzt. Doch dazwischen waren die Kinder von dem Dargebotenen so gebannt, dass keiner der ausgeteilten 200 Schellenstäbe im Publikum zum Solo ansetzte.

Im bunt zusammengewürfelten Programm mit dem Titel „Trommelwirbel und Schlagzeuggeflüster“ staunte man über Aussehen, Spielweise und Klang der über 100 aufgestellten Schlaginstrumente. Die Intention dieses Familienkonzertes war es, die Vielfalt dieser Instrumentengruppe und der auf ihr spielbaren Musik zu demonstrieren: Neue experimentelle Musik, griechische Volksmusik, Unterhaltungsmusik, zeitgenössische Instrumentalkonzerte und die Bearbeitung eines klassischen Werkes.

Die vielen Wechsel und Umbaupausen mussten von der Moderation überbrückt werden, ohne den Spannungsbogen abfallen zu lassen. Um auch eine Verbindung zum ersten Konzert zu knüpfen, tauchte der Kobold, Hutpatron des Britten’schen Kontrabasses, wieder auf, verbündete sich mit den Kindern, moderierte, mischte sich unter die Kinder und hörte zu. Das Wechselspiel zwischen dem Moderator E. K. Schneider und dem Kobold erwies sich als ausgesprochen anregend und führte dramaturgisch als roter Faden durch das Konzert. Auf unterhaltsame Weise wurde der Fokus abwechselnd auf das differenzierte Hören von verschiedenen Klängen, das Erleben der riesigen Spannweite der Dynamik oder auf die Musiker gerichtet. Packende Geschichten ließen das emotionale Hören intensivieren, und beim Mitspielen erfuhren die Kinder die Kraft des Rhythmus. Das Konzert zeichnete sich durch einen engen Kontakt zwischen Publikum und Bühne aus und endete in einer gemeinsam gespielten und getanzten Samba vor der Konzertscheune.

Mozart, Comics und Theater

Das dritte Familienkonzert war eine Produktion von Niels Frédéric Hoffmann und Stefan Siegert, die ihr Programm „Bona Notte, liebe Lotte“ auch an anderen Spielorten des Festivals aufführten. Im Mittelpunkt stand die Biographie Mozarts. Episoden aus seinem Leben wurden erzählt und als Comics illustriert, die Stefan Siegert während des Konzerts zeichnete. Dazwischen wurden viele Kompositionen Mozarts für Kammermusik-Besetzung arrangiert, angespielt. Die vielseitigen Begabungen von Niels Frédéric Hoffmann und Stefan Siegert kamen in der Aufführung voll zum Tragen: Die beiden spielten Violine, parlierten munter drauf los, verkleideten sich und spielten Theater.

Das 1. Kindermusikfest des SHMF kann in seiner Mischung von Konzerten, offenen Aktionen und Angeboten – gespiegelt im Lebensgefühl eines Picknick im Schlosspark – als Modell dienen für Kindermusikfestivals an anderen Orten. Dabei gilt es, die Kinder als Publikum von heute ernst zu nehmen und die Musik, nicht die Verpackung, ins Zentrum zu stellen.

Vorbereitung und Durchführung zeigen zugleich modellartig, wie „Musikvermittlung-Konzertpädagogik“ effektiv studiert werden kann: Gemeinsame Arbeit aller an der Konzeption, ihrer Entfaltung und Realisierung. Einbeziehen von zahlreichen Fachleuten für spezifische Aufgaben: Schauspieler für die Dramaturgie und Einstudierung der Szenen, Spezialisten für die Gestaltung der Rallye-Fragebögen und Ablaufpläne der Konzerte, Logistiker und Tontechniker des Festivals.

Für die Ausbildung – und damit auch für das Kindermusikfest – ausgesprochen günstig erwies sich die Vielzahl der Beteiligten, die sich gegenseitig unterstützen, unters Publikum mischten, Publikums-Aktionen verstärkten und Rückmeldungen der Zuhörer erhielten. Von Elternseite her wurde der starke Wunsch geäußert, dass nächstes Jahr wieder ein Kindermusikfest stattfinden solle, denn die Kinder waren begeistert: Da wurde nach Musiker-Autogrammen gejagt, vor lauter Enthusiasmus das Essen vergessen, oder ganz spontan zu Ernst Klaus Schneider gesagt: „Das hast du gut gemacht“.

Irena Müller-Brosovic

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