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nmz 2003/09 | Seite 17
52. Jahrgang | September
Rezensionen

Himmel-Fahrten

Veröffentlichungen zum Thema

Bei „Himmelfahrtskommando“ muss man heute leider allzu aktuell an den nahen Osten denken. Bei „Christi Himmelfahrt“ denken viele an die Vergnügungen des Vatertags, aber kaum an einen politischen Vorgang. In solchem Licht, fern des Feiertages und seiner Freuden, erscheint Albert Lortzings gleichnamiges Oratorium, das soeben in einer ganz anderen Besetzung als bei der öffentlichen Aufführung des WDR im Jahre 2001, aber gleichfalls als WDR-Koproduktion bei cpo erschienen ist.

Die Lortzing-Forschung ist sich uneins darüber, ob der Komponist zu seinem einzigen Oratorium durch autobiografische Impulse (den Tod von Lortzings Töchtern Bertha und Caroline) oder durch Aufführungsmöglichkeiten motiviert wurde. Mit „Die Himmelfahrt Jesu Christi“ vertonte Lortzing den Text des Osnabrücker Lehrers Friedrich Karl Rosenthal, einem 1848er-Revolutionär. Die Uraufführung erfolgte am 12. November 1828 im Schauspielhaus Münster. Wie Eckhardt van den Hoogen im Beiheft der CD trefflich nachweist, ist die Komposition durchaus eine versteckt revolutionäre Opernhandlung, die sich formal und inhaltlich an Beethovens „Fidelio“ orientiert. Wie Florestan, so tritt auch der Tenor Christus erst im zweiten Teil des zweiteiligen Werkes in Erscheinung, wie Florestan wünscht er sich aus seinem Gefängnis heraus, – die Himmelfahrt als Befreiung. In seinem dramatischen Impetus und in seiner romantischen Sanglichkeit ist „Die Himmelfahrt Jesu Christi“ ein echter, früher Lortzing und als solcher das fehlende Bindeglied zwischen den frühen Pasticcios und Singspielen und der Romantischen Oper. Die Einspielung des WDR Rundfunkorchesters und Rundfunkchors wird von Helmuth Frischauer beschwingt geleitet.

Eine kurzweilige Himmelfahrt in den Olymp der allzumenschlich lasterhaften griechischen Götter bietet ein DVD-Mitschnitt aus dem Châtelet. Es geht um Krieg und schon Offenbach setzte dabei Troja mit der französischen Metropole gleich. In Laurent Pelleys Inszenierung spielt sich die Handlung in der Fantasie einer sexhungrigen Hausfrau ab, verkörpert von Felicity Lott. Die träumt sich als schönste Frau in die Antike, wird aber mit Griechenland-Touristen und Altertums-Travestie konfrontiert. Choreographisch und musikalisch amüsant werden die Intentionen der Bouffe Parisyens im Heute eingelöst. Die Musiciens du Louvre Grenoble versprühten unter der Leitung des Barock-Spezialisten Marc Minkowski nötigen Esprit. Kein ganz großer, aber ein sehr unterhaltsamer Theaterabend auf der häuslichen DVD-Bühne.

Wie viel Unheil religiöser Fanatismus seit je angerichtet hat, ist gerade auf der Opernbühne oft thematisiert worden. Vincenzo Bellinis „I Puritani“ ist eine solche Oper. Sie übertrifft die bekanntere „Norma“ an zündenden musikalischen Ideen, an weitgehendem Verzicht auf Rezitative und überrascht durch ein Netzwerk von Motiven. Gustav Kuhn hat mit seiner Accademia di Montegral und dem Orchester des Teatro Massimo Bellini di Catania eine hinreißende Einspielung der Pariser Fassung dieser Oper auf dem von BMG eroberten Label Arte Nova produziert: dicht, fesselnd und mitreißend.

Obgleich er den Weg nach Theresienstadt für sein Schaffen besonders produktiv empfand, war er für den Komponisten Viktor Ullmann ein Himmelfahrtskommando. Unter den Künstlern des Vorzeige-KZs war der 1889 als Sohn eines österreichischen Offiziers in Teschen geborene Anthroposoph Ullmann mit über 20 Werken sicher der aktivste Kämpfer gegen Elend und Tod. Parallel zu einer CD mit seinen zwei Sinfonien und der Ouvertüre zu „Don Quixote tanzt Fandango“ hat Capriccio eine DVD veröffentlicht, auf der die Stationen des Lebensweges von Ullmann nachvollzogen wird: Fremde Passagiere – Auf den Spuren von Viktor Ullmann. Während die Symphonien und die „Don Quixote“-Ouvertüre bereits in sehr eindrucksstarken Einspielungen von Israel Yinon und Gerd Albrecht vorliegen, baut die beherzte Neueinspielung des Zemlinsky-Wiederentdeckers James Conlon darauf, dass Alexander Zemlinsky Ullmann ans Deutsche Theater Prag verpflichtet hat und dass Ullmanns Musik deutlich zur Seite des letzteren tendiert.

In einem Gespräch mit Thomas Voigt gibt James Conlon auf der DVD sein Bekenntnis für jene Musiker ab, die zweimal getötet wurden, das zweite Mal nämlich in den 50er-Jahren, als man nur serielle Musik als Musik des 20. Jahrhunderts gelten lassen wollte. Dieser Einsatz ist in den Aufnahmen spürbar und auf einer Probe mit dem Gürzenich-Orchester in der Kölner Philharmonie auch zu erleben. Kongenial muss in diesem Zusammenhang die Orchesterbearbeitung von Bernhard Wulff genannt werden, der die Ouvertüre nach dem Particell und die zwei Sinfonien anhand der fünften und siebenten, von Ullmann mit zahlreichen Instrumentationsangaben versehenen Klaviersonate, orchestriert hat.

Eine glücklicheres Schicksal als Ullmann traf Erich Wolfgang Korngold, da ihm die Emigration glückte. „The Adventures of a Wunderkind“ nennt sich eine Arthaus-DVD, mit dem prämierten Arte-Film von Barrie Gavin „Between two Worlds“ und diversen Konzert-Einspielungen in Bild und Ton. Trefflich musikalisch konzipiert und geschnitten, ist Barrie Gavin ein filmisch-musikalisches Kunstwerk gelungen. Die Höhepunkte von Korngolds Filmmusikschaffen werden in Originalausschnitten der Hollywood-Filme ebenso integriert, wie ein Film mit dem Komponisten am Klavier und erstmals veröffentlichte Amateurfilmaufnahmen aus dem Korngold-Familienarchiv – nunmehr allerdings vom Regisseur in der spezifischen Dramaturgie der Komponisten mit Korngold-Musik untermalt. Ausschnitte der Opern Korngolds (auch aus „Violanta“ und „Die Kathrin“) werden visualiert, und die Skizzen zu einer zweiten Symphonie erstmals (mit Klavier) veröffentlicht. Jene Filmmusiken, die Korngold, auf Anraten seines Vaters, des berühmten und den Sohn einengenden Wiener Kritikers Julius Korngold anschließend zu Orchesterkonzerten verarbeitet hat, sind auf einem weiteren Kapitel der DVD in Bild und Ton komplett zu erleben, mit dem RSO Frankfurt unter der sehr engagierten Leitung von Hugh Wolff. Der bei seiner Wiederkehr nach Europa, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, enttäuschte Komponist konnte eine Renaissance seines Schaffens, wie sie heute zu konstatieren ist, in keiner Weise vorausahnen.

„Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“, die berühmteste Nummer aus „Eine Nacht in Venedig“ stammt von Erich Wolfgang Korngold. Die originale Vorlage zu dieser Zutat kann man jetzt auf einer Arthaus-DVD sehen und hören. Johann Strauß komponierte 1887 ein Werk ohne Genreangabe, in seinem Operettenstil, aber mit Zutaten der pathetischen Oper, „Simplicius“. Die Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg, nach Grimmelshausens „Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch“, wurde 1999 zum Strauß-Jubiläum in Zürich ausgegraben. David Pountneys Inszenierung fußt nicht auf neobritischer Kriegsbegeisterung, sondern untermalt die Kriegsmaschinerie mit britischem, schwarzem Humor. „Jeder Krieg ist Brudermord“ heißt es schließlich in Victor Léons Text. Die Partitur erweist sich unter Franz Welser-Mösts espritvoller Leitung, mit ausgezeichneten Solisten, dem Chor und Orchester des Opernhauses Zürich, geradezu als ein verkanntes Meisterwerk.

Himmelfahrtskommandos waren alle Ehen, die mit dem erotisch attraktiven Blaubart bezirzte Frauen mit dem Aristokraten eingingen. Eine besonders nachtschwarze Version dieses wiederholt musikdramatisierten Märchens hat Emil Nikolaus von Reznicek 1917 geschaffen. Basierend auf dem gleichnamigen Skandalstück von Herbert Eulenberg wird das Verhalten des Frauenmörders in drei Akten psychologisch entschlüsselt. Das tut der Komponist mit einem Orchesteraufwand, der Strauß‘ Partituren noch in den Schatten stellt. Im Gegensatz zur bekannten Ouvertüre von „Donna Diana“ erweist sich Reznicek hier als tonaler Neutöner, mit einer kompromisslosen Radikalität, die Strauß gefallen, weil an sein Frühwerk gemahnen musste, so dass er sich beim Berliner Generalintendant Hülsen – vergeblich – für die Uraufführung einsetzte. Die Ersteinspielung verblüfft ob der faszinierenden Klanggewalt und lautmalerischen Pracht, die hier vokal und orchestral – insbesondere in ausgedehnten Zwischenspielen – entfaltet wird, endend im Tod des Antihelden, der seinen toten Frauen die Köpfe abschneidet, so dass selbst die Grabräuber erschreckt fliehen. Der amerikanische Bariton David Pittman-Jennings wird der Titelpartie in so hohem Maße gerecht, dass man die Hörigkeit der Frauen Judith (Celina Lindsley) und Agnes (Andion Fernandez), wie auch des jungen Grafensohns Werner (Robert Wörle) und des von Blaubart geblendeten Dieners Josua (Victor Sawaley) nachvollziehen kann.

Peter P. Pachl

Diskografie

Albert Lortzing: Die Himmelfahrt Jesu Christi; Anneli Pfeffer (Gabriel), Hedwig Fassbender (Eloa) u.a., WDR Rundfunkchor Köln, WDR Rundfunkorchester Köln, Helmuth Froschauer.
cpo 999 837-2 (1 CD)

Jacques Offenbach: „La Belle Hélène“; Dame Felicity Lott (Helena), Yann Beuron (Paris), Michel Sénèchal (Menelaus) u.a., Les Musiciens du Louvre – Grenoble, Marc Minkowski, Laurent Pelly (Regie und Kostüme) Ross Mac Gibbon (Bildregie).
TDK DV-OPLBH (1 DVD)

Vincenzo Bellini: I Puritani. Stafania Bonfadelli (Elvira Valton), Stefano Secco (Talbo), Vladimir Chernov (Forth) u.a. Choro ed Orchestra del Teatro Massimo Bellini di Catania, Accademia di Montegral, Gustav Kuhn.
Arte Nova 74321 87081 2 (3 CDs)

Viktor Ullmann: Sinfonie Nr. 1; Sinfonie Nr. 2; 6 Lieder op.17; Don Quixote tanzt Fandango. Juliane Banse (Sopran), Gürzenich-Orchester Kölner Philharmoniker, James Conlon.
Capriccio 67017 (1 CD)

Fremde Passagiere – Auf den Spuren von Viktor Ullmann: Sinfonie Nr. 2; Gürzenich-Orchester Kölner Philharmoniker, James Conlon.
Capriccio 67017 (1 DVD)

Erich Wolfgang Korngold – The Adventures of a Wunderkind. Film von Barrie Gavin.
Erich Wolfgang Korngold: Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur, op. 37; Konzert für Violine und Orchester D-Dur; „Don Quixote“, Nr. 1; Märchenbilder, op. 3, 4 und 7; Leonidas Kavakos (Violine), Quirine Viersin (Violine), Alexander Frey (Klavier), Radio-Symponie-Orchester Frankfurt, Hugh Wolff
Arthaus DVD 100 362

Johann Strauß: „Simplicius“; Michael Volle (Wendelin), Martin Zysset (Simplicius) u.a., Chor und Orchester des Opernhauses Zürich, Franz Welser-Möst, David Pountney (Regie), Thomas Grimm (Bildregie)
Arthaus DVD 100 364

Emil Nikolaus von Reznicek: „Ritter Blaubart“; David Pittman-Jennings (Ritter Blaubart) u.a., Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Michail Jurowski.
cpo 999 899-2 (2CDs)

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