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Ausgabe 2003/06
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nmz 2003/09 | Seite 3
52. Jahrgang | September
Zukunftswerkstatt

Ein Hochschulmodell mit Perspektiven

Die Pädagogische Hochschule und die Musiklehrerausbildung in Deutschland

Es erscheint zunächst sinnvoll, sich den besonderen und inzwischen einzigartigen Hochschultyp Pädagogische Hochschule wieder ins Gedächtnis zu rufen, auch vor dem Hintergrund, dass mancherorts inzwischen reumütig über seine Wiedereinführung nachgedacht wird (zum Beispiel in einem Leserbrief an die FAZ am 13. September 2002).

Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte die Ausbildung von Grund-, Haupt-, Real- und oft auch Sonderschullehrern an Pädagogischen Hochschulen. Sie gingen in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg aus nicht- oder halbakademischen Lehrerbildungsanstalten hervor, oft Pädagogische Institute genannt. In ihrem endgültigen Status wurden sie zu Wissenschaftlichen Hochschulen, die schrittweise die akademischen Rechte wie Promotion und Habilitation erwarben. Im Unterschied zur anderen Hochschule, der Universität, beschränkten sie sich aber nicht auf die ausschließliche Ausbildung von Fachdisziplinen ohne erklärten Berufsbezug, sondern verstanden sich als Ausbildungsstätten für Lehrer/-innen. Aus diesem unterschiedlichen Ausbildungsverständnis heraus vernachlässigte die Universität (oft bis heute, vergleichbar auch mit den Musikhochschulen) Pädagogik und Didaktik. Sie bildet also nach ihrem Verständnis beispielsweise nicht Deutschlehrer für das Gymnasium, sondern Germanisten aus. Paradoxerweise verfügen viele Universitäten aber gleichzeitig über separate Lehrstühle für Fachdidaktik an Grund-, Haupt- und Realschule. Die Pädagogische Hochschule setzte dagegen von Beginn an auf die Parallelität von Fachwissenschaft und -didaktik, betrieb beide wissenschaftlich und aufeinander bezogen. Fachdidaktik wird dabei nicht nur akademisch vermittelt, sondern durch ein gestuftes System von Schulpraktika (Block- und Tagespraktika) sinnvoll ergänzt.

Die neue musikzeitung beamt die Pädagogische Hochschule Weingarten in die Zukunft. Zeichnung: Johannes Radsack

Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden in allen Bundesländern, mit Ausnahme Baden- Württembergs, die bestehenden Pädagogischen Hochschulen aufgelöst und entweder als eigene erziehungswissenschaftliche Fakultäten oder auch Fach zu Fach in Universitäten integriert. Aus einigen der Hochschulen entstanden Erziehungswissenschaftliche Universitäten (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein). Baden-Württembergs eigenwilliger Weg schien zunächst manches Argument für sich zu haben: Man beobachtete hier gelassen die Entwicklung um sich herum und wartete mögliche Fehlentwicklungen ab. Sehr spät, Ende der neunziger Jahre, beauftragte man eine hochkarätig besetzte Kommission, Vorschläge für eine Neuordnung der Lehrerausbildung und der dafür zuständigen Institute auszuarbeiten – Ministerpräsident und zuständige Minister verkündeten allerdings noch vor Abschluss der Kommissionsarbeit und ohne deren Ergebnisse abzuwarten: Die Pädagogischen Hochschulen bleiben bestehen. Wieder einmal hatte sich eine teure Kommission als Alibiveranstaltung entpuppt und weitgehend für den Papierkorb gearbeitet. Gleichwohl spricht viel für diesen Beschluss.

Dennoch: Die Pädagogischen Hochschulen hatten abzuschaffen. Unser finanzieller Spielraum ist – bei kontinuierlich fallender Tendenz – derart knapp, dass wir vor der Alternative stehen, Bücher anzuschaffen oder Klaviere zu stimmen. Zugleich sorgten hektische und wenig durchdachte Novellierungen der Prüfungsordnungen in immer kürzeren Abständen für Unruhe und bisweilen für unzumutbare Arbeitsbedingungen. Begleitet wurden sie von einer immer stärkeren Tendenz zu kürzesten Studiendauern und infolgedessen extrem überfrachteten Studiengängen.

Eine generelle Wiedereinführung des so bewährten und praktikablen Modells „Pädagogische Hochschule“ hätte deshalb nur dann Sinn, wenn man diesen Hochschulen endlich die erforderlichen Arbeitsbedingungen zugestehen würde: also eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung, langfristige organisatorische und inhaltliche Sicherheit und das Recht auf eigenständige Weiterentwicklung, aber ohne den Zwang hektischer politisch-ideologischer Vorgaben. In der Logik dieses Modells läge übrigens eine Weiterentwicklung der Pädagogische Hochschule hin zu einer Pädagogischen Universität unter Einbeziehung auch der gymnasialen Studiengänge. Es gibt jedoch neben dieser angedachten Rückkehr zu Bewährtem noch andere Denkmodelle, die den Bedürfnissen des Faches Musik in viel größerem Umfang entgegenkommen. Es sollte in der heutigen Situation einer umfassenden Bildungsdiskussion erlaubt sein, auch Idealmodelle zu konstruieren und vorzustellen, selbst wenn mit den derzeitigen Entscheidungsträgem kaum an eine Realisierung zu denken ist. Ein derartiges Idealmodell sollte die besten Anteile aus allen existierenden Ausbildungsgängen enthalten und zugleich mögliche neue Strukturen skizzieren.

Stichworte für eine denkbare Schulmusikerausbildung

Die jeweils besten Anteile der bisherigen Ausbildungsgänge finden sich auf alle drei Hochschultypen verteilt: Die Qualität der künstlerischen Ausbildung ist in der Musikhochschule am höchsten, die didaktische Kompetenz findet sich in den Pädagogischen Hochschulen beziehungsweise in den Fachdidaktiken der Universität, die höchste fachwissenschaftliche Kompetenz bietet die Universität. An den Pädagogischen Hochschulen leidet das Fach Musik unter der rigorosen Gleichbehandlung aller Fächer, die eine angemessene Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse einer musikalischen Fachausbildung kaum noch zulässt. Das spricht für eine konsequente Auslagerung des Faches aus der Pädagogischen Hochschule Als vorläufige Kompromisslösung böte sich zunächst die Konzentrierung des Faches Musik auf einzelne Pädagogischen Hochschulen an – nicht jede Hochschule muss notwendigerweise sämtliche Schulfächer anbieten. Zugleich böte sich auf diese Weise den Hochschulen eine jeweils individuelle Profilierungsmöglichkeit, im Sinne eines gesunden institutionellen Wettbewerbes. In Rheinland-Pfalz bietet beispielsweise nur die Abteilung Koblenz der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule das Fach Musik an.

Ein Lehramtsstudium sollte als Ganzes – also für alle Schulformen – nur an einem einzigen gemeinsamen Institut angesiedelt sein, also müssten Kompetenzen verlagert werden. Legt man den Schwerpunkt auf fachlich-künstlerische Kompetenz, dann spräche alles für die Musikhochschule als zentralem Ausbildungsinstitut. Allerdings muss man sich aus Erfahrung darüber klar sein, dass dort die musikpädagogischen Studierenden keineswegs einschränkungslos willkommen sind. Noch weniger glücklich wäre man dort sicher, wenn man nun auch noch die Grund-, Haupt- und Realschullehrer/-innen ausbilden müsste – das musikpädagogische Übergewicht innerhalb der Hochschule würde gewiss von manchem als zu groß empfunden. Ein großer Teil der Professoren an Musikhochschulen bildet am liebsten nur „reine Musiker“ aus, obwohl doch gerade die große Zahl der Schulmusiker viel zur Existenzsicherung so mancher Musikhochschule beiträgt. Auch die Musikwissenschaftler und Musikdidaktiker an Musikhochschulen haben es häufig schwer, sich gegenüber den Künstlern zu behaupten. Eine Verlagerung der gesamten Schulmusikausbildung für alle Schulformen an die Musikhochschule hätte also mit manchen (sachfremden) Widerständen zu kämpfen. Folgt man der Logik der genannten internen Widerstände, dann wäre die Alternative die Gründung einer eigenständigen Musikpädagogischen Hochschule, die ebenfalls für alle Schulformen zuständig sein müsste. In einem Land von der Größenordnung Baden- Württembergs würde das freilich zu einer Reduzierung der Anzahl der Musikhochschulen fuhren. An einer derart neuartigen Hochschule bestünde die Chance, die Studierenden für alle Schulformen qualitativ gleichwertig auszubilden. Denkbar wäre das in Gestalt eines (mindestens) achtsemestrigen Studiums. Das gemeinsame viersemestrige Grundstudium sollte für alle Studiengänge gleich organisiert sein; das darauf folgende Aufbaustudium setzte dann die individuellen Stufenschwerpunkte. Die didaktischen Anteile des Studiums einschließlich der Schulpraktika sollten nach dem Vorbild der Pädagogischen Hochschulen organisiert und strukturiert sein. Musikwissenschaft und Musikdidaktik hielten in einem derartigen Studium jeweils dasselbe Gewicht wie die künstlerische Ausbildung; diese sollte jedoch einen starken Schulbezug besitzen. Die wissenschaftlichen Beifächer würden parallel zum Musikstudium und nach seinem Ende entweder an benachbarten Pädagogischen Hochschulen (Grund-, Haupt- und Realschule) oder Universitäten (Gymnasium) studiert werden.

Profunder Austausch zwischen den Ausbildungsgängen

Für eine Zusammenfassung aller Musik-Studiengänge an einem einzigen Institut – ob Musikhochschule oder Musikpädagogische Hochschule – sprechen einige gewichtige Gründe: Die Ausbildungsqualität wäre endlich gleich; es bestünde kein sachfremder Gründungszwang mehr für künstlerischen Einzelunterricht; Musikwissenschaft und Musikdidaktik erhielten eine selbstbewusstere Position innerhalb des Institutes und stünden nicht mehr wie an Musikhochschulen unter Rechtfertigungsdruck. Schließlich käme es endlich zu einem profunden gegenseitigen Austausch zwischen den Ausbildungsgängen für die einzelnen Schulformen. Überdies würden endlich vorhandene Vorurteile unter Schulformen und Hochschulen abgebaut. (In dieser Richtung arbeiten inzwischen einige Ausbildungsinstitute in mehreren Bundesländern, etwa die Musikhochschulen in Berlin, Rostock, Hamburg, Hannover und Essen. Kombinationsmodelle gibt es in weiteren Städten.)

Anmerkung: Die vorliegenden Ausführungen basieren auf einer Auswertung der Studien- und Prüfungsordnungen einer großen und repräsentativen Auswahl unter den deutschen Ausbildungsstätten für die Schulmusik. Die jeweils aktuellen statistischen Daten hierzu finden sich auch in der Veröffentlichung der Bundesanstalt für Arbeit: Studien- und Berufswahl, herausgegeben von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), Nürnberg.

Arnold Werner-Jensen

Der Verfasser ist Professor für Musik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten in Baden-Württemberg und vertritt das Fach in diesem Bundesland seit 27 Jahren.

 

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