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nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 47
52. Jahrgang | Oktober
Dossier:
Markenprodukt Musik
Die geheimen Agenten des Musiklebens
Das Geschäft der Mittler zwischen Künstler und Veranstalter
blüht im Verborgenen
Die Berufsbezeichnung Agent klingt geheimnisvoll und das nicht
nur wegen der Assoziationen, die dieses Wort auslösen mag.
Das Geschäft der Vermittlung spielt sich im Hintergrund ab,
während im Rampenlicht der Öffentlichkeit nur der Künstler
und die gelungene Veranstaltung stehen: Über das stille Geschäft
dazwischen dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit, denn dieses
Geschäft lebt von der Diskretion.
Steht ein Agent dann doch einmal im Rampenlicht wie vor einigen
Jahren bei Vertragsabschluss von James Levine in München, dann
denkt man an Begriffe wie Macht und Einfluss, an Honorare und Provisionen,
vielleicht an die großen marktbeherrschenden amerikanischen
Agenturen wie Columbia Artists Management, die Herbert von Karajan
ebenso auf ihrer Liste hatten wie heute James Levine und viele andere
große Dirigenten und Solisten. Das alles spielt sicher eine
Rolle. Was aber noch? Einige Agenturen, ganz unterschiedlicher Größe
und Profils, kommen zu Wort.
Allein in Deutschland versammelt der Verband der Deutschen Konzertdirektionen
rund 250 Agenturen und Veranstalter unter seinem Dach. Die Publikation
„Wer ist Wo“ des Verbands der Deutschen Konzertdirektionen
listet auf, welcher Künstler durch welche Agentur vertreten
wird, und es verzeichnet die Adressen aller Mitglieds-Agenturen.
Die meisten der aufgeführten Agenturen sind sowohl in der Künstlervermittlung
als auch in der Veranstalterbranche tätig. Den Jahresumsatz
der Mitglieder aus Agentur- und Veranstaltungsgeschäft beziffert
der Verband der Deutschen Konzertdirektionen auf rund 1,1 Milliarden
Euro und sieht darin eine Bestätigung, dass im Veranstaltungsgeschäft
„trotz hoch subventionierter Konkurrenz der öffentlichen
Hand Bedürfnis und Raum für privatwirtschaftlich organisierte
Kultur in unserem Land besteht“. Internationale Netzwerke
für Agenten und Veranstalter bieten die International Artists
Managers’ Association (IAMA), die Association Européene
des Agents Artistique (AEAA) oder die International Society for
the Performing Arts (ISPA).
Der Künstler oder das Ensemble arbeiten zusammen mit einem
Agenten. Man einigt sich auf ein Generalmanagement oder beschränkt
die Vertretung auf bestimmte Länder. Dementsprechend arbeiten
in vielen Ländern oft auch verschiedene Agenten für einen
Künstler oder ein Ensemble. Eine Ausbildung für den Beruf
des Künstleragenten gibt es nicht. Die einen haben Musik studiert,
die anderen Kulturmanagement oder Sprachen, die nächsten haben
eine kaufmännische Ausbildung und eine Leidenschaft für
Musik und andere haben Jura studiert und den Familienbetrieb übernommen.
Von allem braucht der Künstleragent ein bisschen, mehr aber
noch braucht er Geschick im Umgang mit unterschiedlichsten Menschen,
ein Gespür für die Musik, für Bühnenpräsenz
und Entwicklungsfähigkeit eines Künstlers, Ausdauer, Begeisterungsfähigkeit
und Überzeugungskraft.
„Im Idealfall ist der Agent der Repräsentant des Künstlers.
Er ist der Weg zwischen dem Künstler und der Bühne.
Es braucht eine große Mischung aus Bescheidenheit –
man ist ja nicht der Künstler – und Selbstbewusstsein.
Mir geht es darum, dass Künstler die Möglichkeit bekommen,
das zu machen, was sie wollen. Dadurch wächst in ihnen etwas.“
Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat
„Es geht bei der Agententätigkeit nicht darum, im
Rampenlicht zu stehen. Wir sollten im Hintergrund bleiben und
ermöglichen, dass sich auf der Bühne qualitativ Hochwertiges
abspielt. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen: beim Künstler
und auch beim Veranstalter. Wenn ein Veranstalter weiß,
dass er Qualität bekommt und das Preis-Leistungs-Verhältnis
stimmt, dann ist er auch einmal bereit, einen Künstler zu
engagieren, den er noch nicht kennt. Ich halte es für sehr
wichtig, junge Künstler aufzubauen und über einen relativ
langen Zeitraum zu begleiten.“ Yvonne Weigold, Weigold & Böhm International Artists
& Tours GmbH
Nicht nur junge Musiker suchen eine Agentur. Die richtige zu finden,
ist nicht immer ganz einfach. Es muss passen. Was dabei helfen kann:
Wettbewerbserfolge, Konzerte in angesehen Reihen, Empfehlungen und
gute Kontakte.
„Wie findet der Agent die Künstler, für die er
arbeiten will? Er kann sie suchen. Auf Wettbewerben zum Beispiel.
Aber er muss sie nicht suchen. Sie kommen zu ihm. Manche drängen
sich geradezu auf. Nur: Sind sie auch qualifiziert? Werden sie
den Erwartungen gerecht? Haben sie neben aller Begabung und allem
technischen Rüstzeug und aller Musikalität auch noch
das gewisse Etwas, den ‚Sexappeal’ oder das Geheimnis
einer fremden Welt? Und sind sie dem Agenten auch noch sympathisch?
Denn ohne Sympathie läuft auf dieser Welt so gut wie gar
nichts. Und in unserem Beruf noch weniger als in anderen.“ Rolf Sudbrack, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack
„Die Künstlerauswahl ist eine Mischung: Wir kennen
die Szene und beobachten den Markt. Oft wird man durch jemanden
auf einen Künstler aufmerksam gemacht. Natürlich gehört
auch ein Gespür für neue Talente und ein musikalisches
Urteilsvermögen dazu.“ Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid
Haben Agentur und Künstler oder Ensemble sich gefunden, sich
über „Territorien“, Konzerthonorarmargen und Programmvielfalt,
Termine et cetera abgesprochen, beginnt die eigentliche Arbeit der
Agentur: Konzerte der Künstler an Veranstalter zu verkaufen.
Das geht vom persönlichen Verkauf bis zur Verschickung von
Printmaterialien, Newslettern und vielem mehr. Es ist ein aktives
Verkaufsgeschäft. Und es ist harte Arbeit, zumindest bis der
Name bekannt ist. Aber auch danach.
„Wie ich meine Künstler vermittle? Ich habe eine Künstlerliste.
Diese Künstlerliste bezeichne ich als meine Menükarte.
Darauf sind alle ‚meine’ Künstler und Ensembles,
denen ich mich verpflichtet habe und denen ich auch versprochen
habe: Ich mache euch den Kalender voll. Ich gehe auf die Veranstalter
zu. Das sind gewachsene Beziehungen zwischen Agent und Veranstalter.
Es gibt Briefe, Telefonkontakte, aber der persönliche Verkauf
ist nach wie vor der beste.“ Andreas Braun, Konzertbüro Andreas Braun
„Es gibt keine präzisen Instrumente, weil wir eine
Vermittlerrolle haben. Mein Instrument ist die Fülle der
wunderbaren Namen, die ich vertrete. Ich habe etwas in den Händen,
worüber ich in ganz breitem Maße sprechen kann. Und
das Allerwichtigste dabei ist das Gespräch. Ich muss wissen,
mit wem ich es zu tun habe, wer der Veranstalter ist, was sein
Wunsch ist, was es für ein Saal ist, wer sein Publikum ist
und was er eigentlich erreichen will. Und nicht zuletzt muss ich
wissen, was er bezahlen kann.“ Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat
„Es gibt verschiedene Wege, auf denen bekannt gemacht wird,
dass ein Musiker zu den Auserwählten gehört. Einen Weg
nenne ich gern den ‚unterirdischen’, weil er am wenigsten
sichtbar ist. Es ist der Tipp des großen und berühmten
Musikers an die Direktoren von Festspielen, Veranstaltungszentren
und Orchestern.“ Rolf Sudbrack, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack
„Bei der Vermittlung von Künstlern, Orchestern oder
auch Projekten sind über die Bewerbung mittels klassischer
Drucksachen persönliche Gespräche besonders wichtig,
vor allem das Gespräch mit dem Veranstalter vor Ort. Das
Geschäft ist sehr personenbezogen, es geht um Vertrauen.
Wichtig ist das Erspüren der Bedürfnisse der Kunden
und des Veranstalters. So entsteht ein Bild, das wiederum die
Auswahl der eigenen Projekte positiv beeinflusst. Das ist der
eine Teil. Ein anderer ist, Trends zu erkennen. Seit einigen Jahren
etwa hält Weltmusik verstärkt auch in Konzertsäle
Einzug.“
Claudius Schutte, MünchenMusik GmbH & Co. KG
Um einen Künstler bekannt zu machen, spielen auch die Medien
eine große Rolle. Es bedarf dabei gezielter Unterstützung
durch PR-Agenturen wie Quintessenz in München oder PR2 classic
in Köln. Künstlerpromotion, langfristig und punktuell
bei wichtigen Konzerten und CD-Neuerscheingen, kann auch die Arbeit
des Agenten erleichtern. CD-Veröffentlichungen spielen dabei
mehr als die Rolle einer klingenden Vistitenkarte.
„Medien haben heute einen Stellenwert bekommen, der übermächtig
ist. PR-Kampagnen laufen parallel zur Künstlervermittlung.
Warum jemand einen Job bekommt, hat heute viel weniger mit Qualität
zu tun als früher.“ Andreas Braun, Konzertbüro Andreas Braun
„Die Medienpräsenz spielt zunehmend eine Rolle. Aus
diesem Grund haben wir vor einigen Jahren auch eine PR-Abteilung
hier im Haus ins Leben gerufen. Den Künstlern legen wir nahe,
sich PR-mäßig versorgen zu lassen, hier im Hause oder
von einer externen Agentur.“ Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid
„Hat man gute Rezensionen für einen Künstler,
tut man sich leichter. Und wenn ein Künstler regelmäßig
im Rundfunk zu hören ist, dann tut man sich nochmals leichter.
Momentan allerdings ist es für junge Künstler schwierig.
Es gibt ein Überangebot.“ Michaela Russ-Grüber, Südwestdeutsche Konzertdirektion
Erwin Russ
Seit Jahren wird von der Krise auf dem Klassikmarkt gesprochen.
Was genau ist denn diese Krise? Über das Ausmaß, über
Ursachen und Auswege gibt es von Seiten der Agenturen verschiedene
Meinungen. Auch Krisen sind facettenreich…
„Natürlich kann man von einer Krise sprechen, aber
nicht nur in Deutschland, sondern international oder überhaupt
das Klassikgeschäft betreffend. Ein Grund dafür sind
die zunehmenden Angebote im Freizeitmarkt. Und es ist sicher auch
eine Frage des Heranführens des Publikums an Klassik. Der
ganze Bereich Erziehung spielt dabei eine große Rolle. Die
Eventkultur und auch die ganze Crossover-Bewegung halte ich für
kontraproduktiv. Ich bin nicht davon überzeugt, dass uns
dies neues Publikum für die Konzerte bringt. Den Leuten wird
etwas vorgegaukelt, was nicht die reale Welt der Klassik ist.
Ich glaube eher, dass Konzerte im kleinen Rahmen, Konzerte, die
exzellent dargeboten sind, wo Künstler wirklich etwas zu
sagen haben, das sind, was Menschen bewegt.
Mit der Krise muss man das ein kleines bisschen relativieren.
Großbritannien oder Amerika leben damit schon seit Jahrzehnten
und haben gewisse Überlebensstrategien entwickelt. Das ist
in Deutschland noch nicht der Fall. Wir stehen in diesem Anfangsschock,
dass plötzlich alles wegbricht und sich vieles noch nicht
etabliert hat, wie zum Beispiel die education programs. Natürlich:
Die Krise ist da, aber es klagen alle noch auf einem relativ hohen
Niveau.“ Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid
„Weil Angebot und Nachfrage wie eine Schere auseinandergehen,
deshalb ist der Markt in einer Krise. Es gibt viele gute Musiker,
aber weniger Konzertbesucher. Dazu kommt die Umverteilung von
Subventionen von kleineren Veranstaltern zu Festivals und der
Abbau von Subventionen überhaupt.“ Joachim Nerger, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack
„Für Agenturen wie auch für Veranstalter ist
der Markt schwierig. Für Agenturen ist er deshalb schwierig,
weil die Veranstalter weniger als zuvor bereit sind, das Risiko
der Einladung eines unbekannten Künstlers auf sich zu nehmen,
weil sie weniger Karten verkaufen. Wir haben früher in einem
Schlaraffenland der Veranstaltungen gelebt. Und dies ist im Moment
anders. Das Interesse hat sich gewandelt und es wird sich wieder
wandeln. Diese Wellenbewegungen kann man in den letzten Jahrzehnten
immer wieder beobachten.“ Hans-Dieter Göhre, Concerto Winderstein GmbH
„Es ist ein Netz von Dingen, die stimmen müssen, und
wenn es Lücken gibt, dann kann der eine nicht alles auffangen.
Agenturen alleine sind keine Heilsbringer. Als große Chance
für erfolgreiche Wege sehen wir das in den letzten Jahren
verstärkte Zusammenrücken zwischen Veranstaltern und
Agenten.“ Claudius Schutte, MünchenMusik GmbH & Co. KG
Auch das Agenturgeschäft hat sich in den letzten Jahren verändert:
Die großen Agenturen scheinen immer internationaler vernetzt
und gleichzeitig gibt es immer mehr kleine Agenturen, die Künstler
vermitteln.
„Es gibt eine interessante Entwicklung in den letzten sieben
bis zehn Jahren: Es gibt immer mehr Agenturen und immer weniger
Konzerte.“ Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat
„Das Agenturgeschäft hat sich verändert, bei
den großen Agenturen muss man sehr viel internationaler
weltweit vernetzt sein oder man muss sich eine Nische suchen.
Ich glaube, dieses breit gefächerte und nur auf Deutschland
bezogene Geschäft wird auf Dauer nicht funktionieren.“ Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid
Was erwarten Künstler von ihrer Agentur? Eine steile Karriere,
den Sprung auf die Konzertpodien der Welt, das große Geld?
Natürlich. Aber auch die persönliche Betreuung spielt
eine Rolle. „Kommunikation und Vermittlung stehen für
uns in der Zusammenarbeit mit unserer Agentur im Vordergrund. Wir
brauchen das Vertrauen in unsere inhaltliche Arbeit, und sie braucht
die Fähigkeit, dies an Veranstalter zu vermitteln.
Wir sind ein kleines Unternehmen – das eine ist die Kreativ-Abteilung,
das andere ist der Vertrieb. Aber der muss auch kreativ sein“,
so formuliert es das Klavierduo Andreas Grau & Götz Schumacher.
Kommunikation heißt, auch bei Veranstalterkontakten, Zusammenarbeit
von Agentur und Künstler. Veranstalter wollen gepflegt werden,
nicht nur von Agenten. Der Künstler ist das eigentliche Objekt
der Begierde.
Die Qualität auf der Bühne ist entscheidend, ein interessantes
Gespräch nach dem Konzert vielleicht auch. Natürlich ist
für alle Künstler ein voller Konzertkalender wichtig,
betont wird aber vor allem die künstlerische Freiheit, und
zwar auf allen Stufen der Karriere. Der international etablierte
Violinist Christian Tetzlaff: „Dass meine Agentur das Vertrauen
hat, dass ich spielen kann, was ich für richtig halte, ist
für mich das Allerwichtigste“.